BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2018

DIE NEUAUFLAGE DER GROKO: EINE BEWERTUNG AUS SICHT DER BAUSPARKASSEN

Axel Guthmann Quelle: LBS Bundesgeschäftsstelle

Fast sechs Monate nach der Bundestagswahl hat die Große Koalition (GroKo) unter Bundeskanzlerin Angela Merkel am 14. März 2018 ihre Arbeit aufgenommen. Obwohl der Wunsch der Immobilienbranche nach einem eigenständigen Wohnungsbauministerium einmal mehr unerfüllt blieb, enthält der ausgehandelte Koalitionsvertrag durchaus Konkretes und Vorzeigbares, wie sich an dem mehrheitlich positiven Echo der Verbände erkennen lässt. Der Autor des folgenden Beitrags analysiert die Neuauflage der GroKo aus Sicht der deutschen Bausparkassen. Auch er sieht diverse Ansätze, die Anlass für Optimismus geben. So attestiert er der Regierung beispielsweise mit Blick auf die für die Bausparbranche wichtige Stärkung der Eigenkapitalbasis künftiger Immobilienkäufer, die Ursachen der Probleme beheben zu wollen. Red.

Als nach dem Aus der schwarz-gelben Bundesregierung Ende 2013 die Große Koalition das Ruder übernahm, mehrten sich bereits die Anzeichen, dass es die Bundesrepublik schon bald mit ernsthaften Problemen auf dem Wohnungsmarkt zu tun bekommen könnte. Der Wohnungsneubau war die Jahre zuvor viel zu stark eingebrochen; die wachsende Nachfrage hatte Mieten und Preise bereits kräftig steigen lassen. Der Appell "Bauen, bauen, bauen!", mit dem sich der damalige Minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Peter Ramsauer (CSU), aus seinem Amt verabschiedete, hallte noch nach.

Veränderte Rahmenbedingungen

Doch Niederschlag gefunden in der damaligen Koalitionsvereinbarung hat er kaum. Zwar wurde darin bereits die Belebung des Wohnungsneubaus in großen Städten als Ziel formuliert, konkrete Maßnahmen sollten allerdings zunächst in einer Dialogplattform, dem "Bündnis für Wohnen", besprochen werden. Sichtbarste wohnungspolitische Maßnahme der Bundesregierung war die Einführung der "Mietpreisbremse" im Jahr 2015, die Haushalte vor stark steigenden Wiedervermietungsmieten schützen sollte. Gut viereinhalb Jahre später, nach schmerzhaften Niederlagen für die Volksparteien bei der Bundestagswahl im September 2017, gescheiterten "Jamaika"-Verhandlungen und (wie schon 2013) einem Mitgliederentscheid der SPD - hat sich jetzt wieder eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD gebildet. Was das Politikfeld Wohnen betrifft, allerdings unter veränderten Rahmenbedingungen: Fehlender bezahlbarer Wohnraum, verschärft durch die stark angestiegene Zuwanderung, ist zu einem der wichtigsten Handlungsfelder der GroKo geworden. Und keine der beteiligten Parteien will sich dem Vorwurf aussetzen, nicht alles getan zu haben, um die Situation zu verbessern.

Entsprechend liest sich das Arbeitsprogramm, das sich die neu aufgelegte GroKo gegeben hat. Bereits die Wortwahl zeigt die Entschlossenheit, mit der die Koalition diesmal die Themen angehen will, auch solche, die gar nicht in die primäre Zuständigkeit des Bundes fallen. Einen "Wohngipfel 2018" unter anderem mit Ländern, Kommunen sowie Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft wird es geben, in dessen Rahmen ein Gesetzespaket "Wohnraumoffensive" vereinbart werden soll. Anders als 2013 belässt es die Koalitionsvereinbarung nicht bei abstrakten Absichten, sondern nennt quantitative Ziele für den Wohnungsneubau.

Finanzielle Anreize bei der Schaffung von Wohneigentum

1,5 Millionen Wohnungen sollen in dieser Legislaturperiode entstehen. Auch dass das "Bauressort" vom Umwelt- ins Innenministerium gewandert ist, könnte zur Lockerung von etwaigen "Baublockaden" beitragen. Geführt von Horst Seehofer (CSU) wird das Ministerium den - noch gewöhnungsbedürftigen - Namen "Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat" tragen.

Und vor allem: GroKo II ist bereit, diesmal Geld in die Hand zu nehmen. Zu den wichtigsten haushaltswirksamen Vorhaben gehört das Baukindergeld für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum (geplant sind 1 200 Euro je Kind und pro Jahr über einen Zeitraum von zehn Jahren, wobei es Einkommensgrenzen geben wird), eine Sonder-Afa für den frei finanzierten Wohnungsbau (fünf Prozent über vier Jahre zusätzlich zur linearen Abschreibung) und Fördermittel des Bundes für den Sozialen Wohnungsbau der Länder (mindestens zwei Milliarden Euro in den Jahren 2020/2021).

Reaktivierung der Grundsteuer C

Darüber hinaus soll durch zahlreiche Einzelmaßnahmen Bauland mobilisiert werden. Das Spektrum reicht von der Wiedereinführung einer Grundsteuer C, mit der Kommunen sanften Verkaufsdruck auf Grundstückseigentümer ausüben können sollen, über die Zurverfügungstellung bundeseigener Grundstücke zu vergünstigten Konditionen bis hin zu neuen, noch nicht ganz klaren Ideen wie das Vorhaben, Wohnbauland von Landwirten für den Mietwohnungsbau zu aktivieren. Nicht zuletzt sollen die Kommunen bei der Baulandmobilisierung unterstützt werden, unter anderem durch Verbesserungen im Bauplanungsrecht. Bei den Kommunen anzusetzen, ist zweifellos richtig. Nur sie können das Angebot an bebaubaren Flächen ausweiten. Dass dies nicht ohne Zielkonflikte geschehen kann, wird schon daran deutlich, dass die GroKo eine Enquete-Kommission für "Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik" einrichten will. Konsens scheint aber inzwischen zu sein: Ohne neues Bauland geht es nicht.

Dass die Engpässe auf dem Wohnungsmarkt nur eine vorübergehende Erscheinung sind, daran mochte in der Politik niemand mehr glauben. Auch die Tatsache, dass die Zahl der genehmigten Wohnungen in Deutschland seit dem Jahr 2008 wieder anzieht, reichte nicht aus, um auf eine baldige Normalisierung zu vertrauen. Die Einschätzung, dass dem Wohnungsbauboom schon wieder die Luft ausgeht, wurde zuletzt genährt durch die Baugenehmigungszahlen für das Jahr 2017. Sie lagen um 7,3 Prozent oder 27 300 Wohneinheiten unter dem Vorjahr. Noch kritischer wird auf die Fertigstellungszahlen geblickt, die mit 278 000 Einheiten im Jahr 2016 deutlich hinter dem als notwendig erachteten Neubauniveau von jährlich zwischen 350 000 und 400 000 zurückbleiben.

So einig sich CDU/CSU und SPD sind, dass die Bundesrepublik mehr (bezahlbaren) Wohnraum braucht, so unterschiedlich sind bekanntermaßen ihre politischen Konzepte, um dieses Ziel zu erreichen. Mehr Markt oder mehr Staat? Mehr Wohneigentum oder mehr Mieterschutz? Zu diesen Grundsatzfragen gibt der Koalitionsvertrag erwartungsgemäß keine einheitliche Antwort. Vielmehr erfolgten Kompromisse auf dem Politikfeld Wohnen häufig nach dem Prinzip "Für jeden etwas". So ist nachzuvollziehen, warum die GroKo den wohnungspolitischen Instrumentenkasten in alle Richtungen geöffnet hat: Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und eine schärfere Mietpreisregulierung kommen ebenso vor wie die steuerliche Förderung des frei finanzierten Wohnungsbaus und die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums. Alle Instrumente gleichermaßen zu bedienen, muss in der gegenwärtigen Wohnungsmarktsituation, in der es auf zügige Umsetzung unter Mitwirkung aller mit dem Wohnungswesen befassten Akteure ankommt, nicht das Schlechteste sein.

Detaillierte Vereinbarungen im Mietrecht

Hilfreich für eine zügige Umsetzung der Koalitionsvereinbarungen zum Wohnen dürfte sein, dass die jeweiligen Verhandlungsgruppen von CDU/CSU und SPD bereits sehr tief in die teilweise komplexe Materie eingestiegen sind. Sie konnten aufsetzen auf den Fundus an Fachwissen, das im Rahmen des "Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen" (es soll weiter bestehen) bereits zusammengetragen wurde. Auch um mögliche Konflikte zu vermeiden, sind viele Vereinbarungen sehr detailliert festgehalten worden, nicht nur im Bereich der Förderpolitik, sondern insbesondere auch im Mietrecht. Zum Beispiel ist beim qualifizierten Mietspiegel die Verlängerung des Bindungszeitraums von zwei auf drei Jahre konkret beziffert, oder bei der Modernisierungsumlage die Senkung von 11 auf 8 Prozent unter bestimmten Voraussetzungen.

Eine Reihe von Vorhaben zeigt, dass die Große Koalition nicht nur Symptome, sondern auch die Ursachen von Problemen bekämpfen will. Dazu gehören neben den schon erwähnten Ansätzen zur Baulandmobilisierung insbesondere die Vorhaben, mit denen die Eigenkapitalsituation von Immobilienerwerbern gestärkt werden soll: die Prüfung eines Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer für Familien beim Ersterwerb, ein staatliches Bürgschaftsprogramm, mit dem ein Teil des Kaufpreises abgesichert werden soll, und die Verbesserung der Wohnungsbauprämie als Anreiz für die möglichst frühzeitige Eigenkapitalbildung.

Wille zur Bekämpfung der Ursachen von Problemen

Fehlendes Eigenkapital ist derzeit das Haupthindernis auf dem Weg in die eigenen vier Wände. Trotz steigender Einkommen und historisch niedriger Zinsen können sich immer weniger junge Haushalte den Erwerb von Wohneigentum leisten. Berechnungen zufolge ist das Potential an Ersterwerbern beziehungsweise neuen Wohneigentümern (betrachtet wurde die Gruppe der 30- bis 44-jährigen Mieterhaushalte, die mindestens 25 Prozent Eigenkapital zuzüglich Nebenkosten zum Erwerb einer ortsüblichen Immobilie aufbringen, und deren Einkommensbelastung durch Zins und Tilgung den Wert von 35 Prozent nicht übersteigt) seit 2007 rückläufig.

Grund für diese Entwicklung ist insbesondere die preistreibende Immobiliennachfrage durch Kapitalanleger, die auf der Suche nach Sicherheit und Rendite ihr Geld im sicheren Hafen "Immobilienmarkt Deutschland" anlegen. Proportional zum Preis steigen aber nicht nur die Nebenkosten für Makler, Notar und Grunderwerbsteuer, sondern auch der Eigenkapitalbedarf. Das vorhandene Geldvermögen hält in aller Regel nicht mit den inflationär gestiegenen Kaufpreisen Schritt. Gleichzeitig wurde vielen Haushalten angesichts niedrigster Nominalzinsen die Motivation zum Sparen genommen.

Die Große Koalition ist deshalb auf dem richtigen Weg, wenn sie Eigenkapitalbelastungen beim Kauf reduziert und die Anreize zum frühzeitigen Eigenkapitalaufbau verbessert. Die Stärkung des Eigenkapitals in einer Baufinanzierung ist nicht nur aus Sicht des Verbrauchers elementar, der sich individuell nicht überschulden, sondern sein Objekt spätestens bis zum Ruhestand abbezahlt haben will. Es ist auch aus übergeordneter Sicht von hoher Bedeutung. Die Große Koalition hat bereits in der letzten Legislaturperiode die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass das Risiko kreditfinanzierter Immobilienpreisblasen minimiert wird. Dafür wurden sogenannte "makroprudenzielle Instrumente" geschaffen, die bei Bedarf aktiviert werden können, nämlich die Vorgabe einer Obergrenze für das Verhältnis aus Immobiliendarlehen und dem Marktwert der Wohnimmobilie und die Vorgabe eines Zeitraums, innerhalb dessen das Darlehen zurückgezahlt werden muss.

Eine allgemeine Preisblase auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist derzeit nicht feststellbar, allenfalls punktuelle Preisübertreibungen. Auch wenn sich niemand den Praxiseinsatz makroprudenzieller Instrumente wünscht - der hinter der Regulierung stehende Grundgedanke ist richtig: Immobilienerwerber sollen ihre Finanzierung dauerhaft tragen können. In der Praxis heißt das auch künftig: Ohne Eigenkapital geht es im Normalfall nicht. Dieses anzusparen, macht zwar derzeit wenig Freude, da die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) dazu geführt hat, dass es kaum mehr Zinsen auf das Ersparte gibt. Wehklagen nützt aber nichts. Letztlich muss der fehlende Zins und Zinseszins durch ein Mehr an Sparen kompensiert werden.

Verbesserte Wohnungsbauprämie für kontinuierliche Sparprozesse

Von einer verbesserten Wohnungsbauprämie, die wieder breite Schichten der Bevölkerung erreicht, kann hier eine wichtige Signalwirkung für kontinuierliche Sparprozesse und einen langfristig orientierten Vermögensaufbau ausgehen. Die positiven Wirkungen des Bausparens hat zuletzt eine Analyse der Daten des sozioökonomischen Panels (SOEP), einer repräsentativen Wiederholungsbefragung von rund 12 000 Privathaushalten, gezeigt. Sie belegt: Bausparen führt zu einer höheren Sparquote, erhöht die Wahrscheinlichkeit, Wohneigentümer zu werden und zieht den Erwerbszeitpunkt um mindestens zwei Jahre nach vorne.

Fazit: Die Neuauflage der Großen Koalition will auf dem Politikfeld Wohnen liefern. Sie eint die Erkenntnis, dass Deutschland mehr Wohnraum braucht. Instrumentell wollen die Parteien unterschiedliche Schwerpunkte setzen, die SPD insbesondere beim Sozialen Wohnungsbau und einer schärferen Mietenregulierung, CDU/CSU beim Neubau sowohl von frei finanzierten Mietwohnungen als auch von selbstgenutztem Wohneigentum. Die großen Engpassfaktoren Bauland und Eigenkapital werden gesondert in den Blick genommen. Wenn die Vorhaben nunmehr entschlossen umgesetzt werden, könnte die Neuauflage der GroKo ein Erfolg werden - und die Volksparteien könnten verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen.

DER AUTOR AXEL GUTHMANN Verbandsdirektor, Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen im Deutschen Sparkassen- und Giroverband, Berlin
Axel Guthmann , LBS-Verbandsdirektor
Noch keine Bewertungen vorhanden


X