INTERNATIONALES IMMOBILIENGESCHÄFT

DIE NORDEUROPÄISCHEN IMMOBILIENMÄRKTE BLEIBEN EINE VIELVERSPRECHENDE ALTERNATIVE

Henry Bispinck, Foto: Aberdeen

Gesunde Staatsfinanzen, ein stabiles politisches Umfeld, geringe strukturelle Risiken, klar definierte Eigentumsrechte und wenig Korruption - dies sind einige der Gründe, warum internationale Anleger die skandinavischen Länder seit jeher als sicheres Anlageziel betrachten. Neben den allseits beliebten Investments in Staatsanleihen wartet die Region dabei durchaus auch mit interessanten (Diversifizierungs-)Opportunitäten im Immobiliensektor auf. Wie die Ausführungen des vorliegen Beitrags zeigen, sind die dortigen Märkte bislang relativ gut durch die Pandemie gekommen und die Zeichen stehen inzwischen nicht zuletzt dank der vergleichsweise überschaubaren Lockdown-Maßnahmen auf kräftiger Erholung. Red.

Solide Staatsfinanzen sind die Basis, auf die Investoren in Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen - also dem erweiterten skandinavischen Raum - setzen können. Keines der vier nordischen Länder weist ein extrem hohes Haushaltsdefizit auf und die Bruttoverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist insgesamt nur etwa halb so hoch wie der Durchschnitt in der Eurozone (siehe Abbildung).

Zur Verschuldungssituation in Europa Quelle: World Economic Forum, ASI, IMF 2020

Ein immobilienwirtschaftliches Schwergewicht

Die vier Länder haben ähnliche soziale, wirtschaftliche und politische Systeme, doch ihre Geschichte, die Strukturen und die Treiber der Wirtschaftsentwicklung unterscheiden sich. Jedes Land hat andere Schlüsselindustrien, was zu einer eher asynchronen wirtschaftlichen Entwicklung führt.

Die vier skandinavischen Länder bilden zusammen die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt bei einer Gesamtbevölkerung von ungefähr 26,7 Millionen Menschen. Der Immobilienmarkt der Region hat eine Gesamtgröße von rund 420 Milliarden US-Dollar und ist damit - nach Großbritannien, Deutschland und Frankreich - der viertgrößte Markt für Immobilienanlagen in Europa.

Der Markt ist aber nicht nur groß, sondern hat darüber hinaus in den vergangenen Jahrzehnten bedeutende Fortschritte in Sachen Transparenz, Professionalität und Liquidität gemacht.

Aufgrund der Widerstandsfähigkeit, welche die skandinavischen Volkswirtschaften während der Finanzkrise bewiesen haben, ist das "skandinavische Modell" auf internationaler Ebene zunehmend in den Fokus gerückt. Der Begriff bezieht sich auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Modelle der nordeuropäischen Länder.

Dazu zählen ein großer öffentlicher Sektor, relativ hohe Steuern und sehr gut ausgebaute soziale Sicherungsnetze. Ein weiteres Merkmal sind staatliche Dienstleistungen wie kostenlose Bildung und allgemeine Krankenversicherung. So haben ein wettbewerbsfähiges Wirtschaftsumfeld, solide öffentliche Finanzen und ein umfassendes Sozialhilfesystem zu einem hohen Lebensstandard und einem circa 60 Prozent höheren Pro-Kopf-BIP als in der Europäischen Union geführt.

Überschaubare Rückgänge am Investmentmarkt

Während der Covid-19-Pandemie haben die Region und ihre Wirtschaft genau davon profitiert, auch wenn die Länder jeweils unterschiedliche Wege beschritten haben.

Das gesamte Immobilientransaktionsvolumen in den vier Ländern der Region lag im Jahr 2020 bei 42 Milliarden Euro. Nach Angaben von Pangea Property Partners war es damit nur um etwa 8 Prozent im Vergleich zu 2019 gesunken. Auch die Zahl der getätigten Transaktionen entwickelte sich sehr gut und sank nur um rund 5 Prozent.

Ausländische Anleger waren für ungefähr 35 Prozent des Gesamtvolumens verantwortlich und investierten netto mehr als 7 Milliarden Euro. Die Investoren interessierten sich insbesondere für Wohn-, Logistik- und Büroimmobilien.

Wohn- und Logistikimmobilien hatten im Jahr 2020 einen Anteil von rund 50 Prozent an den gesamten Transaktionen. Der Markt für Büroimmobilien stellt nach wie vor den Sektor mit dem höchsten Transaktionsvolumen dar und dürfte auch im laufenden Jahr ein wichtiges Segment bleiben. Da sich die Konjunktur erholt und Anleger mehr Kapital in Immobilien investieren möchten, gehen wir von einer anhaltend starken Aktivität im Jahr 2021 aus.

Ausländisches Kapital ist für den Immobilienmarkt in Nordeuropa von großer Bedeutung. Besonders die Immobilienmärkte Dänemarks und Finnlands werden mit einem Anteil von mehr als 60 Prozent am Transaktionsvolumen von ausländischen Anlegern dominiert.

Genaue Prüfung der Objekte bleibt unerlässlich

Aber auch wenn mit einer Konjunkturerholung ab Mitte des Jahres gerechnet werden kann, ist dennoch wie auf allen Immobilienmärkten eine jeweils unterschiedliche Entwicklung der Sektoren im Jahr 2021 wahrscheinlich. Somit bleibt auch hier eine genaue Prüfung der Objekte für ein erfolgreiches Investment notwendig.

Die meisten kurzfristigen Kennzahlen für den Immobilienmarkt sind zwar nach wie vor negativ, analog der meisten europäischen Immobilienmärkte, doch einige Teile lassen eine positive Dynamik erkennen. Nach dem Beginn der Impfprogramme ist für das laufende Jahr wieder von einem gewissen Mietwachstum auszugehen.

Die Anlagetätigkeit in den Nordics war im Jahr 2020 überraschend kräftig. Die Anleger bevorzugten wie bereits erwähnt recht deutlich Wohn- und Logistikimmobilien sowie Teile des Büroimmobilienmarkts. Dadurch stiegen die Kapitalwerte und die Renditen sanken.

Die Schlusslichter am Immobilienmarkt sind Einzelhandels- und Hotelimmobilien, die unter strukturellen Veränderungen und Beschränkungen zu leiden haben. Insgesamt ist mit einer regen Aktivität im Jahr 2021 zu rechnen, für die sowohl in- als auch ausländische Anleger verantwortlich sind.

Vorsicht ist das Gebot der Stunde

Aberdeen Standard Investments bevorzugt seit geraumer Zeit einen risikoärmeren Ansatz und hält dies im aktuellen Umfeld für besonders angebracht. Dieser Ansatz beinhaltet einen geringeren Einsatz von Fremdkapital, soweit möglich den Verkauf po tenziell risikoreicher Anlagen sowie Investitionen in die eigenen Bestandsimmobilien, um deren Qualität zu verbessern und das Risiko künftiger Leerstände zu mindern.

Ein weiteres Element ist die Beibehaltung ausreichender Liquiditätspolster, um potenziell negative Effekte auf die Cashflows auszugleichen. Aufgrund unserer Kapazitäten und Kompetenzen im Asset Management in Nordeuropa sind wir bereit, Vermietungsrisiken bei hochwertigen Immobilien mit einer schwächeren Vermietungssituation einzugehen, um mit aktivem Asset Management Wertsteigerungspotenziale zu erzielen.

Vorsichtig bleiben wir bei Einzelhandelssegmenten, die der wachsenden Konkurrenz durch den Onlinehandel sehr stark ausgesetzt sind. Lebensmittel, Dienstleistungen und Erlebnisse online zu verkaufen stellt sich allerdings schwieriger dar und wir glauben, dass jene Teile des Einzelhandels, die den Schwerpunkt auf diese Segmente legen, deutlich widerstandsfähiger sein werden.

Interessant erscheinen vor allem große Lebensmittelmärkte mit guter Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Fachmarktzentren in bester Lage könnten sich dank der signifikant niedrigeren Mieten im Vergleich zu Einkaufszentren und Innenstadtlagen als resilienter erweisen.

Aus einer Top-Down-Perspektive betrachtet ist der Bereich der Industrie-/Logistikimmobilien trotz der bereits niedrigen -Renditen der am attraktivsten bewertete Sektor. Der Logistiksektor profitiert vom Wachstum des Onlinehandels, das zu einem deutlich höheren Bedarf an Flächen führt.

Eine starke Nachfrage besteht auch nach Verteilzentren der "letzten Meile" für online gekaufte Einzelhandelsgüter. Der in größeren europäischen Städten bestehende Mangel an Grundstücken für Industrie-/ Logistikimmobilien ist in Städten des skandinavischen Raums ein weniger ernstes Problem. Die gezielte Auswahl der Investitionsobjekte bleibt entscheidend.

Sinkende Hauspreise könnten Mietmarkt pushen

Der Wohnimmobiliensektor kann Core-Investments mit geringem Risiko und mehr Möglichkeiten zur langfristigen Wertsteigerung bieten. Hier bestehen in den Nordics nicht zuletzt aufgrund der geringeren Aufmerksamkeit für den Markt und der damit weiterhin relativ moderaten Nachfrage attraktive Chancen. Dazu kommen die solide gesamtwirtschaftlichen Lage, stabile Staatsfinanzen sowie damit verbunden ein verbreiteter Wohlstand und ein hoher Lebensstandard der Bevölkerung. Es kann jedoch schwierig sein, gute Gelegenheiten zu erkennen, da unter den Anlegern ein scharfer Wettbewerb um den Bestand an Wohnimmobilien besteht.

Der Rückgang der Hauspreise könnte dazu führen, dass mehr Projekte, die anfangs für den Eigenheimmarkt gedacht waren, nun als Mietobjekte verkauft werden. Wahrscheinlich werden viele Entwickler Projekte aus ihren Bilanzen bekommen müssen, wodurch sich interessante Gelegenheiten ergeben könnten.

Insgesamt hält Aberdeen Standard Investments den erweiterten skandinavischen Immobilienmarkt trotz des aktuellen Konjunkturumfelds aufgrund der Covid-19-Pandemie für einen der attraktivsten Immobilienmärkte in Europa.

Die Gründe dafür sind, dass sich die nordeuropäischen Länder während der Pandemie relativ gut behauptet und von niedrigen Defiziten (relativ zum BIP), gut ausgebildeten Arbeitskräften sowie einem hohen Technologiebewusstsein profitiert haben. Die Transaktionsvolumen, die im Jahr 2020 nur um rund 5 Prozent gesunken sind, dürften im Jahr 2021 wieder steigen.

Wir erwarten eine stärkere Konjunkturerholung aufgrund der relativ weichen, wirtschaftsfreundlichen Maßnahmen in Nordeuropa, wobei die Schließung von Geschäften und Restaurants nur selten das Mittel der Wahl war. Unserer Ansicht nach dürfte die Belastung der Wirtschaft dadurch geringer sein als in anderen Ländern Europas, in denen das Konkursrisiko nach überstandener Pandemie höher sein dürfte.

Sehr geringe Mietrückstände bei Gewerbeimmobilien

Allokationen in den Nordics sind für sich genommen bereits gut für die Diversifizierung europäischer Portfolios. Im Vergleich zu anderen europäischen Immobilienmärkten konnten wir dort bei gewerblichen Immobilien sehr niedrige Mietrückstände feststellen. So wurden zum Beispiel in unserem größten Nordics-Fonds weiterhin rund 99 Prozent der Mieten gezahlt.

Alles in allem bleibt der erweiterte skandinavische Raum damit für Immobilieninvestoren auch 2021 eine vielversprechende Alternative zu Investitionen in Deutschland und Mitteleuropa.

Henry Bispinck , Fondsmanager Real Estate Investment Management Nordics, Aberdeen Standard Investments Deutschland AG, Frankfurt am Main

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