SPECIAL BUNDESTAGSWAHL

NEUE LEGISLATURPERIODE - POSITIONEN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT

Ein Plädoyer für maßvolle und zielorientierte Regulierung

Hauptgeschäftsführer, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin
Quelle: vdp e.V.

Am 26. September endet die 16-jährige Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel. Dann sind die Bundesbürger aufgerufen, eine neue Regierung zu wählen. Sicherlich wird es dann auch von den wohnungspolitischen Konzepten der Parteien abhängen, wo die Wahlberechtigten ihr Kreuzchen machen, schließlich bewegt das Thema Wohnen schon seit Jahren die Gemüter und hat entsprechend hohe Bedeutung für die Politik. Enorme Bürokratie, steigende Baukosten, Energiewende, Digitalisierung, Klimaschutz, Mieten- und Preisentwicklung, Baulandengpässe, höhere Neubautätigkeit, Förderung von Eigentumserwerb, Innenstadtplanung und -belebung, Enteignungsfantasien - es ist eine ganze Menge, was die Vertreter der Immobilienwirtschaft bewegt. Die I&F-Redaktion hat die Führungspersönlichkeiten von acht immobilienwirtschaftlichen Verbänden um die Darlegung ihrer Wünsche für die kommende Legislaturperiode gebeten. Zusammengekommen ist ein bunter Strauß von Vorschlägen, der die aktuellen Problemlagen gut umreißt. Red.

Unabhängig vom Ergebnis wird die Bundestagswahl am 26. September 2021 eine Zeitenwende einläuten. Die Ära von Bundeskanzlerin Merkel endet. Über ihre Nachfolge lässt sich trefflich spekulieren. Entscheidend ist: Die neue Regierung muss über eine stabile Mehrheit verfügen und sich den vielfältigen – vor allem auch wirtschaftlichen – Herausforderungen, die nach der Pandemie auf sie warten, mit größtem Engagement und unideologisch widmen. Denn es ist wichtig, dass Deutschland schnell wieder auf einen robusten Wachstumspfad kommt. Der Staat kann hierfür den Rahmen setzen. Dem Versuch, alles selbst regeln zu wollen, sollte er aber nicht erliegen. Das ist zuletzt in der Pandemie gescheitert.

Wohnen ist das soziale Thema unserer Zeit – und zu den drängenden Aufgaben der neuen Bundesregierung gehört deshalb vor allem die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, insbesondere in den Metropolen und Großstädten. Die Vorschläge, die am ehesten Erfolg versprechen, sind sicherlich eine weiter beschleunigte Bautätigkeit, aber auch die Senkung von Grund- und Grunderwerbssteuer. Reine Preisregulierung, etwa durch einen bundesweiten Mietendeckel, zu betreiben, ist dagegen der falsche Ansatz. Das haben wir in Berlin eindrucksvoll erlebt. Ein Mietendeckel wirkt kontraproduktiv, weil er nur Verlierer hervorbringt – auch die Mieter gehören dazu. Denn ein Mietendeckel ändert nichts an bestehenden Marktengpässen.

Im bisherigen Verlauf der Pandemie hat die Kreditwirtschaft einen zentralen Beitrag dazu geleistet, die deutsche Wirtschaft zu stabilisieren und die Folgen der politisch beschlossenen Maßnahmen zur Krisenbewältigung abzufedern. Künftig wollen die Banken dazu beitragen, auch die „Recovery“ nach der Pandemie zu unterstützen. So werden Kreditinstitute nach Kräften die Finanzierungsmittel zur Verfügung stellen, die im Rahmen der nachhaltigen Transformation für die erheblichen Investitionen in die Erholung der Wirtschaft, in neue Produkte, Technologien und Geschäftsmodelle nötig sind.

Damit die Banken auch in Zukunft ihrer volkswirtschaftlichen Funktion als Kreditgeber nachkommen können, bedarf es jedoch einer maßvollen Regulierung – insbesondere jetzt. Der reale Stresstest namens Covid-19-Krise zeigt, dass bereits die ununterbrochene Bankenregulierung der vergangenen 13 Jahre den Sektor so stabil ­gemacht hat, dass weitere Verschärfungen – wenn überhaupt – nur mit größtem Augenmaß erfolgen sollten. Bei der bevorstehenden Umsetzung von Basel III muss dieses Prinzip handlungsleitend sein.

Gleiches gilt für die Sustainable-Finance-Regulierung, an der zu viele Akteure parallel zueinander arbeiten, und die nicht nur deshalb verwirrend, zu umfangreich und zu detailversessen zu werden droht. Dabei ist der Grundgedanke hinter dem Green Deal der EU-Kommission ja absolut richtig und wird von den Pfandbriefbanken auch unisono unterstützt. Nicht erst die verheerenden Unwetter im Juli dieses Jahres in Deutschland und angrenzenden Staaten haben uns auf tragische Weise vor Augen geführt, dass wir viel zu lange gewartet haben. Aktionismus ist aber auch fehl am Platz.

Die inzwischen unüberschaubare Vielzahl und Komplexität der verschiedenen Regulierungsinitiativen werden einer schnellen Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit eher im Weg stehen als sie zu beschleunigen. Wichtig ist, dass diese Initiativen endlich koordiniert werden und damit die Vielstimmigkeit reduziert wird.

Wir benötigen klare, realistische Ziele und europaweit einheit­liche Strategien, wie diese Ziele erreicht werden. Und die Eigeninitiative der Marktakteure, die Sustainable Finance schon deutlich länger vorantreiben als Politik und Regulierer, darf durch staatliches Handeln nicht erstickt werden.

Der Banken- und Finanzsektor kann und will gerne Katalysator sein. Aber es muss auch klar sein: Sustainable Finance ist kein Allheilmittel für die Erreichung aller Nachhaltigkeitsziele. Es gibt Regelungsbereiche, bei denen Vorschriften für die Finanzindustrie wenig bis nichts bringen. Dann sollten die Politiker und Regulierer sie aber auch nicht setzen, sondern sich direkt an den richtigen Adressaten, die Realwirtschaft, wenden.

Jens Tolckmitt , Hauptgeschäftsführer , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin
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