FACILITY UND PROPERTY MANAGEMENT

DER SCHWEIZER IMMOBILIENMARKT UNTER DER LUPE: WAS IST MORGEN ANGESAGT?

Rahel Mulle, Foto: pom+Consulting AG

Die Zukunft vorauszusehen ist auch in der Immobilienbranche nicht möglich. Wichtige Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, ist mit den richtigen Instrumenten aber durchaus realistisch und ein Muss, so die Überzeugung der Autorinnen. Es gelte einerseits, langfristige Trends kontinuierlich zu verfolgen beziehungsweise den Radar für Neues auf Empfang einzustellen. Anderseits hänge der Erfolg von Morgen davon ab, inwieweit es gelingt, die Konsequenzen innovativer Technologien für die Immobilienwirtschaft abzuschätzen und in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren. Red.

Ein wichtiges Trendanalyse-Instrument ist der FM-Monitor, der seit 2001 jedes Jahr einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen der Schweiz gibt, indem die Bewirtschaftungs-, Verwaltungs- und Betriebskosten sowie die Flächendaten erhoben und ausgewiesen werden. Basis dieser Kennzahlen bilden über 11 000 Liegenschaften mit einer Gesamtgeschossfläche von rund 46 Millionen Quadratmeter und Bewirtschaftungskosten in der Höhe von 3,2 Milliarden Schweizer Franken (rund 3 Milliarden Euro).

Bewirtschaftungskosten: zwei wesentliche Treiber

Die Bewirtschaftungskosten pro Quadratmeter Geschossfläche hängen stark von der Nutzungsart ab. Bezogen auf die Eigentümer- und Nebenkosten sind Wohnnutzungen mit knapp 40 Schweizer Franken pro Quadratmeter Geschossfläche am kostenintensivsten. Werden betriebsnotwendige Liegenschaften verglichen, die nicht zwischen Eigentümer- und Nebenkosten unterscheiden, weisen Objekte im Bereich der Fürsorge und Gesundheit mit rund 95 Schweizer Franken pro Quadratmeter Geschossfläche die höchsten Bewirtschaftungskosten aus.

Insgesamt sind die Bewirtschaftungskosten aller kommerziell gehaltenen Liegenschaften in den letzten Jahren angestiegen. Renditeliegenschaften werden dabei tendenziell professioneller und standardisierter bewirtschaftet als Liegenschaften, die nicht primär als Geldanlage gehalten werden. Das zeigt sich beispielsweise bei spezialisiertem Personal und IT-Applikationen.

Die wesentlichsten Treiber der Bewirtschaftungskosten sind die Nutzungsart und die Größe: Geschäftsflächen verursachen deutlich tiefere Kosten und große Liegenschaften sind relativ betrachtet deutlich günstiger als kleinere. Weitere wichtige Treiber von Bewirtschaftungskosten sind die Mieten sowie Baujahr und -qualität. Nachkriegsbauten sind besonders kostenintensiv und erfordern tendenziell viele Instandsetzungsmaßnahmen.

Covid-19 sorgt für Bewegung

Nicht überraschend: Je neuer ein Gebäude, desto tiefer die Kosten. Zudem verursachen hochpreisige Flächen auch höhere Kosten. Kosteneinsparungen von 10 beziehungsweise 20 Prozent verursachen einen rund 3 beziehungsweise 6 Prozent höheren Nettoertrag - ein Blick auf das Optimierungspotenzial von Bewirtschaftungskosten kann sich also durchaus lohnen.

Die Covid-19-Pandemie führte zu massiven Einschränkungen für Gesellschaft und Wirtschaft, die sich auch in den Kosten- und Flächenkennzahlen niederschlagen. Genaue Zahlen werden zwar erst im FM-Monitor-Benchmark 2021 verfügbar sein, aber es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Bewirtschaftungskosten für Geschäftsflächen sinken. Dafür sorgt die Kombination aus Rezession, einer Zunahme der Arbeitszeit im Homeoffice und Veränderungen der Arbeitsplatzvorschriften. Davon betroffen sind insbesondere die Leistungen von Verwaltungen und Facility-Management-Anbieter sowie die Ver- und Entsorgungskosten.

Es ist davon auszugehen, dass neue Arbeitsmodelle und flexiblere Arbeitsformen im Büroalltag Einzug halten und knappe Platzverhältnisse kurz- bis mittelfristig entschärft werden können. Mit zeitgemäßen und marktgerechten Bürolayouts können neue Hygiene- und Abstandsregeln bereits heute häufig eingehalten werden.

Kriseneffekte: vielfältig und zum Teil gegenläufig

Die langfristigen Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen im Workplace Management sind jedoch noch nicht zu beziffern. Es ist zu erwarten, dass der Trend hin zu flexibleren Arbeitsplatzmodellen künftig nicht mehr nur über Flächenkennzahlen abgebildet wird, sondern auch deren Nutzen quantifiziert wird. So ist denkbar, dass unternehmensseitig bald nicht mehr nur die Kosten pro Quadratmeter relevant sind, sondern auch der Aufwand pro Arbeitsplatz und Mitarbeiter (siehe Abbildung 1).

Die Effekte der Krise fallen vielfältig und zum Teil gegenläufig aus. So müssen Verwaltungen mit höheren Aufwänden bei der Vermietung aufgrund des Nachfragerückgangs im Geschäftsflächenmarkt sowie Mehraufwänden bei Besichtigungen und Abnahmen durch Abstandsregeln und Hygienevorschriften rechnen. Gleichzeitig ist eines heute schon klar: Verwaltungshonorare von kommerziellen Liegenschaften sind seit der Corona-Krise um knapp 20 Prozent gesunken, da Mieten in der Regel die Berechnungsgrundlage für die Honorare darstellen.

Die niedrigere Belegung von Geschäftsliegenschaften sorgt einerseits für geringere Verbräuche bei Strom und Wasser sowie für weniger Abfallmengen, andererseits für einen reduzierten Aufwand bei Reinigung und Pflege. So wurden 10 Prozent geringere Kosten für Hauswartung/Reinigung bei kommerziellen Liegenschaften verzeichnet, gleichzeitig gab es Zusatzaufträge für Desinfektionsmittel.

Abbildung 1: Mögliche Auswirkungen durch aktuelle Entwicklungen im Workplace Management Quelle: pom+Consulting AG

Gleichzeitig sind die Kosten für Heizung um knapp 20 Prozent, für Strom um 15 Prozent und für die Entsorgung um 60 Prozent zurückgegangen. Dringliche Unterhaltsarbeiten wurden im letzten Jahr aufgeschoben und werden erst in den kommenden Monaten abgearbeitet, was zu einem Rückgang der Unterhaltskosten von rund 25 Prozent führt. Auch die Abnützung dürfte geringer ausfallen und zu tieferen Aufwänden bei der Instandhaltung führen (siehe Abbildung 2).

Ganz anders ist die Situation im Wohnungsmarkt: Die steigende Nutzungsintensität von Wohnobjekten sorgt für höhere Verbräuche von Strom und Wasser. Lockdown, Homeoffice und Online-Meetings führen zu 10 bis 15 Prozent mehr Mieterstrom.

Digitalisierung wird weiter beschleunigt

Die Corona-Pandemie wird die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft fraglos weiter beschleunigen. Die Konsequenzen daraus werden sich im Gebäudesektor insbesondere bei der Quantifizierung des Nutzens in Bezug auf die drei Aspekte Soziales, Umwelt und Wirtschaft zeigen: Um KPIs, Kennzahlen und Zieldefinitionen einhalten und daraus Maßnahmen für alle drei Gruppen ableiten zu können, müssen Daten kontinuierlich erfasst, gemessen und interpretiert werden. Das erste Problem ergibt sich dabei bereits bei der Wahl des Berechnungsansatzes - der Austausch von Daten über den gesamten Immobilienlebenszyklus muss international verbindlich geregelt werden.

Die aktuell laufenden Bemühungen bei der Standardisierung von Datenmodellen verleihen den Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit einen weiteren Schub. Die zweite Herausforderung ist die bis heute vorherrschende, eindimensionale Betrachtung von Nachhaltigkeit im Gebäudesektor, die sich häufig auf einige einzelne Faktoren innerhalb einzelner Lebenszyklusphasen beschränkt.

Nachhaltigkeit muss ähnlich wie eine Vollkostenrechnung betrachtet werden: Rechnen wir nur die Fixkosten ein, erhalten wir zwar eine punktuelle Aussage, erfassen aber nur einen kleinen Teilbereich des ganzen Bildes. Nachhaltigkeit ist als Dimension über alle Phasen des Lebenszyklus einer Immobilie hinweg zu verstehen und muss sowohl bei der Planung und Finanzierung als auch im Bau und Betrieb und bei der Verwertung berücksichtigt werden. Ein phasenübergreifendes Datenmanagement bildet dabei die Basis für ein durchgängiges Nachhaltigkeitsmanagement.

Abbildung 2: Auswirkungen der Pandemie auf die Bewirtschaftungskosten kommerzieller Liegenschaften (in Prozent) -70 Quelle: pom+Consulting AG

Rendite und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus

Die wohl wichtigste Errungenschaft der letzten Jahre im Kampf gegen den Klimawandel im Gebäudesektor dürfte die Erkenntnis sein, dass sich Rendite und Nachhaltigkeit nicht ausschließen - im Gegenteil. Die Betrachtung der Lebenszykluskosten ist dabei von entscheidender Bedeutung für den Werterhalt von Immobilien. Eine verlässliche Berechnung der Folgekosten von Investitionsentscheiden bereits in der Planungsphase beeinflusst den späteren Marktwert: So machen die Betriebs- und Unterhaltskosten über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes hinweg bis zu 40 Prozent der Gesamtkosten aus. Energiekosten fallen dabei normalerweise mit bis zu 25 Prozent ins Gewicht.

Die Höhe der Betriebskosten wie auch der Treibhausgasemissionen werden von verschiedenen bauspezifischen Faktoren wie Baujahr, Bausubstanz, den verwendeten Materialien und dem Anteil regenerativer Energiequellen beeinflusst. Aber auch die Architektur, der Ausbaustandard und der Technologisierungsgrad einer Liegenschaft spielen eine Rolle. Zusätzlich zeichnen rechtliche Vorschriften wie etwa CO2-Benchmarks oder Steuerabgaben für die Höhe der Betriebskosten verantwortlich.

Das Momentum nutzen

Corona hat im Immobilienmarkt einiges in Bewegung gebracht, was vor kurzem noch unantastbar schien. Dieses Momentum gilt es nun als Chance zu nutzen, um die Akteurinnen und Akteure der ganzen Wertschöpfungskette in eine neues "Nach-Corona-Zeitalter" zu katapultieren. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind dabei die wesentlichen Treiber.

Rahel Mulle , Head of Service Unit Performance, pom+Consulting AG, Zürich
Rebeka Ruppel , CEO, pom+Deutschland GmbH, Frankfurt am Main

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