BEZAHLBARER WOHNRAUM IN DEUTSCHLAND

PRO UND KONTRA: IST DIE BERECHNUNG NACH FLÄCHEN DIE BESTE REFORMOPTION?

Dr. Florian Neumeier, Foto: ifo Institut

Es kommt meist anders, als man denkt: Kurz nachdem die I&F-Redaktion Vertreter des ifo-Instituts und des IW Köln um eine Gegenüberstellung der von ihnen jeweils favorisierten Reformmodelle der Grundsteuer bat, nahm die Thematik durch den Vorstoß aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) eine entscheidende Wendung. Zur Diskussion stehen nun zwei Modelle - ein wertabhängiges und ein wertunabhängiges. Dass sich am Ende möglicherweise die von Finanzminister Olaf Scholz präferierte Variante einer wertabhängigen Grundsteuerberechnung durchsetzt, wird von beiden Experten unisono äußerst kritisch gesehen: Es drohten erhöhter Bürokratieaufwand und soziale Ungerechtigkeit. Neben einer Bewertung der aktuellen BMF-Vorschläge kontrastieren sie deshalb im folgenden "Schlagabtausch" auch noch einmal die Argumente für die Alternativen der Flächensteuer (ifo-Institut) und der Bodenwertsteuer (IW Köln). Red.

Pro

Für eine einfache und transparente Grundsteuer

Grundsätzlich stehen dem Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Grundsteuer zwei Möglichkeiten offen. Er kann entweder eine wertbasierte Bemessungsgrundlage wählen oder eine flächenbasierte. Das Bundesfinanzministerium hat sich nun für den ersten Weg entschieden. Der aktuelle Reformvorschlag sieht vor, die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer und damit die Grundsteuerlast im Wesentlichen von der Höhe der Nettokaltmiete abhängig zu machen. Bei selbst genutzten Immobilien soll eine "fiktive" Nettokaltmiete bestimmt werden, die auf Basis von örtlichen Mietpreisdaten ermitteln werden soll.

Erhebungskosten möglichst gering halten

Für Kommunen stellt die Grundsteuer eine wichtige Einnahmequelle dar. Im Vergleich zu anderen Steuerarten, insbesondere der Einkommens- und Umsatzsteuer, ist ihr Aufkommen mit derzeit rund 14 Milliarden Euro jedoch gering. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Erhebungskosten der Grundsteuer möglichst gering zu halten. Die Erhebungskosten sind jene Kosten, die aufseiten der Finanzverwaltung anfallen, um die Grundsteuerschuld für sämtliche Immobilien zu bestimmen. Für vermietete Immobilien ist die vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagene Grundsteuer relativ einfach festzusetzen. Vermieter müssen dafür im Prinzip lediglich die Höhe der Nettokaltmiete an die Finanzbehörden übermitteln. Äußerst schwierig ist dagegen die Bestimmung einer fiktiven Nettokaltmiete für selbst genutzte Immobilien.

Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass eine wertbasierte Grundsteuer nur dann verfassungskonform sein kann, wenn die Bemessungsgrundlage hinreichend nah am aktuellen Marktwert einer Immobilie ist. Dies bedeutet, dass es nicht einfach möglich ist, den aktuellen Mietspiegel einer Stadt heranzuziehen und diesen zur Grundlage der Berechnung der Grundsteuerlast zu machen. Denn der Mietspiegel zeigt die Nettokaltmiete pro Quadratmeter für ein durchschnittliches Mietobjekt an. Den lokalen Mietspiegel zur Grundlage für die Berechnung der Grundsteuerlast heranzuziehen, würde damit bedeuten, sämtliche Immobilien als gleichwertig zu betrachten.

Mehr Bürokratie und Verteuerung in Ballungsräumen

Um eine marktnahe fiktive Nettokaltmiete bestimmen zu können, müssten stattdessen Mietpreisindizes getrennt für verschiedene Immobilientypen ermittelt und anschließend auf die zu bewertenden Immobilien übertragen werden. Dazu müssten von sämtlichen Immobilieneigentümern Auskünfte über wertbestimmende Eigenschaften der Immobilie eingeholt werden, wie etwa Größe, Baujahr, Renovierungsstand und Ausstattungsmerkmale. Dieses Verfahren ist offensichtlich mit einem großen Aufwand nicht nur für die Finanzbehörden, sondern auch für die Immobilieneigentümer verbunden. Noch dazu müssen die so ermittelten Werte einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden. Aus diesem Grund warnt der Bund der Steuerzahler völlig zu Recht vor einem riesigen bürokratischen Mehraufwand, sollte der Reformvorschlag tatsächlich umgesetzt werden.

Es gibt noch weitere Gründe, die gegen den aktuellen Reformvorschlag sprechen. Wird die Höhe der Grundsteuerlast an die Höhe der Nettokaltmiete gekoppelt, bedeutet dies, dass Wohnen in hochpreisigen Lagen noch teurer wird. Insbesondere in den Ballungsräumen dürfte das Wohnkostengefälle zwischen Zentrum und Peripherie damit anwachsen. Schließlich ist zu beachten, dass es bei einer Grundsteuer, deren Bemessungsgrundlage im Wesentlichen von der Höhe der Nettokaltmiete bestimmt wird, automatisch zu einer Erhöhung der Grundsteuerlast kommt, sollte das Mietpreisniveau steigen. Die Grundsteuerbelastung dürfte im Zeitablauf also stetig zunehmen. Dieser Anstieg ließe sich zwar theoretisch durch eine Reduktion der Hebesätze kompensieren; aber es ist fraglich, ob die Kommunen tatsächlich bereit sind, auf diese zusätzlichen Einnahmen zu verzichten.

Die beiden letztgenannten Einwände lassen sich im Übrigen auch gegen eine reine Bodenwertsteuer erheben. Bei der Bodenwertsteuer wird auf eine Besteuerung der aufstehenden Gebäude verzichtet, lediglich der Bodenrichtwert des Grundstücks ist für die Bemessung der Höhe der Grundsteuerschuld relevant. Bodenrichtwerte werden im Wesentlichen aus den Verkaufspreisen für Bauland abgeleitet. Dort, wo die Kaufpreise hoch sind beziehungsweise zunehmen, muss auch mehr Grundsteuer gezahlt werden. Als wesentlicher Vorteil einer Bodenwertsteuer wird angeführt, dass sie insbesondere in Ballungsräumen Anreize zur effizienten Nutzung der vorhandenen Wohnflächen - sprich, zur baulichen Nachverdichtung - setze und damit einen Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot leisten könne. Denn die Grundsteuerlast pro Wohneinheit fällt umso geringer aus, je mehr Wohneinheiten sich auf einem gegebenen Grundstück befinden.

Bodenwertsteuer: kein Anreiz für dichtere Bebauung

Dieses Argument ist allerdings irreführend. In den Ballungsräumen wohnen deutlich mehr als zwei Drittel aller Haushalte zur Miete. Da die Grundsteuer zu den umlagefähigen Nebenkosten zählt, wird sie letztlich vom Mieter getragen und nicht vom Vermieter. Den Immobiliengroßbesitzern und Wohnungsbaugesellschaften ist es daher herzlich egal, wie hoch die Grundsteuerlast ausfällt, sie zahlen sie ja schließlich nicht. Für diese wird durch die Bodenwertsteuer daher kein Anreiz zu einer dichteren Bebauung oder gar Nachverdichtung geschaffen. Stattdessen kommt es zu einer ungleich höheren Belastung für jene, die sich ihren Traum vom Haus am Rande der Stadt erfüllt haben. Denn: Einen finanziellen Anreiz zur baulichen (Nach-)Verdichtung zu schaffen bedeutet gleichzeitig, Hauseigentümer steuerlich zusätzlich zu belasten.

Bei einer flächenbasierten Grundsteuer treten all diese Probleme nicht auf. Knüpft die Grundsteuer an eine Fläche an, so ließe sich nicht nur der Verwaltungsaufwand erheblich reduzieren, sondern auch eine allzu ungleiche Verteilung der Steuerlast vermeiden. Geeignet wäre eine Kombination aus Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche. Die für die Berechnung der Grundsteuerlast benötigten Informationen müssten hierfür lediglich einmal erhoben werden, Anpassungen wären nur bei baulichen Veränderungen notwendig. Eine regelmäßige Neubewertung der Immobilie entfällt damit. Darüber hinaus wäre eine mechanische Erhöhung der Grundsteuerlast bei einer Flächenbasierung ausgeschlossen. Die Politik müsste aktiv werden, um die Grundsteuer zu erhöhen. Dies aber setzt eine politische Mehrheit voraus. Die Berechnung der Grundsteuerlast wäre zudem transparenter.

DER AUTOR

DR. FLORIAN NEUMEIER Senior Economist, ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V., München

Kontra

Das beste Modell wird nicht bedacht

Finanzminister Olaf Scholz hat Ende November 2018 nun endlich seine Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur Grundsteuerreform vorgestellt. Ziel ist eine verfassungskonforme und sozial gerechte Reform, mit der das Grundsteueraufkommen von aktuell rund 14 Milliarden Euro konstant bleibt. Die Überlegungen enthalten zwei mögliche Reformmodelle, die in die anstehende Diskussion mit den Ländern eingebracht werden sollen.

Beide Modelle haben jedoch erhebliche Nachteile und beinhalten eine Vielzahl von Problemen. Besonders kritisch: Das beste Modell wird aus Angst vor zu großen Veränderungen nicht in die Diskussion gebracht. Hiermit verpasst der Finanzminister die historisch einmalige Chance auf eine investitionsfreundliche, sozial ausgewogene und praktikable Grundsteuer. Schließlich hat das Verfassungsgericht im April 2018 einen strikten Fahrplan vorgegeben: Bis Ende 2019 muss ein neues Gesetz verabschiedet sein und bis Ende 2024 muss das neue Gesetz umgesetzt sein.

Die Arbeitspapiere des Finanzministeriums enthalten ein wertunabhängiges und ein wertabhängiges Modell. Das wertunabhängige Modell entspricht der sogenannten Flächensteuer oder dem ehemaligen Südmodell, das beispielsweise Bayern seit Jahren fordert. Die Idee: Alle Immobilien werden alleine nach Grundstücks- und Gebäudefläche besteuert, unabhängig davon, ob sie in München am Marienplatz oder am Münchner Ortsrand stehen. Scholz bringt das Modell in die Diskussion mit ein - macht jedoch in seinen Ausführungen deutlich, dass der Vorschlag weder sozial gerecht noch verfassungskonform ist. Das Modell ist schlicht zu einfach, sodass Ungleiches gleich hoch besteuert wird. In den vergangenen Monaten wurden hierzu von Verbänden und auch Forschungsinstituten unrealistische Modellrechnungen präsentiert.

Unrealistische Rechnungen

Die Rechnungen behaupteten, dass eine Flächensteuer zu keinen spürbaren Mehrbelastungen für Eigentümer und Mieter führt. Hierbei wurde aber davon ausgegangen, dass die Hebesteuersätze der Kommunen konstant bleiben. Dies ist jedoch nicht realistisch, da die Kommunen - je nach Modell - ihre Hebesätze nach der Reform sehr wohl anpassen werden, damit ihr Aufkommen ungefähr konstant bleibt und gleichzeitig zu hohe Mehrbelastungen ihrer Bürger vermieden werden. Bei seriösen Berechnungen wird deutlich, dass eine Flächensteuer klare Verlierer als auch Gewinner hervorbringt. Dies gilt im Übrigen für alle Reformmodelle, als logische Konsequenz der jahrzehntelang verschleppten Reform.

Dagegen ist der neue Vorschlag aus dem Finanzministerium für eine wertabhängige Grundsteuerreform gar keine richtige Reform. Er ist vielmehr eine Aktualisierung der bisherigen Systematik. Weiterhin würde die Gebäudebewertung in der Regel mit dem sogenannten Ertragswertverfahren erfolgen. Der Wert des Gebäudes bemisst sich dann an Miete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert, wobei die Miete die zentrale Größe ist. Da dieses Modell die Grundsteuer an die Mieten koppelt, birgt dieser Vorschlag eine enorme sozialpolitische Sprengkraft. Nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums soll die tatsächliche Miete herangezogen werden, nicht mehr wie bisher das Mietniveau in einer Gemeinde.

Ein unsoziales Modell

Das Problem dabei: In Ballungszentren sind die Mieten in guten Lagen stark gestiegen, diese Wohnungen wären am stärksten von der Reform betroffen. Das lässt sich auch nicht durch eine Absenkung der Steuermesszahl um den Faktor 10 komplett neutralisieren. Das Modell ist auch deshalb unsozial, weil es bei einer Mieterhöhung Mieter doppelt belastet: durch die Miete selbst, aber auch durch höhere Nebenkosten. Dieses Problem ließe sich lösen, indem die Betriebskostenverordnung geändert würde. So könnte verhindert werden, dass Vermieter die Grundsteuer über höhere Nebenkosten auf ihre Mieter umlegen. Nur hierdurch dürfte sich dieses Reformmodell in Zeiten steigender Mieten in den Ballungszenten auch politisch umsetzen lassen.

Das Finanzministerium lässt diesen wichtigen Punkt bislang offen. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass zwar juristisch die Umlagefähigkeit geändert werden kann, dies jedoch nicht dazu führen muss, dass die Mieter die Grundsteuer nicht tragen. Hierüber entscheidet die Preiselastizität von Angebot und Nachfrage. In einem angespannten Wohnungsmarkt bei nicht wirkender Mietregulierung (Mietpreisbremse) können die Vermieter die Grundsteuer implizit auf die Miete aufschlagen.

Zu Verwerfungen führt der Vorschlag für eine wertabhängige Grundsteuerreform auch, da für Selbstnutzer eine "fiktive Miete" ermittelt werden soll. Dies hätte zur Folge, dass Wohnungen in einem Gebäude bei gleicher Größe alleine deswegen anders besteuert werden, weil sie selbst genutzt oder vermietet werden. Insgesamt ist das Modell auch zu aufwendig. So müssten viele Daten von den Finanzämtern erhoben und dann alle sieben Jahre aktualisiert werden. Zudem müssten Grundstückseigentümer zukünftig eine Steuererklärung vorlegen. Die zusätzlichen Verwaltungskosten würden also einen erheblichen Teil der Grundsteuereinnahmen schlucken. Finanzminister Scholz hat nun also ein weiteres Modell für eine wertabhängige Grundsteuer vorgelegt, das nicht überzeugt. Der größte Fehler der Strategie des Finanzministeriums besteht jedoch darin, dass es das beste Modell gar nicht in die Diskussion einbringt. Den Verantwortlichen fehlt offensichtlich der Mut für eine Reform, die Antworten auf aktuelle Probleme in den Immobilienmärkten liefert.

Für die beste Variante fehlt der politische Mut

Das beste Modell für eine Grundsteuer ist eine sogenannte Bodenwertsteuer. Hier wird alleine Grund und Boden und nicht die sich darauf befindenden Gebäude besteuert. Dieser Vorschlag hat zuletzt enorm an Zustimmung gewonnen. Der Verwaltungsaufwand wäre überschaubar: Mithilfe von Bodenrichtwerten lässt sich der Bodenwert schon heute bestimmen. Die unverhältnismäßig aufwendige und zeitraubende Gebäudebewertung würde wegfallen, es gäbe also weniger Bürokratie, nicht mehr. Vor allem würden Eigentümer nicht mehr bestraft, die in ein Grundstück investiert haben, so wie bei der Gebäudebewertung der Fall: Werden Gebäude mitbesteuert, führen Investitionen, insbesondere Neubau, aber auch Ausbau und Renovierung, zu einer höheren Besteuerung.

Zudem werden Bodenspekulationen belohnt - und das wiederum führt zu einer Verknappung des Angebots, aber auch zu steigenden Bodenpreisen und Wohnungsmieten. Anders die Bodenwertsteuer: Sie verhält sich neutral gegenüber Investitionen, verteuert Spekulation und schafft Anreize für eine dichtere Bebauung. Sie ist auch sozial gerecht: Große Gebäude mit vielen Wohnungen, in denen vorrangig Mieter wohnen, würden in der Tendenz entlastet werden.

DER AUTOR

DR. RALPH HENGER Senior Economist im Kompetenzfeld Finanz- und Immobilienmärkte, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Köln

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