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SECURITY-TOKEN IM SACHWERTESEGMENT: VIRTUELLE VEHIKEL VERÄNDERN DIE FONDSWELT

Ludger Wibbeke, Foto: HANSAINVEST

Kaum zu glauben, aber bis vor kurzem galt in Deutschland noch zivilrechtliches Wertpapierrecht von 1896. Dies schrieb unter anderem vor, dass Wertpapiere zwingend in einer Papierurkunde verbrieft werden müssen. Doch dank dem am 6. Mai 2021 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf zur Einführung von elektronischen Wertpapieren ist nun auch hierzulande der Weg ins digitale Zeitalter geebnet. Der Frage, welche Chancen und Herausforderungen das Gesetz im Bereich Immobilieninvestments mit sich bringt, widmet sich der Autor des folgenden Beitrags. Sein Fazit: Blockchainbasierte Vehikel für Sachwertanlagen werden klassische Investmentlösungen wie Fonds zwar nicht von heute auf morgen ablösen, sich gleichwohl aber zu einer gleichberechtigten Alternative entwickeln. Red.

Mit dem Fondsstandortgesetz (FoStoG) und dem Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) gibt es seit jüngstem erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Einführung von Kryptofonds. Ein bis heute durchaus kryptischer Begriff, der ganz unterschiedliche Strukturen umfasst.

Sämtliche Informationen verteilt auf einer Vielzahl von Rechnern

Denn Kryptofonds können einerseits Fonds sein, die in Kryptowerte investieren, also mittels Distributed Ledger Technologie (DLT) kreierte digitale Wertpapiere, sogenannte Security-Token. Prinzipiell lässt sich fast jedes Investment derart digitalisieren. Interessant erscheint insbesondere die Möglichkeit, Eigentumsrechte an Immobilien und anderen Sachwerten rein digital zu erfassen und zu verwalten. Andererseits ist zu erwarten, dass sich künftig auch Fondsanteile selbst in tokenisierter Form handeln lassen werden.

Die dahinterstehende Technologie ist die Blockchain als spezielle Ausprägung einer DLT. Sie ist im Prinzip eine dezentral organisierte Datenbank, bei der sämtliche Informationen auf einer Vielzahl von Rechnern verteilt sind. Im Fall tokenisierter Vermögensgegenstände zählen zu diesen Informationen Eigentumsrechte und damit verbundene Ansprüche sowie Transaktionen dieser Rechte, ebenso wie sämtliche weitere Gestaltungsmerkmale.

Dazu gehören vor allem eine eindeutige Identifizierung des Anlageobjekts und die Anzahl der angebotenen Token sowie ihr Ausgabepreis. Zusammengefasst werden diese Informationen in sogenannten Smart Contracts, die als verschlüsselter Code auf dem dezentralen Netzwerk festgehalten werden.

Die Immobilienanlage wird liquide

Blockchain-Befürworter führen eine Menge Vorteile an, die tokenisierte Wertpapiere gegenüber traditionellen Anlageformen auszeichnen. So gibt es beispielsweise keine Mindestanlagesummen; hinzu kommen geringe Transaktionskosten, schnelle Übertragung, Fälschungssicherheit und Transparenz.

Das gilt insbesondere im Sachwertesegment und für andere illiquide Vermögensgegenstände - gerade auch für Immobilien. Durch die Tokenisierung werden sie liquide und jederzeit in Echtzeit an entsprechenden Börsenplätzen oder direkt zwischen Marktteilnehmern handelbar.

Kein direkter Eigentumserwerb - bislang

Angesichts der genannten Vorteile gehen Optimisten davon aus, dass sich die virtuellen Vehikel schnell als Standard für viele Formen der Vermögensanlage etablieren werden. Tendenzen zur Tokenisierung von Sachwerten gibt es im Immobiliensektor seit rund zwei Jahren: Nach erfolgreicher Platzierung des ersten durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligten Immobilien-Tokens im Frühjahr 2019 gibt es derzeit rund eine Handvoll weiterer Blockchain-basierter Immobilieninvestmentangebote.

Anders als häufig suggeriert repräsentieren die Token allerdings kein direktes Eigentum an Anteilen der entsprechenden Immobilien. Vielmehr handelt es sich bei den bisherigen Security-Token-Offerings (STOs) um indirekte Immobilieninvestments in Form qualifiziert nachrangiger Schuldverschreibungen.

FoStoG erweitert das Anlagespektrum für offene Spezialfonds

Das könnte sich angesichts der neuen Gesetzeslage zügig ändern. So sind zwar etliche Vorschriften des FoStoG kritikwürdig, weil sie allenfalls in Teilen die versprochenen Erleichterungen und Entbürokratisierungen für die Fondsverwaltung bringen, während sie den Aufwand an anderen Stellen sogar erhöhen.

Aber immerhin erweitert das FoStoG, das im Wesentlichen das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), das Investmentsteuergesetz (InvStG) sowie Einkommensteuergesetz (EStG) und Umsatzsteuergesetz (UStG) abändert, das Anlagespektrum für offene Spezialfonds mit festen Anlagebedingungen.

Künftig sind sämtliche Kryptowerte für die besonders verbreitete Fondsgattung erwerbbar, und zwar in Höhe von bis zu 20 Prozent des Fondsvermögens. Auch in investmentsteuerlicher Hinsicht werden Kryptowerte in den Anlagekatalog der Spezialinvestmentfonds mit entsprechender 20-Prozent-Grenze aufgenommen.

Wünschenswert wäre freilich gewesen, dass in das Gesetz auch explizite Vorschriften zur Tokenisierung von Fondsanteilen aufgenommen werden, um auch in diesem Bereich der technologischen Entwicklung Rechnung zu tragen und ein klares Bekenntnis zu einer zeitgemäßen Modernisierung des Fondsrechts abzugeben - gerade auch, um dadurch tatsächlich die Wettbewerbschancen des Fondstandorts Deutschland zu steigern.

eWpG: spätere Ausweitung auf Fondsanteile

Zumindest im Ansatz geregelt ist die Tokenisierung von Fondsanteilen im eWpG, das als Kernstück der Blockchain-Strategie der Bundesregierung gilt und unter anderem die Einführung von Wertpapieren über die Blockchain ermöglicht. Die Regelungen des eWpG betreffen aber vorerst nur Inhaberschuldverschreibungen.

Eine Öffnung für weitere Inhaberpapiere ist später vorgesehen. Zudem hat der Gesetzgeber zum Ende des Verfahrens noch etwas Wesentliches ergänzt: Durch eine Änderung des KAGB soll eine spätere Ausweitung des Anwendungsbereichs des eWpG auf Fondsanteile ermöglicht werden.

Zunächst sieht das eWpG die elektronische Begebung von Inhaberschuldverschreibungen durch Eintragung in ein elektronisches Register vor. Damit entfällt die bislang zwingend in Papierform auszufertigende Urkunde. Dabei sieht das Gesetz zwei Arten von elektronischen Wertpapierregistern vor: zentrale Wertpapierregister und dezentrale, also auf Basis einer DLT geführte Kryptowertpapierregister - auch wenn der Gesetzestext bewusst technologieneutral gehalten ist.

Klare Anforderungen für die Registerführer

Während der Registerführer eines zentralen Wertpapierregisters ein Zentralverwahrer oder eine Depotbank sein muss, gibt es auch klare Anforderungen für die Registerführer der dezentralen Kryptowertpapierregister. Sie brauchen eine Erlaubnis als Finanzdienstleistungsinstitut und müssen im Interesse des Anlegerschutzes gewährleisten, dass das Kryptowertpapierregister auf einem fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt wird, in dem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden.

Wichtig erscheint, dass die genannte Einführung elektronischer Anteilsscheine für Sondervermögen zunächst zwingend die Eintragung in ein zentrales Wertpapierregister vorsieht. Mangels eines Verweises auf die Vorschriften zum Kryptowertpapierregister können sie nicht in einem solchen geführt werden.

Allerdings enthält das Gesetz eine Verordnungsermächtigung, die dem Finanzministerium die Möglichkeit eröffnet, auf dem Verordnungsweg auch elektronische Fondsanteile einzuführen, die in ein dezentrales Kryptoregister eingetragen sind. Abzuwarten bleibt die genaue Ausgestaltung einer entsprechenden Verordnung und der Zeitpunkt der Umsetzung. Im Beschlusstext des Finanzausschusses jedenfalls ist erwähnt, dass eine Verordnung innerhalb von sechs Monaten nach der Bundestagswahl erlassen werden soll.

Luxemburg als Vorbild?

Größere Bedeutung als die Tokenisierung von Fondsanteilen selbst dürfte indessen zunächst die vom FoStoG eröffnete Möglichkeit sein, in Kryptowerte zu investieren. Allerdings sind auch hier die Grenzen zu berücksichtigen, die das Gesetz für derartige Investments vorsieht. So stellt sich die Frage, ob eine tokenisierte Immobilie dem Kryptoanteil des Fonds zugerechnet werden sollte oder doch anhand des Underlyings, also der Immobilie, kategorisiert wird. Immerhin ergeben sich aber schon jetzt einige alternative Strukturierungsmöglichkeiten.

Einen möglichen Weg in die Zukunft weist der Blick nach Liechtenstein. Im Fürstentum erlaubt das "Token- und VT-Dienstleister-Gesetz" (TVTG) - VT steht dabei für "Vertrauenswürdige Technologien" - seit Anfang 2020 eine Tokenisierung von Immobilien, Kunstwerken, Oldtimern und anderen Sachwerten, aber auch von Aktien und Anleihen.

Dabei hat das auch "Blockchaingesetz" genannte TVTG Token als eigenständiges Rechtsinstrument festgelegt und einen klaren Rechtsrahmen geschaffen. Es scheint durchaus denkbar, dass sich auch hierzulande in nicht allzu ferner Zukunft direkte Eigentumsrechte an Immobilien, aber auch Immobilien- und anderen Sachwertefonds in tokenisierter Form handeln lassen werden.

Auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Alternative

Sicherlich werden Blockchain-basierte Vehikel für Sachwertanlagen klassische Investmentlösungen wie Fonds nicht von heute auf morgen ablösen. Sie werden sich aber zu einer gleichberechtigten Alternative entwickeln. Darauf sollten sich alle beteiligten Akteure, vom Anbieter über die heutigen Asset-Servicing-Gesellschaften bis hin zum Anleger, einstellen.

Ludger Wibbeke , Geschäftsführer Real Assets , HANSAINVEST Hanseatische Investment-GmbH
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