Non-Performing Loans

Reformvorhaben aus Berlin und Brüssel

Oliver Fawzy

Im Jahr 2011 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Verkauf von zahlungsgestörten Forderungen nicht der Umsatzsteuer unterliegt - gleichzeitig gilt bis heute der Umsatzsteueranwendungserlass, der eine derartige Umsatzbesteuerung vorsieht. Der umsatzsteuerliche Umgang mit Forderungskäufen wird also maßgeblich durch Unsicherheit bestimmt, eine Korrektur des UStAE ist notwendig. Seit Anfang Mai liegt ein erster Entwurf des Bundesfinanzministeriums vor, mit dem sich der Autor im Folgenden kritisch anseinandersetzt. Wichtigste Aspekte sind neben der Schaffung von bundesweiter Rechtssicherheit per Definition ferner auch die Neufassung des Insolvenzrechts, die unter anderem Regelungen zu Vorgaben internationaler Zuständigkeiten vorsieht, die den "Insolvenz-Tourismus" eingrenzen sollen. Weiter wird nach wie vor ein Reformierungsbedarf der Insolvenzanfechtung gesehen. Um die derzeitigen Anfechtungsrisiken zu mindern, hat das zuständige BMJV eine Neujustierung insbesondere der Anforderungen an die Anfechtung kongruenter Deckungshandlungen vorgeschlagen. Red.

Die umsatzsteuerliche Behandlung des Erwerbs zahlungsgestörter Forderungen sorgt bereits seit Jahren für Diskussionen. 2011 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Verkauf zahlungsgestörter Forderungen regelmäßig nicht der Umsatzsteuer unterliegt.1) Der Bundesfinanzhof hatte sich mit zwei Urteilen dieser Rechtsauffassung angeschlossen und ergänzend ausgeführt, dass dem Forderungserwerber auch kein Vorsteuerabzugsrecht zusteht.2) Rechtssicherheit war damit allerdings noch nicht geschaffen, da bis heute noch der Umsatzsteueranwendungserlass vom 3. Juni 2004 (UStAE, BStBl I S. 737) gilt, der in Abschnitt 2.4 gerade eine Umsatzbesteuerung auf Forderungskäufe vorsieht.

Die BKS hat sich daher bereits in 2012 sowohl mit dem BMF als auch mit einzelnen Länderfinanzverwaltungen ausgetauscht und detaillierte Vorschläge zur Korrektur des UStAE unterbreitet. Nach Abstimmung mit den obersten Länderfinanzbehörden hat das BMF am 5. Mai 2015 nunmehr den Entwurf eines BMF-Schreibens vorgelegt, um die vorgenannten Entscheidungen allgemeingültig zu machen und den bisherigen UStAE entsprechend abzuändern.3)

Die "Zahlungsgestörtheit" einer Forderung

Zentral ist eine Nichtbeanstandungsklausel für bereits ausgeführte Forderungsübertragungen, sodass für die Vergangenheit bundesweite Rechtssicherheit geschaffen wird. Bei den für die Zukunft geltenden Neuregelungen erscheinen einige Aspekte allerdings noch verbesserungsfähig:

- Basis für die Neuregelung ist der Begriff der "Zahlungsgestörtheit" einer Forderung. Das BMF greift insoweit auf das europäische Bankenaufsichtsrecht zurück, wonach eine Forderung als notleidend einzustufen ist, wenn der Schuldner sich seit mehr als 90 Tagen in Zahlungsverzug befindet.4) Bislang wurde eine fällige Forderung als zahlungsgestört definiert, wenn sie innerhalb von sechs Monaten vollständig oder auch zu einem nicht nur geringfügigen Teil nicht ausgeglichen wurde.5) Die Verkürzung dieser Frist ist nicht unproblematisch, da Investoren damit auch bei "klassischen" Forderungsankäufen wie etwa bei Forderungsportfolios von Telekommunikations- und Versandhandelsunternehmen den Vorsteuerabzug aus ihren Aufwendungen für die Verwaltung und Einziehung der Forderungen verlieren. Die BKS hat daher angeregt, die bisherige Definition zu Zwecken der Umsatzbesteuerung beizubehalten und Erwerbern die Möglichkeit zu belassen, die Zahlungsstörung einer Forderung im Einzelfall nachzuweisen.

- Der Entwurf des BMF-Schreibens enthält bislang keine Regelung zu Mischportfolios, die sich sowohl aus zahlungsgestörten als auch nicht zahlungsgestörten Forderungen zusammensetzen. Insoweit hat die BKS die Aufnahme einer 50-Prozent-Grenze vorgeschlagen, wonach diejenigen Portfolios, bei denen mehr als die Hälfte der Forderungen als zahlungsgestört gelten, insgesamt als zahlungsgestört einzustufen wären. Verbliebe es dagegen bei der bestehenden Regelungslücke wäre der Erwerber eines Mischportfolios künftig gezwungen, den Kaufpreis auf zahlungsgestörte und nicht zahlungsgestörte Forderungen zuzuordnen, um der abweichenden umsatzsteuerlichen Bewertung gerecht zu werden.

- Praxiselevant sind auch revolvierende und Rahmenverträge, die in der Regel über mehrjährige Laufzeiten abgeschlossen werden und allgemeine Bedingungen für den Portfolioerwerb vorsehen. Da die nach der neuen Rechtslage eintretenden Vorsteuerschäden nicht durchweg berücksichtigt worden sind, hat die BKS für entsprechende Vertragsverhältnisse einen zusätzlichen Übergangszeitraum von maximal drei Jahren ab Veröffentlichung des BMF-Schreibens angeregt.

Neufassung der Insolvenzordnung

Auch das Insolvenzrecht bleibt weiter in Bewegung, sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene. Nachdem das Europäische Parlament am 20. Mai 2015 den Standpunkt des Rates zur Neufassung der Europäischen Insolvenzordnung (EuInsVO) offiziell gebilligt hat, ist damit die letzte formelle Hürde der seit 2011 vorangetriebenen Reform genommen. Die EuInsVO gibt grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren einen Rahmen, um eine Zersplitterung in nationale Verfahren und ein Forum-Shopping der Insolvenzschuldner zu vermeiden. Zentral sind insoweit die Vorgaben zur internationalen Zuständigkeit, die grundsätzlich in dem Mitgliedstaat vermutet wird, in dem der Schuldner seinen Geschäfts- beziehungsweise Wohnsitz hat.

Nach der Neuregelung greift die Vermutung am Ort des Sitzes einer Gesellschaft erst ab drei Monaten nach Sitzverlegung. Bei Verbrauchern beträgt die Abstandsfrist sogar sechs Monate. Kurzfristige Sitzverlagerungen werden damit zwecklos und der Insolvenz-Tourismus von Verbrauchern eingegrenzt. Bei Konzerninsolvenzen verhindert die Neufassung, dass ein Hauptinsolvenzverfahren durch Sekundärverfahren in anderen EU-Mitgliedstaaten gelähmt wird.

Hierzu erhält der Hauptverwalter die Befugnis, Gläubigern jenseits der Landesgrenzen Zusicherungen zur Rangfolge ihrer Forderungen zu geben und damit ein förmliches Sekundärverfahren entbehrlich zu machen. Positiv ist auch die Garantie einer europaweiten Geltung von Eigenverwaltungsverfahren nach § 270 der deutschen Insolvenzordnung, die von Unternehmen zunehmend als Sanierungsinstrument erkannt und genutzt werden.

Neujustierung: Anfechtung von Deckungshandlungen

Im deutschen Insolvenzrecht sorgt die Reform der Insolvenzanfechtung nach wie vor für Diskussionen. Um Wirtschaft und Arbeitnehmer von den derzeitigen Anfechtungsrisiken und der damit verbundenen Rechtsund Planungsunsicherheit zu entlasten, hatte die große Koalition ihren Willen zur Korrektur des Anfechtungsrechts bereits im Koalitionsvertrag bekundet.6)

Ein erstes Eckpunktepapier, das vom zuständigen BMJV im Herbst 2014 erarbeitet worden war, fand allerdings keinen Konsens unter den Rechtspolitikern, sodass bereits gemutmaßt wurde, Bundesminister Maas habe das Reformvorhaben auf Eis gelegt.7) Diese Einschätzung erwies sich jedoch als voreilig.

Nachdem die Unionsfraktion ausdrücklich an dem Reformbedarf festgehalten hatte, hat das BMJV nunmehr einen förmlichen Referentenentwurf zur Änderung der Anfechtungsregeln erarbeitet und diesen im März 2015 den an der Diskussion beteiligten Verbänden zugeleitet. Nach den Vorstellungen des BMJV - die innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmt sind - sollen mit einer "punktuellen Neujustierung" insbesondere die Anforderungen an die Anfechtung kongruenter Deckungshandlungen erhöht werden, ohne in die bestehende Regelungssystematik einzugreifen. Im Wesentlichen sind folgende Änderungen vorgesehen:

- Der anfechtungsrelevante Zeitraum soll bei Deckungshandlungen von zehn auf vier Jahre vor Stellung des Insolvenzantrags verkürzt werden.

- Bei den weiteren Voraussetzungen wird zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungen unterschieden. Anders als bislang sollen kongruente Deckungen grundsätzlich erst dann anfechtbar sein, wenn der Schuldner sie in Kenntnis der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gewährte und der Gläubiger dies erkannt hat.

- In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass weder die Bitte des Schuldners um eine verkehrstypische Zahlungserleichterung noch das Bemühen des Gerichtsvollziehers um eine gütliche Einigung in der Zwangsvollstreckung alleine als Anknüpfungspunkt für eine Vorsatzanfechtung ausreicht.

- Auch soll sich der Rechtsverkehr darauf verlassen können, dass keine Vorsatzanfechtung droht, wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners unterstützt werden.

Die Korrektur der Anfechtungsregeln ist rechtspolitisch unumgänglich, sodass die Vorschläge des BMJV prinzipiell in die richtige Richtung weisen. Allerdings sind die im Detail vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nur eingeschränkt geeignet, die mitunter exzessive Anfechtungspraxis der Insolvenzverwalter wieder auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Dies gilt insbesondere für die neu eingeführten Rechtsbegriffe, die angesichts ihrer Unbestimmtheit neue Fragen aufwerfen (wann etwa ist eine Zahlungserleichterung verkehrstypisch oder eine Sanierungsbemühung des Schuldners ernsthaft?).

Tatsächlich ist ein Rückgang der Anfechtungsflut - viele Verwalter bedienen sich angesichts der bestehenden Beweiserleichterungen aus Textbausteinen zusammengesetzten Serienanfechtungen - in erster Linie über eine Änderung der Darlegungs- und Beweislast zu erreichen. Die BKS hat daher vorgeschlagen, die Vermutungsregel des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO für kongruente Deckungen ersatzlos zu streichen.8)

Der Planungs- und Rechtssicherheit der Wirtschaft wäre mit einem solchen minimalinvasiven Eingriff in den bestehenden Gesetzeswortlaut bereits gedient. Auf welche Reformelemente sich der Gesetzgeber im Zuge der weiteren Beratungen letztlich verständigen wird, bleibt abzuwarten.

Reform des Zwangsversteigerungsrechts

Große Praxisrelevanz wird auch der vom BMJV angestoßenen Reform des Zwangsversteigerungsrechts zukommen. Im Ministerium steht das Bemühen um größere Transparenz, die Einbindung in eine moderne IT-Landschaft und (nicht zuletzt) um einen angemessenen Ausgleich zwischen den Gläubiger- und Schuldnerinteressen im Vordergrund.

Die auf den Prüfstand gestellten Themen sind vielfältig und reichen von der Institutsverwaltung über einzelne Verfahrensregelungen (geringstes Gebot, Bietzeit, Kosten, et cetera) bis zur Höhe der Versteigerungserlöse im Verhältnis zu den festgesetzten Verkehrswerten.

Zur Vorbereitung der Reform hat das BMJV ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben, das bis 2017 eine rechtstatsächliche Grundlage schaffen und dabei auch Vergleiche zu anderen Rechtsordnungen ziehen soll. Die Leitung der empirischen Forschung der deutschen Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungpraxis obliegt Prof. Dr. Keller von der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin. Prof. Dr. Bartels von der Universität Hamburg ist mit der rechtsvergleichenden Forschung beauftragt, um auch Beispiele und Methoden anderer EU-Mitgliedstaaten in die Debatte einzubringen. Die BKS wird die Reformüberlegungen durch eine eigene Arbeitsgruppe konstruktiv begleiten.

1) EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 (C-93/10).

2) BFH, Urteile vom 26. Januar 2012 (V R 18/08) sowie vom 4. Juli 2013 (V R 8/10).

3) Vgl. etwa Keibel, BKS Jahrespublikation 2014, S. 31 ff.

4) Art. 178 Verordnung (EU) Nr. 575/2013.

5) Vgl. Abschnitt 2.4. Abs. 7 UStAE.

6) Vgl. Fawzy, Immobilien und Finanzierung, 12/2004, S. 18 f.

7) Vgl. etwa FAZ vom 17. Oktober 2014 ("Insolvenzverwalter behalten volle Rechte").

8) Das BMJV hatte 2006 selbst einen entsprechenden Reformvorschlag vorgelegt (BT-Drs. 618/05); zu den Einzelheiten vgl. Fawzy/Köchling, Die Reform der Vorsatzanfechtung - die größte Baustelle des Insolvenzrechts?, ZinsO 2014, 1073 ff.

Der Autor

Dr. Oliver Fawzy Rechtsanwalt und Senior Referent der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin

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