IMMOBILIENWIRTSCHAFT 4.0

ROBOTER IM ASSET MANAGEMENT

Frank Hipller, Foto: Deka

Technologien basierend auf Künstlicher Intelligenz (KI) sind bereits im Asset Management einiger Immobilienunternehmen etabliert. Sie dienen der Identifizierung und Kategorisierung digitalisierter Dokumente. Der Effizienzsprung gelingt nach Einschätzung der Autoren jedoch erst durch Massenverarbeitung. Ermöglicht werde dies durch Robotic Process Automation (RPA): KI-gestützte Roboter erkennen und klassifizieren demnach bis zu 25 000 Dokumente - in drei Minuten. Die angelaufenen Pilotprojekte zeigen ihrer Ansicht nach auf, dass monotone und repetitive Arbeitsvorgänge schon in Kürze der Vergangenheit angehören werden. Und dadurch würden wiederum Kapazitäten für neue Formen des Asset Managements freigesetzt. Red.

Terminator, Wall E, R2D2. Das intuitive Bild beim Begriff "Roboter" ist immer noch durch Science-Fiction-Filme geprägt. Zumeist werden mit der Vokabel mobile Maschinen assoziiert. Aus dem Alltag bekannt sind beispielsweise Fertigungsroboter aus der Automobilindustrie oder auch Reinigungsroboter an öffentlichen Plätzen.

Daher gilt es zunächst, zwischen physischen Robotern und sogenannten virtuellen Agenten zu unterscheiden. Zur zweiten Gruppe zählen beispielsweise automatisierte Callcenter oder standardisierte Schrifteingaben in Mailprogrammen.

Großes Potenzial bei repetitiven Arbeitsschritten

Chatbots wie Alexa oder Siri mit vermeintlicher Interaktionsfähigkeit sind bekannte Beispiele. Sowohl physischen Robotern als auch virtuellen Agenten liegt dieselbe Funktionsweise zugrunde: die Übernahme repetitiver Standardprozesse, im Falle einer KI-Verknüpfung angereichert durch intelligente Erkennung von Inhalten und eigenständiger Zuordnung.

Robotic Process Automation (RPA) greift also überall dort, wo regelbasierte, wiederkehrende Arbeitsschritte mit hohem Datenvolumen vorliegen. Bei Prozessen, die mit menschlicher Bearbeitung eine hohe Fehlerquote hervorrufen, wie zum Beispiel durch manuelle Berechnung, eignet sich RPA umso mehr. Bei RPA handelt es sich nicht um eine Software, sondern ihr liegen Ablaufdiagramme zugrunde, die konkret definierte Vorgänge umfassen. In der Regel handelt es sich um Lösungen, die unter der Benutzeroberfläche gleichsam unsichtbar erfolgen.

Deloitte befragte im Oktober 2017 Immobilienunternehmen nach den IT-Innovationen mit der höchsten Durchschlagskraft für das Asset und Investment Management. RPA und Blockchain zählten zu den meistgenannten Antworten. Weniger Bedeutung wurden Advanced Analytics, also Prognosemodellen als Teil von Business Intelligence und C ognitive Intelligence, bekannt in der Form interagierender Chatbots, zugeschrieben.

Doch die Technik steckt in den Kinderschuhen: 2016 waren es gerade einmal neun Prozent der weltweit befragten Immobilienmanager, die RPA bereits aktiv anwendeten.

Wie Deloitte im zugrunde liegenden Bericht empfiehlt, gilt es zunächst, den geeigneten Prozess für RPA auszuwählen. Damit einhergehend sollten direkt Ausnahmen definiert werden, die aus dem Automatisierungsprozess herausfallen - beispielsweise komplexe Mietverträge in Multi-Tenant-Objekten.

Notwendigkeit von RPA durch wachsendes Datenvolumen

Der Einsatz von Robotern für effizientere Prozesse ist branchenübergreifend. Die Immobilienwirtschaft zählt laut McKinsey zu den zehn Wirtschaftszweigen mit dem höchsten Automatisierungspotenzial. Im Durchschnitt, so das Beratungsunternehmen, seien 30 Prozent der Tätigkeiten bei sechs von zehn Jobs automatisierbar. Konkrete Effizienzgewinne kalkulierte IBM in seiner RPA-Studie aus dem Jahr 2018. Demnach können fünf RPA-Bots im Falle repetitiver Prozesse bei permanentem Betrieb die Arbeit von bis zu 240 Vollzeit-Mitarbeitern übernehmen, die sich dann anderen wertschöpfenden Tätigkeiten widmen können.

Freilich: Diese Berechnungen sind für die Immobilienbranche noch Zukunftsmusik, da die Technologie zwar bereits einsetzbar ist, die Aufgaben und Ablagekriterien für RPA jedoch auf Anwenderseite noch definiert werden müssen. Derweilen steigt das Datenvolumen bei den Marktakteuren: Bei großen Asset-Management-Unternehmen ergibt sich derzeit pro Ankauf eine Sammlung von rund 8 000 bis 8 500 neuen Dokumenten. Im Falle komplexer Immobilien wie Shoppingcentern wächst diese Zahl aufgrund der kleinteiligen und heterogenen Mieterstruktur auf bis zu 22 000 Dokumente pro Ankauf. Dies entspricht bei einem durchschnittlichen Ankauf eines Gewerbeobjekts einem Datenvolumen im Terrabytebereich. Hierbei sind erforderliche Backup-Daten alter Verträge desselben Objekts miteingeschlossen.

Die Hauptgründe für die stetig ansteigenden Datenmengen liegen in der erweiterten gesetzlichen Dokumentationspflicht - die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat hier bekanntermaßen die Anforderungen verschärft -, kürzeren Mietlaufzeiten, aber auch umfangreicheren Serviceleistungen seitens der Immobiliendienstleister. Kurz gesagt: Wenn Messungen aller Art Effizienzgewinne versprechen, wächst damit einhergehend die Dokumentationsfülle. RPA ist folglich ein notwendiges Mittel, um schlankere Prozesse auf der einen Seite nicht durch mehr Aufwand im Datenmanagement auszuspielen.

Indexierung und Hierarchisierung: Vorgaben für das Datenmanagement

Für eine sinnvolle RPA-Anwendung sind Voraussetzungen zu erfüllen. Zumindest in größeren Immobilienunternehmen liegt die jeweilige Objektdokumentation in der Regel zwar vollständig digitalisiert, wenngleich unsortiert, als PDF-Dateisammlung vor. Bei Ankäufen kann die Dokumentation des Objekts je nach Größe des Projektpartners aber auch größtenteils analog in Papierform vorliegen. Daraufhin folgt aktuell in vielen Unternehmen ein mühsames Auslesen der relevanten Punkte aus den Dokumenten - mit anschließender Übertragung in Standardformate wie beispielsweise Excel.

RPA mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz (KI) übernimmt nun diese Aufgabe. Erst mit KI gelingt die Dateninterpretation - ohne sie würde RPA an einem gewissen Punkt anhalten, um den Mitarbeiter über Unstimmigkeiten im definierten Auftrag zu informieren. RPA in Verbindung mit KI kann hingegen PDF-Dateien automatisch erkennen, klassifizieren, benennen und ablegen. Der Ablage liegen entweder ein indexiertes Dokumentenmanagement-System (DMS) oder ein Lifecycle-Datenraum mit erweitertem Funktionsumfang zugrunde. Für den reibungslosen Prozess ist eine Schnittstellenfunktion zwischen KI-Roboter und den gängigen DMS wie IBM FileNet oder Share-Point notwendig. Je detaillierter und standardisierter der Index im DMS, desto besser erfolgt die Ablage der bestehenden oder neu eingespeisten Dokumente.

Auf dem Weg zu einem branchenweiten Klassifizierungsstandard

Der Index von Deka Immobilien wurde beispielsweise als Arbeitsgrundlage für den Dokumentenindex der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) eingebracht. Ihr Bestreben, diese Klassifizierung schrittweise zum branchenweiten Standard zu erheben, ist sehr zu begrüßen. Ende März 2019 veröffentlichte die gif unter der Mitwirkung führender Asset Manager eine neue Richtlinie für den Aufbau von Dokumenten-Management-Systemen und Datenräumen. Sie ergänzt den bereits 2015 aufgelegten gif-Musterindex. In Frankreich besteht sogar ein gesetzlich vorgeschriebener Index für die Immobilienwirtschaft, der sich aber aufgrund landesspezifischer Regularien nicht eins zu eins auf den deutschen Markt übertragen lässt.

Um angesichts fehlender Index-Verbindlichkeit bereits jetzt einen unternehmensübergreifenden Effizienzsprung zu vollziehen, ist die Hierarchisierung der Dokumentenklassen bedeutsam. In dieser Hinsicht sind die einzelnen Verästelungen des Index zunächst nicht von Belang. Wichtig ist hingegen die Frage, welche Dokumente mit einer 100-prozentigen Akkuratesse erkannt werden müssen und bei welchen Dokumenten zum Beispiel eine 80-prozentige Identifikationsgenauigkeit ausreicht. KI-gestützte Roboter funktionieren derzeit mit einer durchschnittlichen Erkennungspräzision von 90 Prozent. Ihre quantitative Funktion erstreckt sich auf die Erkennung und Ablage von bis zu 25 000 Dokumenten in drei Minuten. Zum Vergleich: Ein Mitarbeiter schafft pro Tag rund 120 Dokumente.

Ohne Standards keine Durchschlagskraft

In technischer Hinsicht sind die Instrumente bereits sofort einsetzbar. Ihre Implementierung hapert bislang an den noch anzupassenden Rahmenbedingungen in den Unternehmen - in Bezug auf Technik und Prozesse. Verbindliche Standards sind hierbei der entscheidende Faktor. Ein Beispiel: Bei einem Ankauf bekommt der Asset Manager der Erwerberpartei einen Mietvertrag vom Asset Manager des Verkäufers. Der Übersendung der Dokumente folgt die anschließende Informationsextraktion durch den kaufenden Asset Manager.

Mit KI-gestützter RPA und einem gemeinsamen Datenraum kann der verkaufende Asset Manager hingegen den Vertrag auf die Plattform hochladen. Dort wird das Dokument identifiziert und abgelegt. Dieser Vorgang erfolgt umso effizienter, je mehr Datenpunkte wie beispielsweise Bruttogeschossfläche, Adresse oder zuständiger Property Manager inhaltlich und lokal festgelegt sind. Abhängig von Vertragstypus und Herkunft stehen diese Angaben nämlich an unterschiedlicher Stelle. Je höher also der Normierungsgrad, desto leichter ist die Handhabbarkeit der Dokumente.

Zügige Amortisierung der Investments

Öffentlichkeitswirksame Foren wie die gif-Arbeitsgruppe Datenmanagement oder der Real Estate Data Summit (REDS) schärfen das Bewusstsein der Branche für die nun anstehenden Arbeitsschritte der Normierung. Denn nur Standards erfüllen die laut einer CBRE-Studie von 2017 größten Erwartungen der Immobilienwirtschaft an die Digitalisierung: eine bessere Datenverarbeitung (72 Prozent) und schlankere Prozesse (94 Prozent). Eine mögliche finanzielle Belastung ist laut Ansicht der Branche bezeichnenderweise kein Hinderungsgrund.

Nur 16 Prozent der 2018 von EY befragten Asset Manager beklagen niedrigere Margen nach Einführung digitaler Instrumente. Mit Bezug auf RPA ermittelte PwC 2018 eine Amortisierung der entstandenen Kosten nach durchschnittlich ein bis zwei Jahren. KI-Roboter sind in digital aufgestellten Immobilienunternehmen bereits Realität. Ihre Implementierung schreitet rasch voran. Noch hat sich am Deloitte-Befund von 2018, wonach KI-gestütztes RPA "ein echtes Alleinstellungsmerkmal in der Immobilienbranche" sei, nicht viel geändert. Der Markt hierfür wird dank fortgeschrittener Technologie in den kommenden Jahren ein rasantes Wachstum aufweisen.

DER AUTOR DR. FRANK HIPPLER, Leiter Systeme und Prozesse Immobilien, Deka Immobilien GmbH, Frankfurt am Main
DER AUTOR MAURICE GRASSAU, Gründer und CEO, Architrave GmbH, Berlin
Frank Hipller , Leiter Systeme und Prozesse Immobilien, Deka Immobilien GmbH, Frankfurt am Main
Maurice Grassau , Gründer und CEO, Architrave GmbH, Berlin

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