PROJEKTENTWICKLUNG

PFLEGEIMMOBILIEN: SYSTEMANSATZ ZUR SCHLIESSUNG DER ANGEBOTSLÜCKE

Gerald Klinck, Foto: Heribert Schindler

Der jüngste Vorstoß eines Beratergremiums der Bundesregierung für eine Rente mit 68 Jahren hat hohe Wellen geschlagen. Zugleich hat er einmal mehr vor Augen geführt, dass der demografische Wandel Deutschland bereits heute vor enorme Herausforderungen stellt. Dazu zählt nicht zuletzt die angemessene Versorgung mit Pflegeplätzen, deren Bedarf längst einem rasanten Anstieg untererworfen ist. Doch die Ausweitung gestaltet sich schleppend. Der Autor des folgenden Beitrags plädiert deshalb für einen möglichst standardisierten Bauprozess, der gleichzeitig aber noch genügend Flexibilität zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse aller Beteiligten bietet. Wie das in der Praxis konkret funktiontiert, ist Gegenstand des folgenden Beitrags. Red.

Der Pflegeimmobilienmarkt galt lange als Nische. Etwas höhere Risiken im Tausch gegen etwas höhere Renditen, wenn alles glattläuft. Das war die Regel für die spezialisierten Single-Tenant-Objekte. Doch der demografische Wandel entfaltet seine Wirkung: In vielen Regionen gibt es erstens kaum noch freie Pflegeplätze, Betroffene warten meist monatelang, bis sie in einer Einrichtung aufgenommen werden.

Dringender Handlungsbedarf

Zweitens ist das Angebot selbst in Regionen mit formell niedriger Auslastung oft unzureichend, weil viele Bestandsgebäude nicht mehr zeitgemäß sind und zu einem signifikanten Teil Doppelzimmerbelegungen vorsehen. Für Zweibettzimmer sinkt die Nachfrage aus nachvollziehbaren Gründen und einige Bundesländer untersagen eine Doppelbelegung bereits ganz - es besteht also dringender Handlungsbedarf.

Doch weil in den kommenden Jahrzehnten die Zahl der Menschen in hohem Alter deutlich zunehmen wird, wächst die Angebots- und Qualitätslücke. 7,3 Millionen Menschen mit mehr als 80 Jahren werden 2040 in Deutschland leben, nur 6,1 Millionen waren es 2020. Die Folge dieses Wandels laut Hochrechnungen: Hunderte Pflegeheime müssten jährlich entstehen, um veraltete Standorte zu ersetzen und zusätzlich neue Pflegeplätze zu schaffen.

Aufgrund dieses Wachstumspotenzials hat sich der Markt im vergangenen Jahrzehnt bereits deutlich professionalisiert, mehr internationale Investoren haben deutsche Gesundheitsimmobilien für sich entdeckt und Kapital in den Markt gebracht, die Preise sind gestiegen. Eine Branchenkurzumfrage im Frühjahr 2021 zeigte: Die Erwartungen an die Zukunft der Assetklasse sind groß, 82 Prozent erwarten eine steigende Nachfrage.

Abbildung 1: Erwartete Entwicklung des Bedarfs an Pflegeimmobilien (in Prozent) Quelle: Cureus GmbH, Kurzumfrage in der Immobilienbranche (Februar/März 2021)

Die Ausgangslage: Produktmangel und Betreiberrisiken

Doch das eigentliche Problem bleibt. In der Realität entstehen zu wenig neue Pflegeheime. Als größtes Hindernis nannten 70 Prozent der Teilnehmer in der Umfrage das Betreiberrisiko - also die potenzielle Zahlungsunfähigkeit eines Mieters, verbunden mit einem möglichen Gesamtausfall der Miete. Gerade in den attraktiven Ballungsräumen treibt zudem die hohe Wohnraumnachfrage die Bodenpreise in die Höhe und verschärft die Konkurrenz um die wenigen freien Grundstücke. Und der Mangel an Pflegekräften tut sein Übriges, sodass Betreiber zwar lange Wartelisten mit Pflegebedürftigen haben, aber gleichzeitig dringend nach Fachpersonal suchen müssen.

Abbildung 2: Risikoquellen bei Investitionen in Pflegeimmobilien (in Prozent) Quelle: Cureus GmbH, Kurzumfrage in der Immobilienbranche (Februar/März 2021)

Die Systempflegeimmobilie adressiert diese Probleme, ohne qualitative Abstriche zu machen. Der Name bezieht sich nicht etwa auf eine modulare und uniforme Bauweise, sondern auf die umfassende Standardisierung der Gebäudestrukturen und der immobilienwirtschaftlichen Prozesse im Hintergrund. Der Ansatz bietet eine standardisierte Abwicklung von Grundstückskauf, Betreibergewinnung, Baurechtschaffung, Bauabwicklung, Abnahme und Übergabe.

So entstehen Gebäude, die dank jahrelanger praktischer Betreibererfahrung genau für die zeitgemäße Pflege optimiert sind. Weil jeder Verfahrensschritt durchleuchtet und optimiert wurde, ist zudem ein Zeitgewinn von bis zu einem Jahr in der Projektrealisierung möglich - ein Quantensprung für die Schaffung neuer Pflegekapazitäten.

Den richtigen Standort finden

Die Standardisierung beginnt bereits bei der Grundstückssuche. Ein spezialisiertes internes Scouting-Team nutzt dazu einen festen Kriterienkatalog. Mit einer quantitativen und qualitativen Marktanalyse lassen sich wirtschaftliche und soziale Kennzahlen frühzeitig klären: Welches Einzugsgebiet hat ein Standort, welchen Bedarf, welches Angebot gibt es in der Region, sind Fachkräfte verfügbar? Wie entwickelt sich die Bevölkerung? Wie steht es um die Kaufkraft und andere ökonomische Eckdaten für Betreiber?

Diese Marktanalyse klärt zwei wesentliche Fragen: Welche Voraussetzungen bestehen an einem konkreten Mikrostandort und wie sollte man darauf reagieren? Geeignete Standorte werden mitunter bereits vorvertraglich mit Betreibern fixiert und passende Konzepte eruiert, was die Sicherheit des Prozesses entscheidend verbessert. Schließlich ist es auch für die benötigte Fläche und die Bauplanung entscheidend, ob etwa eine Tagespflege integriert wird oder das Projekt Teil einer Quartiersentwicklung ist. Welche Bedeutung die Standortfrage insgesamt hat, zeigte auch die bereits zitierte Kurzumfrage: Immerhin knapp 71 Prozent nannten den Mikrostandort neben der Betreiberkompetenz als wichtigstes Kriterium für den Investmenterfolg.

Abbildung 3: Langfristige Erfolgsfaktoren bei Pflegeimmobilien (in Prozent) Quelle: Cureus GmbH, Kurzumfrage in der Immobilienbranche (Februar/März 2021)

Die Ankaufsprüfung erfolgt auf Grundlage vordefinierter Kriterien und Abläufe. Ist die Entscheidung getroffen, bringt die Systempflegeimmobilie mithilfe standardisierter Kaufverträge und fester Partner für die notarielle Abwicklung weitere Zeitersparnis. So ergeben sich bereits vor der eigentlichen Bauplanungsphase Vorteile gegenüber einer konventionellen Projektentwicklung. Erstens lassen sich durch die Systematisierung Fehlerquellen frühzeitig ausschließen und der gesamte Prozess wird verlässlich optimiert, wodurch zweitens eine deutlich zügigere Organisation und Abwicklung möglich ist.

Ein standardisierter Bautyp

Standardisierte Grundrisse und Gebäudefunktionen sowie technische Vorgaben sind selbstverständlich, um die späteren Abläufe und Kosten zu optimieren. Auf den einzelnen Betreiber zugeschnittene Standardbaubeschreibungen entlang des Systems werden in der Regel für ein Paket von mindestens zehn zu errichtenden Standorten vordefiniert. Dies erleichtert zusätzlich den Genehmigungsprozess und kann für eine Beschleunigung sorgen.

Darüber hinaus dient der Systemansatz nicht zuletzt der überdurchschnittlichen baulichen Qualität: Einerseits konnten Raumaufteilung und -anordnung mithilfe der langjährigen Erfahrung, gewissermaßen mit dem Blick durch die Betreiberbrille, optimiert werden. So bietet die Systempflegeimmobilie etwa möglichst kurze Laufwege, generell Frischküchen und Restaurantbereiche mit variabler Funktionalität. Nebenflächen sind auf ein Minimum reduziert.

Die Bewirtschaftung zu erleichtern und ein gutes Arbeitsumfeld für das Pflegepersonal zu fördern gehört ebenfalls zu den Aspekten des Konzepts. Gerade in einem Berufsfeld mit so hoher körperlicher Aktivität sind etwa die Raumklimatisierung und -beleuchtung oder die Laufwege ein wichtiges Kriterium für einen effizienten Betrieb - und für die Gewinnung von Mitarbeitern. Dazu zählt auch die Länge der Stichflure, bei der selbstverständlich auch spezifische Situationen, wie die personelle Besetzung in Nächten, berücksichtigt werden. Ein Stockwerk ist folglich so angelegt, dass es die gesetzlichen Vorgaben im Detail reflektiert und eine optimale Besetzung mit Fachkräften erlaubt.

Die Standardisierung sichert gleichzeitig auch die Qualität im architektonischen Sinne. Während sich die äußere Gebäudegestalt individuell der Umgebung anpasst, sowohl bei Geschossigkeit und Kubatur als auch hinsichtlich der Fassadengestaltung, setzt das Konzept im Inneren Standards. Dazu zählen die prinzipielle Aufteilung in Einzelzimmer und Wohngruppen sowie die generelle Verwendung bodentiefer Fenster - entscheidende Faktoren für Nutzerkomfort und somit die Vermietbarkeit der Pflegezimmer.

Zentraler Einkauf trägt zur Optimierung bei

Wenn die Gespräche mit Betreiber und Genehmigungsbehörden über den Umfang und die Gestaltung des Standortes abgeschlossen sind und dank der optimieren Prozesse zügig Baurecht geschaffen wurde, kann die Systempflegeimmobilie ihre ökonomischen und bauorganisatorischen Stärken ausspielen. Die Standardisierung verhindert eine Trial-and-Error-Planung: Die Immobilie ist von vornherein genauestes auf die Praxis ausgerichtet, was die Zahl potenzieller Korrekturen auf ein Minimum reduziert.

Die standardisierten Leitdetails, die feste Grundlage der Bauausschreibung sind, umfassen selbstverständlich wichtige Gebäudeeigenschaften wie die Anordnung der Fenster oder die Grundrissaufteilung. Auch weitere Kernaspekte des Immobilienkonzepts, wie die wirtschaftliche Optimierung der Nebenflächen etwa für die Gebäudetechnik, sind bereits vorgegeben. Dies sichert im Laufe der Planung einen zuverlässigen und somit zeit- und kosteneffizienten Ablauf, während es dem Mieter im Betrieb nennenswerte ökonomische und praktische Vorteile gegenüber einem Standort garantiert, der nicht als Systempflegeimmobilie errichtet wurde.

Zum optimierten Preis-Leistungs-Verhältnis des Standards trägt zudem auch der zentrale Einkauf bei. Sowohl bei der Beschaffung von Baumaterialien als auch bei der Immobilienbewirtschaftung sind positive Skaleneffekte essenzieller Teil des Gesamtsystems. So verfügen die Gebäude etwa über eine hochwertige Sanitärausstattung, die nur durch den gesammelten Einkauf finanziell darstellbar ist. Im Betrieb punkten die Objekte zudem mit niedrigen Kosten, da Wartungsverträge für den gesamten Bestand und langfristig zu günstigen Konditionen gelten.

Darin liegt ein wichtiger gesellschaftlicher Aspekt der Systempflegeimmobilie: Die skizzierten zeitlichen und finanziellen Einsparungen können in letzter Konsequenz den Bewohnern der Pflegeeinrichtungen zugutekommen. Das Konzept verbessert also die Voraussetzungen für die Pflegenden und bietet den Gepflegten eine überdurchschnittliche Qualität - und das zu Preisen, die dank standardisierten Prozessen und guten Skaleneffekten für breite Bevölkerungsgruppen erschwinglich sind.

Bündelung von Baukompetenzen und systematische Übergabe

Jeder Immobilienexperte weiß: Beim Bauen selbst ist höchstens eine moderate Zeitersparnis möglich. Die Bedeutung solcher Aspekte, sowohl finanziell als auch planerisch, zeigt wiederum die Branchenumfrage: Grundstücks- und Baukosten gehören für 72 Prozent, mangelnde Baukapazitäten für immerhin 36 Prozent der Teilnehmer zu den wichtigsten Gründen, weshalb in Deutschland nicht mehr Pflegeheime entstehen. Der Systempflegeimmobilie gelingt es, auch an diesem Punkt etwa vier bis sechs Monate zu gewinnen. Eine der wesentlichen Stellschrauben: die Bündelung der Baukompetenzen im und um das Unternehmen. Durch ein internes Generalunternehmerteam und ein eingespieltes Nachunternehmernetzwerk ist der Informationsaustausch garantiert, was passgenaue Abläufe ermöglicht - der Übergabetermin etwa steht in der Regel bereits sechs Monate vor Fertigstellung fest.

Abbildung 4: Hindernisse beim Neubau von Pflegeimmobilien (in Prozent) Quelle: Cureus GmbH, Kurzumfrage in der Immobilienbranche (Februar/März 2021)

Zuverlässigkeit und Planungssicherheit resultieren auch aus dem Verzicht auf externe Projektsteuerer. Dieses Prinzip schafft schnelle unternehmensinterne Entscheidungswege und verbessert die Verzahnung zwischen Grundstücksankauf, Planung und Bauausführung. Oft wird mit einem Betreiber zudem der Bau von zehn oder mehr Standorten vereinbart, sodass sich auch partnerseitig viele Prozesse bündeln und die verantwortlichen Teams klein und agil halten lassen. Dies spart Zeit und Geld, mündet durch die fokussierte Spezialisierung aber dennoch in einer nachhaltig hohen Qualität - ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil gegenüber einer klassischen Projektumsetzung.

Den direkten und kontinuierlichen Austausch zwischen den Beteiligten hält das Prinzip der Systempflegeimmobilie indes bis über die Baufertigstellung hinaus aufrecht. Nachdem die Bauabnahme erfolgt ist - selbstverständlich auf Grundlage eines standardisierten Prozesses - erfolgt auch die Abarbeitung der Meilensteine zur Übergabe an den Betreiber nach einem vorgegebenen Plan. Feste Zwischenschritte, wie die umfassende technische Dokumentation und eine systematisierte Brandschutzbegehung, schließen Versäumnisse aus und sichern die Beteiligten wirtschaftlich und rechtlich ab.

Zeitgewinn und Qualität

Mit einem um bis zu zwölf Monate schnelleren Projektverlauf, einer hohen Kosteneffizienz für die Betreiber schon im Planungsprozess sowie einem qualitativ hochwertigen und effizienten Gebäudetyp kann die Systempflegeimmobilie somit einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Pflegeplatzversorgung leisten.

Angesichts des hohen bundesweiten Bedarfs ist der Standard ein wichtiger Schritt, um an zahlreichen Standorten schnell die benötigten Kapazitäten aufzubauen. Dabei richtet sich das System nicht an eine besondere Klientel, sondern beantwortet die drängendsten Fragen in der Praxis - für Pflegeimmobilien, die für Kommunen, Betreiber, Mitarbeiter und nicht zuletzt die Bewohner einen hohen Mehrwert bieten.

DER AUTOR GERALD KLINCK Geschäftsführer, Cureus GmbH, Hamburg
Gerald Klinck , Geschäftsführer, Cureus GmbH, Hamburg

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