BEZAHLBARER WOHNRAUM IN DEUTSCHLAND

DIE SCHAFFUNG VON PREISWERTEM WOHNRAUM ALS ZENTRALE AUFGABE UNSERER ZEIT

Hans-Joachim Grote, Foto: Frank Peter

Das Thema Wohnen prägt den gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland derzeit so stark wie seit Langem nicht mehr. Ausdruck davon sind nicht zuletzt die mit erhöhter Frequenz abgehaltenen Konferenzen und Wohngipfel, auf denen sich führende Politiker des Landes sichtlich um tragfähige Lösungen zur Schaffung von mehr und vor allem bezahlbarem Wohnraum bemühen. Sehr aktiv sind in diesem Zusammenhang auch die sechzehn Landesbauminister, die zuletzt im September und Oktober 2018 auf zwei Konferenzen wichtige baupolitische Weichenstellungen vorgenommen haben. Auf die Kernergebnisse dieser Versammlungen wird im folgenden Beitrag eingegangen. Red.

Bereits auf der Sonderbauministerkonferenz am 9. September 2018 in Berlin wurde das Thema der Schaffung von preiswertem Wohnraum als ein zentrales Thema der Zeit bezeichnet. Der soziale Wohnungsbau trägt dabei entscheidend zu einer Angebotsausweitung an bezahlbarem Wohnraum in Deutschland bei und lässt sich zu einer aktiven Stadtentwicklungspolitik einsetzen. Durch die mit der Wohnraumförderung der Länder entstehenden Wohnungen mit Belegungsbindungen ist gewährleistet, dass auch Haushalte mit geringen Einkommen und/oder besonderen Zugangsproblemen, für die der Wohnungsmarkt nur unzureichend Angebote zur Verfügung stellt, unmittelbar mit Wohnraum versorgt werden können.

Konsequente Digitalisierung für schnelles und günstiges Bauen

Subjekt- und Objektförderung sind dabei keine Alternativen, sondern zwei sich ergänzende Instrumente einer sozialen Wohnungspolitik und dienen beide der Sicherung des bezahlbaren Wohnens. Die Bauministerkonferenz tagte am 25. und 26. Oktober 2018 in Kiel. Auf der Sitzung wurden verschiedene Beschlüsse gefasst, die für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland sorgen sollen. Die Bauminister betonten mithilfe einer konsequenten Digitalisierung in den Bereichen Bauleitplanung und Bauaufsicht den Weg von der Planerstellung bis hin zum fertigen Gebäude schneller und kostengünstiger zu ermöglichen.

Ein wichtiger und erster Baustein wird hierfür der digitale Bauantrag an sein. Die Länder verfolgen weiterhin das Ziel, weitgehend übereinstimmende Vorschriften im Bauordnungsrecht vorzusehen. Dazu gehört auch eine weitere Harmonisierung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften zwischen den Ländern, um zu weiteren Vereinfachungs- und Beschleunigungspotenzialen für ein Mehr an Wohnungsbau zu kommen. Die Länder sind hier bereits auf einem guten Weg und werden die Harmonisierung der Bauordnungen auch in Zukunft weiter fortsetzen. So ist bereits eine Aufnahme der Typengenehmigung in die Musterbauordnung bis zur nächsten Bauministerkonferenz in Vorbereitung.

Außerordentliche Konferenz zur Vertiefung der Gespräche

Auch halten die Länder eine vertragliche Vereinbarung der Normung auf dem notwendigen Mindestmaß für erforderlich und sprechen sich für eine Optimierung des Normungswesens, insbesondere eine Begrenzung der Kostenfolgen der Normung auf den Wohnungsbau aus. Bis zur nächsten Bauministerkonferenz wird ein Vergleich der untergesetzlichen Normen unter dem Blickwinkel des Wohnungsbaus vorgenommen werden und die Muster-Richtlinien auf mögliche Vereinfachungs- und Beschleunigungspotenziale hin untersucht werden. Aufgrund der großen Wichtigkeit des Themas haben die Bauminister in Kiel beschlossen, eine außerordentliche Bauministerkonferenz am 22. Februar in Berlin einzuberufen, um die Gespräche fortzusetzen und zu vertiefen.

Die Situation in Schleswig-Holstein lässt sich anhand der aktuellen Wohnungsmarktprognose verdeutlichen. Die Prognose zeigt dabei, dass ein großer Handlungsbedarf besteht. Bis 2030 müssen mehr als 100 000 neue Wohnungen gebaut werden um dem Bedarf zu entsprechen. Insbesondere in den nächsten beiden Jahren werden mit 13 800 bis 15 600 besonders viele neue Wohnungen benötigt. Die Entwicklung in Schleswig-Holstein ist sehr heterogene und führt dazu, dass es einerseits besonders starke Wachstumsgebiete wie den Hamburger Rand und die großen Städte gibt, aber auch andererseits im ländlichen Raum teilweise Stagnation festzustellen ist. Diese Gleichzeitigkeit von Wachstum und Schrumpfung erleben wir nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in ganz Deutschland.

Bundesweite Trends am Beispiel Schleswig-Holstein

Diese bundesweite Gültigkeit gilt auch für die Entwicklung der Wohntrends. In Schleswig-Holstein lassen sich aktuell einige wesentliche Trends erkennen. Es existiert ein deutlicher Trend zu mehr Wohnraum pro Person. Die durchschnittliche Haushaltsgröße nimmt ab, sodass bei einer konstanten Bevölkerungszahl mehr Wohnungen nachgefragt werden. Ältere Menschen leben insgesamt länger und die Anzahl an älteren Einpersonenhaushalten nimmt zu. Wanderungsbewegungen von Berufseinsteigern und Studenten in die Zentren führen dort zu weiter steigende Wohnraumknappheit. Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass bei einer konstanten Bevölkerungszahl der Bedarf an Wohnungen steigt, sich in Ballungsregionen konzentriert und dort zu Knappheit am Wohnungsmarkt sowie einem Anstieg der Mieten führt.

Um diesen Trends zu begegnen werden zukünftig vorwiegend Geschoss- und altengerechte Wohnungen in den Ballungsregionen benötigt. In Schleswig-Holstein ist dieses insbesondere in den Städten am Hamburger Rand, aber auch in den anderen Oberzentren - zum Beispiel in Kiel, Lübeck und Flensburg - der Fall. Das Angebot an Bauland in diesen Regionen ist jedoch knapp und die Baulandpreise sind entsprechend hoch.

Stärkung der ländlichen Räume im Fokus

An diesem Punkt geht es darum, die Entlastungspotenziale des ländlichen Raumes als Chance zu begreifen und gleichzeitig geeignete und nachhaltige Standorte in Pendeldistanz zu den Zentren mit einer zukunftsgerechten Infrastruktur auszustatten und aufzuwerten. Dabei gilt es ländliche Regionen mit einer guten verkehrlichen Anbindung und guter Infrastruktur zur Entlastung von städtischen Regionen einzusetzen, hierbei wird man auch mit Wachstum und Schrumpfung in enger Nachbarschaft umgehen müssen.

Angesichts des landesweit hohen Wohnungsneubaubedarfs in den nächsten Jahren sollen daher in Schleswig-Holstein auch in den Gemeinden, die keine Schwerpunkte für den Wohnungsbau sind, wieder mehr Wohnungen gebaut werden können. Im Rahmen der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans wird daher der sogenannte wohnbauliche Entwicklungsrahmen, der den Wohnungsbau in Nicht-Schwer punktgemeinden begrenzt, aktualisiert. Das bedeutet, der wohnbauliche Entwicklungsrahmen gilt jetzt für einen neuen Zeitraum (2018 bis 2030) und er bezieht sich auf einen neuen, höheren Wohnungsbestand (Stichtag 31. Dezember 2017).

Experimentierklausel für mehr Flexibilität in der Raumordnung

Da die Baufertigstellungen der vergangenen Jahre nicht mehr berücksichtigt werden, können Gemeinden in den ländlichen Räumen wieder bis zu zehn Prozent neue Wohnungen bauen und Gemeinden in den Ordnungsräumen (Umland von Kiel, Lübeck und Hamburg) bis zu 15 Prozent. Für den wohnbaulichen Entwicklungsrahmen wurden zudem einige Ausnahmemöglichkeiten definiert, bei denen der Rahmen geringfügig überschritten werden kann, zum Beispiel für bestimmte Formen von Innenentwicklung oder zur Deckung spezifischer Wohnungsbedarfe.

Zusätzlich plant Schleswig-Holstein als erstes Bundesland, dem Landesentwicklungsplan eine raumordnerische Experimentierklausel zur Seite zu stellen, die im Landesplanungsgesetz verankert werden soll. Da der Landesentwicklungsplan nicht heute schon auf alle Herausforderungen der nächsten 15 Jahre eine Antwort geben kann, soll die Experimentierklausel zeitlich oder räumlich begrenzt Abweichungen von Zielen der Raumordnung ermöglichen. Gedacht ist dabei an besonders innovative und möglichst interkommunale Entwicklungsansätze bei der Siedlungsentwicklung oder im Zusammenhang mit Digitalisierung, Energiewende, Klimawandel, Mobilität oder Daseinsvorsorge.

Mobilisierung ungenutzter Potenziale

Durch die Nutzung der Potenziale des Umlandes kann in allen Regionen - auch in den Regionen mit sinkenden Bevölkerungszahlen - ein attraktives Angebot an Wohnungen, nicht zuletzt auch im Geschosswohnungsbau geschaffen werden. Dieser Wohnraum ermöglicht älteren Menschen ein Leben im bekannten sozialen Umfeld und gestattet auch Familien mit unterschiedlichen Einkommen ein Lebensumfeld im ländlichen Raum.

In Zeiten steigender Baulandpreise sollten auch verstärkt die Potenziale genutzt werden, die die Mobilisierung von Altbeständen, Sanierung, Umbau und Anbau bieten. In den Ballungsgebieten wird man dadurch in Zukunft zusätzliche Wohnungsbaureserven heben können. Im ländlichen Raum hingegen können diese Maßnahmen das Entstehen von funktionsentleerten Ortskernen verhindern und unter Umständen sogar wieder Angebote der Daseinsvorsorge wie Schule oder Kindergarten aber auch Dienstleistungen wie Ärzte oder Supermärkte reaktivieren. Hierzu müssen auch die Möglichkeiten, die sich im Rahmen der Digitalisierung ergeben, genutzt werden.

Mittelabfluss durch Zuschüsse begrenzt Neubauförderung

In Schleswig-Holstein gehen bisher ein Großteil der Wohnraumfördermittel in den Neubau und die Bereitstellung von preiswertem Wohnraum in Mehrfamilienhäusern. Durch das allgemeine Marktumfeld im Wohnungsbau, insbesondere mit Blick auf das niedrige Zinsniveau und die hohen Marktmieten, ist die Wohnraumförderung auf die Vergabe von Zuschüssen angewiesen. Der Mittelabfluss durch Zuschüsse führt allerdings dazu, dass das Förderpotenzial der Neubauförderung weiter begrenzt wird. Eine weitere Herausforderung für die Schaffung von günstigem Wohnraum im Neubau sind die hohe Auslastung der Bauwirtschaft und die deutlich gestiegenen Baulandpreise in den Ballungsregionen. In den nächsten Monaten werden daher Ansatzpunkte für die Bereitstellung von Bauland ein zentrales Thema der Arbeit sein. Mit dem Neubau alleine ist es daher unmöglich, die Bedarfe in der Wohnraumförderung zu erfüllen.

Neben dem Neubau bedarf es einer Einbeziehung des aktuell vorhandenen Wohnungsbestandes bei der Auflegung von neuen Förderprogrammen und der Förderung von Eigentumsbildung der Bevölkerung. Die Bundesregierung hat mit dem Baukindergeld bereits einen guten Aufschlag geliefert. Hier gilt es nun auf die regionalen Bedürfnisse und Besonderheiten an den Wohnungsmärkten zu berücksichtigen und dieses um Zusatzprogramme zu erweitern.

Gemeinsamer Kraftakt ist gefragt

Die Herausforderungen am Wohnungsmarkt sind momentan sehr vielfältig und werden unter anderem durch das Zusammenspiel von vielen gleichzeitigen Entwicklungen wie dem demografischen Wandel, Wanderungsbewegungen in die Städte, Baulandknappheit und steigenden Baukosten ausgelöst und beeinflusst.

In Schleswig-Holstein befinden wir uns trotz dessen auf einem guten Weg, die Baugenehmigungs- und Fertigstellungszahlen befinden sich auf einem sehr hohen Niveau. Um die Situation an den Wohnungsmärkten nachhaltig zu verbessern gibt es allerdings nicht die Lösung schlechthin, vielmehr bedarf es eines engagierten und langfristigen Zusammenwirkens aller wesentlichen Akteure am Wohnungsmarkt. Die aktuelle Entwicklung der Baugenehmigungs- und Fertigstellungszahlen ist daher als Indiz dafür zu sehen, dass in der jüngeren Vergangenheit vieles richtig gemacht wurde, gleichwohl aber noch viel Arbeit vor uns liegt.

DER AUTOR HANS-JOACHIM GROTE Minister für Inneres, Ländliche Räume und Integration, Land Schleswig-Holstein, Kiel und Vorsitzender der Bauministerkonferenz, Berlin
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