INSTITUTIONAL ASSET MANAGEMENT - IMMOBILIEN-SPEZIALFONDS

PERSPEKTIVEN VON REAL ESTATE DEBT FUNDS IN DEUTSCHLAND

Thomas Gütle, Foto: PrimeraAdvisors

Vor allem in den USA und in Großbritannien spielen Immobilienkreditfonds (Real Estate Debt Funds) schon länger eine wichtige Rolle, sowohl bei der (Re-)Finanzierung von Immobilien, als auch als Anlageinstrument für Investoren. In Deutschland hingegen kamen solche Produkte aufgrund regulatorischer Hürden beziehungsweise Unsicherheiten, aber auch vor dem Hintergrund der Dominanz der Banken erst später auf. Inzwischen jedoch erfreuen sich Finanzierungsfonds wachsender Beliebtheit, wie die Ausführungen im folgenden Beitrag zeigen. Red.

Zu den Auswirkungen der globalen Finanzkrise in 2008 gehörten insbesondere auch strengere Eigenkapitalvorgaben (Basel III) für Banken, die zu einem teilweisen Rückzug traditioneller Kreditgeber aus dem Immobilienfinanzierungsgeschäft geführt haben. Dies eröffnete die Chance für Nichtbanken in diesem Markt aktiv zu werden. Während 2008 nur 0,8 Prozent des europäischen Immobilienkreditvolumens auf alternative Kreditgeber entfielen, waren es 2015 rund 6,4 Prozent. Zum Vergleich: In den USA lag der Anteil vor fünf Jahren bereits bei zirka 20 Prozent. In einer aktuellen Veröffentlichung schätzt JLL, dass der Anteil der Nichtbanken in Europa inzwischen bei einem Drittel liegt.

Hauptmarkt Nordamerika

Der Hauptmarkt für Immobilienkreditfonds ist eindeutig Nordamerika: Von 2009 bis 2019 wurden weltweit 512 Fonds mit 172 Milliarden Euro Eigenkapital geschlossen, davon wurden 65 Prozent in nordamerikanischen Fonds investiert und rund 30 Prozent in europäischen. Aktuell gibt es global rund 117 offene Produkte, 76 mit der Zielregion Nordamerika, 27 mit Europa und 12 mit Asien-Pazifik. Innerhalb Europas ist Großbritannien der bei Weitem etablierteste und bedeutendste Einzelmarkt, was daran liegt, dass der britische Markt für Immobilienfinanzierungen im Vergleich zu Kontinentaleuropa schon immer weniger stark von Banken dominiert war.

Im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren scheint die Vorherrschaft des britischen Marktes jedoch abzunehmen. In der Inrev-Debt-Fonds-Studie aus dem Jahr 2012 hatten noch 80 Prozent der untersuchten Fonds Großbritannien als einzige oder zumindest als wichtigste Zielregion. Aktuelle Daten von Preqin zeigen, dass nur noch 20 Prozent aller europäischen Kreditfonds, die sich derzeit in der Fundraising-Phase befinden, reine UK-Fonds sind. Die Attraktivität paneuropäischer Fonds steigt dagegen: Zwischen 2009 und 2019 machten paneuropäische Produkte nur 35 Prozent des Marktes aus. Inzwischen aber ist der Anteil paneuropäischer Fonds auf rund 60 Prozent gestiegen.

Drei strategische Ansätze

Laut BAI (Bundesverband Alternative Investments e.V.) war die Regulierung einer der Haupttreiber für den Erfolg der Assetklasse Private Debt, zu der auch Immobilienkreditfonds gehören. Solche Fonds sind in Deutschland erst seit 2015 rechtlich zulässig. Im Mai 2015 hatte die BaFin erstmals detaillierte Vorgaben gemacht, die dann 2016 im KAGB und KWG umgesetzt wurden. Alternativ konnten Kreditfonds schon vorher in Luxemburg und Großbritannien aufgelegt werden. Allerdings waren deutsche Anleger bei solchen Produkten eher zurückhaltend. Eine deutliche Zunahme entsprechender Investments konnte erst beobachtet werden, nachdem die erwähnten rechtlichen Änderungen in Deutschland umgesetzt wurden.

Real Estate Debt Funds verfolgen typischerweise eine der folgenden Strategien:

1. Senior Loans: Darlehen mit einem LTV von 0 bis 60 Prozent, sehr defensiver Ansatz, erstrangig besichert.

2. Mezzanine/Junior Loans: Darlehen mit einem LTV von 60 bis 80 Prozent, nachrangig besichert.

3. Whole Loans: Senior- und Mezzanine-Darlehen, LTV von 0 bis 80 Prozent, defensiver Ansatz, teilweise erstrangig besichert.

Europäische Immobilienkreditfonds beschränkten sich ursprünglich darauf, entweder erstrangig besicherte Darlehen zu vergeben oder nachrangige Mezzanine-Finanzierungen zur Verfügung zu stellen. So ergab die bereits zitierte Inrev-Studie von 2012, dass 16 der insgesamt 19 untersuchten Kreditfonds entweder in die Kategorie "Senior" oder "Junior/Mezzanine" fielen. Kein einziges der damals untersuchten Produkte verfolgte eine Whole-Loan-Strategie.

Whole-Loan-Produkte im Kommen

Das hat sich inzwischen geändert: Eine Wettbewerbsanalyse, die Primera Advisors kürzlich für einen seiner Kunden durchgeführt hat, ergab, dass europaweit rund ein Viertel der seit 2018 aufgelegten Kreditfonds Whole-Loan-Produkte sind. Auch im deutschsprachigen Raum gewinnen Whole-Loan-Strukturen zunehmend an Bedeutung. So wurde etwa im April bekannt, dass eine große deutsche Versicherung ein Whole-Loan-Mandat im Umfang von 300 Millionen Euro an einen heimischen Kreditfondsmanager vergeben hat.

Bei der strategischen Ausrichtung von Kreditfonds spielen auch die Zielregionen unter Renditeaspekten eine wichtige Rolle. In Deutschland ist der Wettbewerb der Banken im Senior-Bereich besonders stark ausgeprägt und viel intensiver als im europäischen Ausland. Deswegen sind deutsche Fonds oft auf Mezzanine fokussiert, da es in diesem Segment kaum Wettbewerb seitens der Banken gibt. Generell gilt, dass Produkte, die in Senior-Darlehen investieren mit einem europäischen Ansatz - statt eines rein deutschen - höhere Renditen generieren.

Fondsmanager werden aktiver

Anfang des Jahres hat der Asien-Manager ARA den Londoner Debt-Spezialisten Venn Partners übernommen, CBRE erwarb im Vorjahr den Londoner Debt Manager Laxfield Capital, und Savills IM hatte sich 2018 an DRC Capital beteiligt. Ein Zeichen dafür, dass europaweit investierende Kreditfonds auch für deutsche Anleger an Bedeutung gewinnen, sind die Aktivitäten der beiden größten deutschen Investoren in diesem Markt: 2018 legte Allianz Real Estate einen eigenen europäischen Debt-Fonds in Luxemburg auf, der zunächst nur Tochterunternehmen der Allianz-Gruppe offenstand.

Aufgrund der zunehmenden Nachfrage öffnete die Allianz ihren Fonds schließlich auch für Drittinvestoren und gewann im Mai 2020 die Bayerische Versorgungskammer als ersten externen Investor. Neben der Allianz sind aber auch andere deutsche Debt Manager sehr aktiv. Außerdem sind nach unseren Informationen Personalberater dabei, für verschiedene Manager Debt-Teams auf- beziehungsweise auszubauen. Selbst im fernen Australien lassen sich vergleichbare Entwicklungen wie in Europa beobachten: Die vier traditionellen Banken, auf die bisher ein überragender Anteil am Immobilienkreditgeschäft entfiel, ziehen sich zurück und Unternehmen wie Blackstone, KKR, Oaktree und Lone Star, die als "front runner" bekannt sind, engagieren sich zunehmend in diesem Markt.

Covid-19: höhere Kreditmargen

Die riesigen Corona-Konjunkturprogramme werden in den wichtigsten westlichen Volkswirtschaften zu einer signifikanten Erhöhung der Staatsverschuldung führen, daher ist in den kommenden Jahren mit einem weiterhin sehr niedrigen Zinsniveau zu rechnen - mit entsprechenden Konsequenzen für die Verzinsung von Staatsund Unternehmensanleihen, die im Wettbewerb mit Kreditfonds stehen. Laut einer aktuellen Einschätzung von JLL "profitieren" Immobilienkreditfonds von Covid-19: Die Margen für Senior-Darlehen sind zuletzt um 30 bis 60 Basispunkte gestiegen. Im Mezzanine-Bereich beträgt der Anstieg 150 bis 200 Basispunkte.

Aus dem zunächst erwarteten Rückgang der Immobilientransaktionen resultiert zwar eine geringere Finanzierungsnachfrage, dieser steht jedoch ein hoher Refinanzierungsbedarf aus auslaufenden Immobiliendarlehen gegenüber. In Europa beläuft sich diese "Refinanzierungs-Pipeline" in 2020 und 2021 auf jeweils rund 140 Milliarden Euro. Investoren neu aufgelegter Fonds können von Corona-bedingten Preiskorrekturen durch einen höheren Risikopuffer profitieren, wenn die fundamentalen Daten (Cashflow, Mieterbonität et cetera) der finanzierten Immobilien weiterhin stabil sind.

Das Engagement der Banken im Bereich der Immobilienfinanzierung dürfte in Zukunft hingegen weiter abnehmen. Dieser Trend wird auch in der aktuellen Ausgabe der "Emerging Trends Europe"-Umfrage von ULI und PwC bestätigt: Rund zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass die Bedeutung alternativer Kreditquellen in 2020 zunehmen wird, während ein Drittel einen weiteren Rückzug der Banken erwartet.

Positive Aussichten

Banken werden weiterhin einen hohen Anteil an der Immobilienfinanzierung halten, doch der Anteil der Nichtbanken am Kuchen wird in Kontinentaleuropa/Deutschland deutlich größer werden. Wir werden in Deutschland in nächster Zeit sicherlich nicht amerikanische oder britische Größenordnungen sehen, denn Deutschland hat signifikant andere Strukturen. Aufgrund der Besonderheit des dominanten, dreigliedrigen Bankensystems werden die Banken insbesondere im Senior-Bereich sehr aktiv bleiben. Trotzdem gilt auch hier: Der Trend geht in Richtung Nichtbanken.

Gerade auch in der aktuellen Phase großer Unsicherheiten spricht einiges für Immobilienkreditfonds in Deutschland. Die dargestellten Vorteile für Kreditgeber und Investoren sind eine Win-win-Situation. Nach unserer Einschätzung sind die Perspektiven für Fonds mit Zielregion Deutschland besonders im Mezzanine- und Whole-Loan-Bereich aussichtsreich. Allerdings werden die Bäume nicht gleich in den Himmel wachsen, denn neben beträchtlichen Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter herrscht bei vielen Investoren noch immer eine gewisse Zurückhaltung. Immobilienkreditfonds stehen teilweise noch nicht auf der (genehmigten) Produktliste und zudem bestehen Unsicherheiten bezüglich der Zuordnung zum Immobilienoder Fixed-Income-Bereich. Auch dass sich ein Teil der Investoren mit dem Thema Debt-Fonds noch nicht beschäftigt hat, erschwert gerade in der aktuellen Krise die Einführung dieser vergleichsweise neuen Assetklasse.

Real Estate Debt Funds und die Anlageverordnung (AnlV)
Ganz typischerweise können Real Estate Debt Funds nicht der Immobilienquote nach § 2 Absatz 1 Nummer 14 Buchstabe c) AnlV zugeordnet werden.
Je nach Ausgestaltung des Real Estate Debt Funds kann eine Zuordnung zur Beteiligungsquote nach § 2 Absatz 1 Nummer 13 Buchstabe b) AnlV erfolgen, sofern die Voraussetzungen eingehalten werden und insbesondere wenn sich die Tätigkeit der betreffenden Unternehmen nicht in der reinen Kreditverwaltung erschöpft, sondern jede Darlehensvergabe durch eine Due Diligence individuell geprüft und überwacht wird. In diesem Fall erfolgt eine Anrechnung des Real Estate Debt Funds auf die Risikokapitalquote und die 15-Prozent-Grenze des § 3 Absatz 3 Satz 3 AnlV.
Sofern keine Zuordnung nach § 2 Absatz 1 Nummer 13 Buchstabe b) AnlV erfolgt, sollte je nach Ausgestaltung eine Zuordnung zu § 2 Absatz 1 Nummer 17 AnlV möglich sein (sogenannte AIF-Quote), verbunden mit einer Anrechnung auf die Alternative-Quote und die 7,5-Prozent-Grenze nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 AnlV.
Quelle: Primera Advisors
 
Vorteile von Real Estate Debt Funds für Kreditnehmer und Investoren
Kreditnehmer:
  • Schnellere Kreditzusagen (Kreditprüfung und -abwicklung in der Regel zügiger als bei Banken).
  • Stärkere Orientierung an Marktwerten und am Cashflow der Immobilie.
  • Nur ein Finanzierungspartner bei Whole-Loan-Ansätzen ("One Stop Shopping").
Investoren:
  • Stabiler Cashflow, insbesondere bei Senior- und Whole-Loan-Strategien.
  • Attraktives Risiko-Rendite-Verhältnis, vor allem im Vergleich zu Bondrenditen und Eigenkapitalinvestments in Immobilien (IRR: Senior zwei bis drei Prozent per annum, Whole Loan vier bis acht Prozent per annum, Mezzanine acht bis zwölf Prozent per annum).
  • Deutlich geringere Eigenkapitalunterlegung nach Solvency II als bei Equity Fonds.
  • Gutes Risikopolster: Bei einer Finanzierung mit 75 Prozent LTV entsteht erst ein Wertverlust für den Fonds, wenn der Wert der Immobilie um mehr als 25 Prozent sinkt. Zunächst haftet das Eigenkapital. Gerade in der aktuellen Phase mit vielen Unsicherheiten ist dieser Puffer ein wichtiges Argument für Investoren.
  • Gute Diversifikation durch Mix aus unterschiedlichen Darlehen.
  • Frühwarnsystem durch Covenants (zum Beispiel Cash Sweep, Default).

Quelle: Primera Advisors

 
DER AUTOR THOMAS GÜTLE Managing Partner, PrimeraAdvisors GmbH, München
 

DER AUTOR JAKUB ULERI Head of Research & Competitive Intelligence, PrimeraAdvisors GmbH, München

 

Thomas Gütle , Managing Partner, PrimeraAdvisors GmbH, München
Jakub Uleri , Head of Research & Competitive Intelligence, PrimeraAdvisors GmbH, München

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