INSTITUTIONAL ASSET MANAGEMENT - IMMOBILIEN-SPEZIALFONDS

BEI PROJEKTENTWICKLUNGEN ÜBER DEN TELLERRAND SCHAUEN

Thomas Meyer, Foto: Wertgrund Immobilien AG

Der Wettbewerb um Bestandsimmobilien hat auf institutioneller Ebene in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Im Gegenzug sinken für viele Anleger die Chancen, bei entsprechenden Bieterverfahren angemessen zum Zuge zu kommen - ganz zu schweigen von der Diskrepanz zwischen gefordertem Kaufpreis und Renditevorstellung. Projektentwicklungen bieten nach Überzeugung des Autors einen Ausweg aus diesem Dilemma. Im vorliegenden Beitrag beleuchtet er die damit einhergehenden Vorteile sowie mögliche Ansätze im Rahmen der Strukturierung von Immobilien-Spezialfonds. Red.

Wer als Investor auf der Suche nach einer auskömmlichen Rendite im deutschen Immobiliensektor ist, kommt um Projektentwicklungen nicht mehr herum. Anleger, die bislang ihren Erwerbsfokus allein auf Bestandsimmobilien in guten bis sehr guten Großstadtlagen ausgerichtet hatten, kommen mit einer reinen Vermietungsstrategie hinsichtlich der Renditeerwartung in Bedrängnis. Denn fast ein Jahrzehnt kontinuierlicher, über der Mietentwicklung liegender Preissteigerungen an den Immobilienmärkten hat es zunehmend schwierig gemacht, Bestandsobjekte zu finden, mit denen sich noch annehmbare Cashflow-Renditen realisieren lassen.

Rückläufiges Entwicklungsvolumen

Die künftige Neuregelung der Grundsteuer und politische Regulierungen wie der beschlossene Berliner Mietendeckel für Bestandswohnimmobilien, der in den deutschen Metropolen Schule machen könnte, trüben die Renditeaussichten zusätzlich ein. Dagegen versprechen Investitionen in Projektentwicklungen im derzeitigen Niedrigzinsumfeld immer noch eine auskömmliche Rendite. Kein Wunder also, dass sie zunehmend in den Fokus institutioneller Investoren rücken. Verglichen mit Bestandsimmobilien sind allerdings eine deutlich höhere Bau- und Immobilienkompetenz vonseiten des Investors nötig.

Projektentwicklung und Bestandshaltung müssen freilich kein Widerspruch darstellen: Der alten Kaufmannsweisheit "Im Einkauf liegt der Gewinn" kommt mehr denn je höchste Bedeutung zu. Sollen auch morgen noch attraktive Renditen mit Immobilien erzielbar sein, so sind alternative Investmentstrategien gefordert, die bei langfristiger Bestandshaltung auch die Entwicklungsphase mit dem höchsten Wertschöpfungspotenzial integrieren. Den Risiken, mit denen der Development-Sektor durchaus verbunden ist, sind Investoren dadurch nicht schutzlos ausgeliefert - vor allem dann nicht, wenn die Immobilienprojekte in eine Fondsstruktur integriert werden, bei der die Konzeption und der Baufortschritt von Experten überwacht werden.

Es ist jedoch zu beobachten, dass sich der Markt für Immobilienprojektentwicklungen in den deutschen Topstädten schon vor Corona abgekühlt hat. Vor allem die Zahl der Wohnungsbauprojekte ist rückläufig. Das ergab die "Projektentwicklerstudie 2020" des Marktforschungsunternehmens Bulwiengesa. Die Projektentwicklungen von Wohnungen in den sieben A-Städten gehen demnach um 2,9 Prozent zurück - und das, obwohl spätere Bestandshalter wie städtische Wohnungsunternehmen kräftig weiterbauen. Die Ursache für diese paradoxe Situation liegt weder in einer rückläufigen Nachfrage nach Wohnraum noch an fehlendem Kapital, sondern in erster Linie am fehlenden Bauland und einer zeitintensiven Baurechtschaffung.

Attraktive Sekundärstandorte

Das Nadelöhr für Investoren liegt deshalb darin, das Kapital zügig in attraktive Projekte beziehungsweise Grundstücke für eine Projektentwicklung zu investieren. Ein entscheidender Erfolgsfaktor kann dabei sein, nicht nur auf die A-Städte, sondern auch auf ausgewählte Wachstumsregionen außerhalb der Top-7-Standorte zu achten. Beispiel Frankfurt am Main: Neben attraktiven Lagen im aufstrebenden Frankfurter Osten sollten sich Investoren auch eingehend mit Standorten wie Offenbach oder Darmstadt befassen - in diesen Städten bieten sich nach einer Analyse von Bulwiengesa die attraktivsten Perspektiven für Immobilieninvestoren.

Beide Städte eint die Tatsache, dass sie ein unterdurchschnittliches Marktrisiko und zugleich überdurchschnittliche Renditen aufweisen. Die Offenbacher Innenstadt liegt näher an Frankfurt als viele Stadtteile der Mainmetropole selbst, Flughafen und Fernbahnhof sind nah. Die Einwohnerzahl von Offenbach am Main steigt seit 2011 jährlich um jeweils gut mehr als 2 000 Personen. Damit zählt die Kommune zu den am schnellsten wachsenden Städten in der Region. Eine weitere Alternative stellt die "Doppelstadt" Wiesbaden-Mainz dar, die einerseits ein modernes und vielfältiges urbanes Umfeld bietet und andererseits auch für Pendler nach Frankfurt am Main grundsätzlich infrage kommt.

Viele Argumente sprechen für Bielefeld

Nicht nur in den Metropolen und ihrer Umgebung, selbst im ländlichen Raum und in den kleineren Großstädten waren teils kräftige Preissteigerungen zu beobachten, wie die aktuelle Studie "Postbank Wohnatlas 2020" dokumentiert. Und eine Trendwende ist in den meisten Regionen nicht in Sicht. Beispielsweise im Raum Ostwestfalen-Lippe mit Bielefeld als Mittelpunkt: Die B-Stadt ist ein attraktiver Investitionsstandort für Immobilienanleger. Sie ist geprägt von Hochschulen und einer Universität, die zu den wichtigsten Arbeitgebern der Stadt zählt. Zusätzlich schaffen die Bildungseinrichtungen mehrere Tausend weitere Arbeitsplätze mit Wissenschaftsschwerpunkt.

Allein seit 2014 ist Bielefeld zudem um mehr als 10 000 Einwohner gewachsen. Gute Gründe, warum Bielefeld auf der Landkarte der Investoren auftaucht. Wie für eine B-Stadt jedoch üblich, liegen die Renditen häufig oberhalb der Vier-Prozent-Marke und damit deutlich über den Werten für Wohnimmobilien in Metropolen. Gleichzeitig steigen die Mieten in Bielefeld - trotz geltender Mietpreisbremse - von Jahr zu Jahr. Für Investoren ergibt sich so beim Kauf von Bestandsimmobilien als auch im Neubau von Mietwohnungen in den Wachstumsstädten viel Potenzial durch die im Vergleich niedrigeren Kaufpreise pro Quadratmeter und die robusten Mietsteigerungen.

Gefördertes Wohnen: risikoarm ...

Spätestens seit Covid-19 verfolgen immer mehr Investoren eine defensive Investmentstrategie. Dabei können gerade Projektentwicklungen in einem Segment helfen, das von Investoren bislang eher stiefmütterlich behandelt wurde: das sozial geförderte Wohnen. Anleger, die primär unter den Gesichtspunkten der Stabilität und Werterhaltung investieren wollen, erhalten auf diese Weise eine so gut wie garantierte Vollvermietung. Schließlich sinken die Bestände bei den geförderten Wohneinheiten Jahr für Jahr: Zur Jahr tausendwende gab es noch etwa 2,6 Millionen geförderte Wohneinheiten, während es zu Jahresbeginn 2019 nur noch rund 1,2 Millionen Einheiten waren. Gestützt von Analysen des Eduard Pestel Instituts fordert daher der deutsche Mieterbund allein in der Bundeshauptstadt Berlin den Bau von mindestens 80 000 geförderten Wohneinheiten.

In der Folge müssen Menschen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) oft sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen, bis sie eine entsprechende Wohneinheit beziehen können. Die Nachfrage nach günstigen Wohnungen steigt also deutlich an, bei rück läufigem Angebot. Auch lassen sich entsprechende Projekte häufig zu besseren Konditionen als nicht geförderte Neubauvorhaben erwerben, da die Konkurrenz in diesem Teilmarkt derzeit noch deutlich weniger ausgeprägt ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass negative regulatorische Eingriffe sehr unwahrscheinlich sind. Ganz im Gegenteil: Bei der Schaffung von sozial gefördertem Wohnraum handelt es sich um ein ausdrückliches politisches Ziel von Bund und Ländern.

... und im Sinne der Reputation

Dieses Thema wird auch vor dem Hintergrund immer wichtiger, dass immer mehr Marktakteure einen ESG- oder Impact-Investing-Ansatz verfolgen, der ökologischen oder gesellschaftlichen Schaden vermeiden oder gar Nutzen schaffen soll. Für diese Investoren lassen sich im Rahmen entsprechender Projektentwicklungen noch weitere Akzente setzen, beispielsweise durch die Beimischung von Inklusionswohnungen, barrierefreien Einheiten für generationenübergreifendes Wohnen oder anderen Flächen, die einen gesellschaftlichen Mehrwert stiften.

Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass sich die entsprechenden Förderbedingungen für preisgebundene oder preisgedämpfte Neubauprojekte von Bundesland zu Bundesland unterscheiden - und nicht jeder Standort, an dem aus demografischen Gründen die Entwicklung von Sozialwohnungen nötig wäre, bietet Anlegern die passenden ökonomischen Grundbedingungen für ein wertstabiles Investment. Ein Problem stellen beispielsweise die unterschiedlich langen Mietpreisbindungen für sozial geförderte Wohneinheiten dar: Beträgt diese Dauer 25 oder gar 30 Jahre, in denen sich die Mieten nicht an den Marktpreis anpassen lassen, ist das Investment in der Regel unwirtschaftlich. Eine Preisbindung von 15 bis 20 Jahren ist deutlich von Vorteil.

Flexible Fondsstrukturen - je nach Investmentfokus

Auf Portfolio- beziehungsweise Fondsebene ergibt sich die Möglichkeit, geförderte mit frei finanzierten Projekten in einem Portfolio zu vereinen. Dadurch kann ein ausgewogener Risiko-Rendite-Mix erreicht werden. Gerade für langfristig orientierte Investoren ergibt sich zudem der Vorteil, dass über die ersten Jahre hinweg der Cashflow sichergestellt ist, und nach Auslaufen der Preisbindung das Portfolio bei positiver Marktentwicklung an Wert hinzugewinnt. Somit ergeben sich gute Voraussetzungen für einen späteren teilweisen oder vollständigen Exit zu optimalen Konditionen.

Ein weiterer Punkt, der für die Mischung von geförderten und freifinanzierten Objekten spricht, ist der maximal mögliche LTV von 50 Prozent für offene Spezial-AIF: Bei einem Fonds, der ausschließlich aus geförderten Objekten besteht, könnten innerhalb der gesetzlichen Grenze wahrscheinlich nicht alle möglichen Förderdarlehen sowie KfW-Darlehen ausgenutzt werden. Dies wiederum könnte die einzelnen Projekte unwirtschaftlich werden lassen.

Ebenfalls ist es möglich, Neubauprojekte mit Bestandsimmobilien zu mischen, um während der Bauphase einen konstanten Cashflow zu erzielen, der sich nach Fertigstellung der einzelnen Projekte kontinuierlich steigert. Diese Herangehensweise eignet sich insbesondere für offene Spezialfonds. Schließlich können Zukäufe gleichmäßig über die Jahre hinweg erfolgen, sodass auch die Fondsrenditen relativ stabil bleiben. Für bestehende offene Wohnimmobilien-Spezialfonds ist ein Neubauanteil von etwa 20 bis 50 Prozent häufig eine gute Wahl.

Neue - offene oder geschlossene - Fondsprodukte können jedoch genauso gut zu 100 Prozent aus Projektentwicklungen mit bestimmten Merkmalen bestehen, um ein "reines" Anlageprodukt passend zum eigenen Mission-Investing-Ansatz zu erhalten. Der Nachteil dieser Herangehensweise besteht natürlich im ausbleibenden Cashflow bis zum Erstbezug, was durchaus mehrere Jahre dauern kann. Er eignet sich also eher für Investoren, die weniger auf die Ausschüttungen angewiesen sind, sondern primär unter Gesichtspunkten des Werterhalts investieren.

Flexibilität ist gefragt

Im konkreten Investmentfall werden diese drei Ansätze wahrscheinlich nur selten in Reinform vorliegen. Vielmehr wird für die Strukturierung der einzelnen Portfolios auch im Fall von Projektentwicklungen die konkrete Ankaufsgelegenheit entscheiden. Daher wird von den Fondsmanagern beziehungsweise den entsprechenden Projektentwicklern ein gewisses Maß an Flexibilität abverlangt, um bei bestehenden Angeboten die Flächenkonzepte im Einklang mit der Investmentstrategie im Rahmen des Möglichen noch anzupassen.

Der gemeinsame Nenner bei diesen strategischen Überlegungen wird dennoch deutlich: Projektentwicklungen sind eine gute Antwort auf die Frage nach auskömmlichen und stabilen Renditen für institutionelle Investoren. Je nach Investmentstil und -standort sowie abhängig vom Wohnungsmix lassen sich einzelne Kriterien sehr viel exakter erfüllen als durch das Investment in Bestandsimmobilien. Sofern die Planung nicht bereits zu weit fortgeschritten ist, kann der Käufer bei vielen Punkten im Vorfeld mitbestimmen.

Die potenziellen Entwicklerrisiken lassen sich durch eine konsequente Standort- und Bedarfsanalyse, ein stringentes Baucontrolling sowie durch die Eingliederung des Investments in einen diversifizierten Immobilienfonds minimieren. Auch der Zeitpunkt des Ankaufs kann eine wichtige Stellschraube sein: Je früher der Einstieg, desto stärker ist die Mitsprachechance bei Planung und Konzeption. All diese Aspekte sprechen dafür, dass Neubauprojekte selbst dann zukünftig ein fester Teil in den Portfolios zahlreicher Investoren werden beziehungsweise bleiben, sofern sich die Preise für Bestandsimmobilien in den kommenden Jahren moderat abkühlen sollten.

DER AUTOR THOMAS MEYER Vorsitzender des Vorstands, WERTGRUND Immobilien AG, München
Thomas Meyer , Vorsitzender des Vorstands, WERTGRUND Immobilien AG, München
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