Immobilienmärkte

Pflegeimmobilien: Ein Nischenmarkt mit Zukunft?

Johann Rumetsch

Der Markt für Gesundheitsimmobilien boomt und ist dennoch nach wie vor ein Nischensegment. Nichtsdestotrotz macht diese immer größer werdende Nische mittlerweile sieben Prozent des Gesamtvolumens auf dem deutschen Markt für Gewerbeimmobilien aus. Brancheninsider halten dies - wie der Autor des Beitrages einschränkt - jedoch für eine Ausnahme, da sich das hohe Investitionsvolumen vornehmlich auf eine ungewöhnlich hohe Anzahl an großvolumigen Portfoliokäufen zurückführen lässt. Das hält ihn aber dennoch nicht davon ab, eine Lanze für diese Assetklasse zu brechen. Für ein Investment in Pflegeimmobilien und Seniorenresidenzen spreche in erster Linie der demografische Wandel in Deutschland. Die Lebenserwartung steige ungebremst. Darüber hinaus lockten solche Objekte mit einem risikoadjustierten Renditevorsprung gegenüber klassischen Anlageobjekten. Die Spitzenrenditen für moderne Häuser lägen derzeit zwischen 5,75 und sechs Prozent und übersteigen damit die Spitzenrenditen für erstklassige Büro und Handelsobjekte. Red.

Der Investmentmarkt für Gesundheitsimmobilien boomt und das laufende Jahr ist bereits jetzt ein Rekordjahr. Noch nie zuvor wurden so viele Pflege- und Seniorenheime gekauft wie in diesem Jahr, noch nie wurden so hohe Preise dafür gezahlt. So erhöhte CBRE seine Prognose zum erwarteten Transaktionsvolumen in der Sparte Pflegeheime für das laufende Jahr auf mehr als drei Milliarden Euro - eine Steigerung von 150 Prozent gegenüber dem bisherigen Rekordvolumen von 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2006.

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres machten die Geschäfte mit Pflegeimmobilien mit einem Transaktionsvolumen von 2,4 Milliarden Euro sogar stolze sieben Prozent des Gesamtvolumens auf dem deutschen Markt für Gewerbeimmobilien aus. Brancheninsider halten dies jedoch für eine Ausnahme, da sich das hohe Investitionsvolumen vornehmlich auf eine ungewöhnlich hohe Anzahl an großvolumigen Portfoliokäufen zurückführen lässt. In den kommenden Jahren ist zwar weiter mit einer kontinuierlichen Zunahme der Investitionsdynamik in diesem Segment zu rechnen. Da jedoch eine deutlich niedrigere Portfolioquote zu erwarten ist, dürfte sich das Transaktionsvolumen jährlich bei etwa einer Milliarde Euro einpendeln, so die Branchenkenner.

Die größte Investorengruppe stellten Immobilieninvestmentgesellschaften dar, gefolgt von Versicherungen. Offene Immobilienfonds und Spezialfonds waren die drittgrößte Investorengruppe. Im ersten Halbjahr 2016 kam das Investitionskapital etwa zur Hälfte aus Deutschland; jedoch legten Investoren aus dem europäischen Ausland im zweiten Halbjahr deutlich mehr in deutsche Pflegeimmobilien an und trugen so deutlich zum Rekordjahr bei. Besonders aktiv zeigten sich hierbei Akteure aus Belgien und Frankreich, die über eine Milliarde Euro investierten und somit für über die Hälfte des Gesamtvolumens verantwortlich waren.

Möglicher Ausweg aus der Zinsfalle

Bei der momentanen Zinslage sind viele Investoren auf der Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten. Leider lassen sich kaum noch rentable Kapitalanlagen finden, und der Handel an der Börse ist Vielen zu unvorhersehbar. Aufgrund der starken Nachfrage bei einem zugleich limitierten Produktangebot im Bereich der klassischen Gewerbe- und Büroimmobilien wenden sich immer mehr Investoren Nischenmärkten zu. Hierzu zählt auch der konjunkturunabhängige Markt der Gesundheits- und Sozialimmobilien, der sich aufgrund zahlreicher Vorteile wachsender Beliebtheit erfreut und sich langsam als ernstzunehmende Assetklasse etabliert.

Für ein Investment in Pflegeimmobilien und Seniorenresidenzen spricht in erster Linie der demografische Wandel in Deutschland. Die Lebenserwartung der Bundesbürger steigt ungebremst. Heute sind zwar nur rund fünf Prozent der Bevölkerung älter als 80 Jahre, aber schon 2050 werden es dreimal so viele sein, so die Schätzung des statistischen Bundesamtes (siehe Abbildung 1).

Die Zahl der Pflegebedürftigen beziehungsweise derer die Pflegeleistungen der sozialen und privaten Pflegeversicherung (SGB IX) beziehen, belief sich 2013 auf rund 2,7 Millionen und soll bis 2030 auf rund 3,5 Millionen, bis 2060 sogar auf rund 4,7 Millionen steigen. Zwar werden derzeit die meisten Pflegebedürftigen noch zu Hause gepflegt, aber gut 30 Prozent leben bereits in Heimen, Tendenz steigend. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 zwischen 130000 und 350000 Pflegeplätze fehlen werden.

Neben diesen Wachstumsprognosen locken Pflegeimmobilien mit einem risikoadjustierten Renditevorsprung gegenüber klassischen Anlageobjekten. Die Spitzenrenditen für moderne Häuser liegen derzeit zwischen 5,75 und sechs Prozent und übersteigen damit die Spitzenrenditen für erstklassige Büro und Handelsobjekte, wo die Renditekompression stetig weiter voranschreitet. Eine steigende Anzahl an Anlegern schätzt auch die langen Mietlaufzeiten, die durch Langzeitpachtverträge mit den Betreibern die teils staatlich mitfinanzierten Mieteinnahmen sichern und das Mietausfallrisiko so deutlich minimieren.

Spezifische Anforderungen an den Investor

Das Investment in Pflegeimmobilien birgt jedoch auch eine Reihe von oft unerkannten Risiken, die es vor Ankaufsentscheidungen zu beachten gilt. Ein erheblicher Risikofaktor ist das Insolvenzrisiko des Betreibers der Einrichtung. Das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI attestierte in seinem Pflegeheim-Rating-Report 2015 rund sieben Prozent der Pflegeheime eine "erhöhte Insolvenzgefahr", weitere 21 Prozent stufte es als unsicher ein. An beliebten Standorten herrscht ein starker Wettbewerbsdruck und den stagnierenden Einnahmen stehen steigende Kosten gegenüber. Trotz des zukünftig allgemein zu erwartenden Nachfrageüberhangs ist davon auszugehen, dass es in einzelnen Regionen aufgrund des Fachkräftemangels sowie aufgrund von Präferenzverschiebungen seitens der Pflegebedürftigen zu sinkenden Auslastungen der Pflegeeinrichtungen kommt.

Laut amtlicher Statistik lag die Auslastungsquote in acht der 16 Bundesländer unterhalb des deutschlandweiten Durchschnittswerts von 88,6 Prozent. Nur bei einer Belegung von 95 Prozent, so Experten, lässt sich ein Heim jedoch dauerhaft rentabel betreiben. Zudem befürchten Betreiber, dass das zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II), welches ab 1. Januar 2017 die bisherigen Pflegestufen durch Pflegegrade ersetzt, die Profitabilität vieler Heime infrage stellen könnte. Schätzungen zufolge könnten so bis 2025 bis zu 1 300 Heime in die Insolvenz geraten. In solchen Fällen muss ein neuer Betreiber gefunden werden, ein oft langwieriger Prozess, bei dem die Pflegeimmobilie keine Erträge erwirtschaftet.

Neben der Betreiberbonität stellen Standortqualität und Managementkompetenz die wesentlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Investment dar. Zu beachten ist schließlich, dass es sich bei solchen Investments um langfristige Anlagen handelt, bei denen sich keine kurzen oder mittelfristigen Gewinne erzielen lassen. Gleichzeitig ist der Markt extrem reguliert und wird stetig reformiert, sodass sich bei langfristigen vertraglichen Bindungen auch nachteilige Entwicklungen nicht ausschließen lassen. So ist vielen Betreibern bewusst, dass ihre Heime den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr genügen - sie spekulieren jedoch darauf, dass die Gemeinden ihnen aufgrund des hohen Bedarfs an Pflegeplätzen Ausnahmegenehmigungen erteilen.

Im europäischen Vergleich stark fragmentiert

Im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich, dem Vereinigten Königreich oder den Benelux-Staaten ist der deutsche Pflegeimmobilienmarkt stark fragmentiert. In den ausländischen Märkten sind längst große Betreiber und Investoren am Werk, die ihre Entwicklungsstrategien flächendeckend ausbreiten und eine große Anzahl von Pflegeheimen betreiben. Sowohl beim Bau als auch beim Betrieb wird hierbei weit gehend auf standardisierte Prozesse zurück gegriffen und immer wieder mit den gleichen Partnern zusammengearbeitet.

Die erreichte Effizienzsteigerung gelingt vor allem dank harmonisierter regulatorischer Rahmenbedingungen in den Heimatmärkten. Demgegenüber stoßen Investoren und Betreiber in Deutschland auf eine komplizierte und inhomogene regulatorische Landschaft, welche den dringend benötigten Ausbau von Pflegeplätzen deutlich verlangsamt.

Fast jedes Bundesland hat ein eigenes Heimgesetz verabschiedet und verfügt über eine individuelle Heimmindestbauverordnung. Dies erschwert die Planung und Entwicklung von neuen Pflegeheimen erheblich und führt zu erhöhten Investitionskosten. So überrascht es nicht, dass der Neubau von Pflegeimmobilien als noch stark ausbaufähig gilt. Um die wachsende Nachfrage seitens der Pflegebedürftigen zu befriedigen, werden laut Brancheninsidern rund 150 Neubauten im Jahr gebraucht, aber nur rund ein Drittel davon tatsächlich gebaut.

Trotzdem schauen immer mehr ausländische Betreiber und Investoren auf den deutschen Markt und sehen die unterentwickelte Pflegelandschaft als Wachstumschance abseits der bereits eroberten Märkte. So nimmt das Interesse von Investoren aus dem europäischen und zunehmend aus dem nichteuropäischen Ausland am Markt für Gesundheitsimmobilien immer weiter zu.

Attraktiver Markt nicht nur für Deutsche

Vor allem französische Versicherungen zeigen großes Interesse und wollen innerhalb Deutschlands in diese Anlageklasse investieren. Zur Diversifizierung ihrer Immobilienportfolios sind auch Investoren aus Luxemburg und Belgien auf deutsche Sozial- und Gesundheitsimmobilien ausgewichen, zumal sich in ihren Heimatmärkten Pflegeheime und Seniorenresidenzen als eigenständige Assetklasse längst etabliert und bewährt haben. Daneben haben sich auch Akteure aus dem Vereinigten Königreich und Skandinavien auf dem deutschen Markt betätigt.

Mittelfristig ist mit einer Reifung und Konsolidierung des Pflegeimmobilienmarktes in Deutschland zu rechnen. Dieser Prozess könnte durch die großvolumigen Zukäufe aus dem In- und Ausland erheblich beschleunigt werden. So zum Beispiel in diesem Jahr mit dem viel diskutierten Kauf von 68 Pflegeheimen durch den in Paris ansässigen Vermögensverwalter Primonial Real Estate Investment Management aus dem Portfolio von Even Capital für stolze 994 Millionen Euro oder mit dem Kauf des Pegasus-Pakets von Berlinovo durch die Deutsche Wohnen für 420 Millionen Euro.

Auch wenn solche großvolumigen Transaktionen vorerst die Ausnahme bleiben werden, zeigt sich, dass sich die Branche im Umbruch befindet und zwangsläufig eine Professionalisierung sowohl aufseiten der Betreiber als auch aufseiten der Immobilieninvestoren stattfinden wird.

Zu den potenziellen Käufern gehören vermehrt auch Betreibergesellschaften, die nicht mehr nur betreiben wollen, sondern auch die Häuser in ihren Bestand übernehmen möchten. Hier ist zum Beispiel der französische Betreiber Orpea zu nennen, der bereits vier Betreibergesellschaften in Deutschland übernommen hat und in Deutschland mittlerweile über 150 Pflegeheime verwaltet. Trotz der rekordträchtigen Transaktionsumsätze bleiben Gesundheitsimmobilien ein Nischenprodukt. Dies wird sich in absehbarer Zeit auch aufgrund der Komplexität und regulatorischen Intransparenz des Marktes nicht ändern.

Mittelfristig ist wie in unseren Nachbarländern mit einer weiteren Marktkonsolidierung sowohl bei Betreibern wie Investoren zu rechnen, was auch zur Wertstabilität guter Pflegeimmobilien beitragen wird. Hierfür ist jedoch neben einem investitionsfreundlicheren regulatorischen Rahmen auch ein gewisses Umdenken in der Politik wünschenswert.

Der Beitrag entstand unter der Mitarbeit von Raffaele Mazza, Associate, Herbert Smith Freehills Germany LLP.

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