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EIN SITZ IN DER HAUPTSTADT - CORPORATE REAL ESTATE IN BERLIN

Annika Steiner, Foto: Wüest Partner Deutschland

Zahlreiche mittelständische Unternehmen haben Berlin in den vergangenen Jahren als attraktiven Standort ausgemacht. Dazu tragen ein günstiges Preisniveau, eine hervorragende demografische Lage und eine Vielzahl renommierter Wissenschaftsinstitutionen bei. Besonders die in der Provinz ansässigen Unternehmen schauen im Rahmen einer Personalgewinnung auf die kontinuierlich wachsende Hauptstadt. Für die Autorin ist die Situation deshalb klar: Berlin muss im Rahmen eines professionellen Corporate Real Estate Management (CREM) eine tragende Rolle spielen. Red.

Immobilien haben innerhalb der Gesamtstrategie eines Unternehmens in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Ursache hierfür liegt nicht allein im Kostenfaktor Immobilie - immerhin stellen Gebäude und Liegenschaften nach Berechnungen der TU Darmstadt 10 bis 20 Prozent der Gesamtkosten eines Unternehmens dar. Immobilien stehen darüber hinaus im Zentrum der Globaltrends Nachhaltigkeit und neue Arbeitswelten.

Hochburg für Start-ups

Eine DGNB-Zertifizierung für die neue Niederlassung ist in diesem Sinne ein elementarer Bestandteil der Nachhaltigkeitsberichterstattung und ein wirkungsvolles Signal an Kapitalgeber und Kunden. Eine moderne Arbeitsatmosphäre mit großzügig gestalteten Räumen und separaten Kommunikationsflächen wird zum entscheidenden Faktor für die Produktivität der Mitarbeiter.

Im Vorfeld der Überlegungen zur Ausgestaltung der Immobilie steht gleichwohl ihr Standort. In früheren Zeiten entstand ein Unternehmen am Wohnort des Gründers, im Erfolgsfall wuchs parallel zum Geschäftsausbau die Einwohnerzahl der Gemeinde. Heute lassen sich Gründer von einer inspirierenden Kreativatmosphäre leiten, etablierte Unternehmen suchen den Austausch mit ihnen zur Ausweitung der eigenen Geschäftsfelder. Mit 111 Unternehmensgründungen pro 10 000 Einwohner und Jahr steht Berlin deutschlandweit an der Spitze (siehe Abbildung 1).

Rund 500 Unternehmen entstehen jedes Jahr in der Hauptstadt im Bereich der Zukunftstechnologien. Die vielzitierte Startup-Metropole konnte laut Angaben von EY im ersten Halbjahr 2019 rund zwei Milliarden Euro Investitionsvolumen in Start-ups verbuchen und lag damit europaweit auf Platz drei hinter London (5,7 Milliarden Euro) und Paris (2,2 Milliarden Euro).

Ein weiteres wichtiges Kriterium für eine Unternehmensniederlassung ist die Bevölkerungsentwicklung am Standort. Im "Kampf um die Talente" leiden mittelständische Unternehmen trotz florierender Geschäfte unter dem Malus des schrumpfenden ländlichen Raums. Bis 2030 werden bereits 60 Prozent der deutschen Bevölkerung in Städten leben.

Günstige demografische Voraussetzungen

Kleine Gemeinden können nur noch im Umkreis großer Städte fortbestehen, die Metropolregion wird zur neuen Referenzmarke in Deutschland. Für ein attraktives Erscheinungsbild auf dem Personalmarkt wie auch den vereinfachten Austausch mit Geschäftskunden und Interessensvertretungen wird der Unternehmenssitz in einer Großstadt zu einem bedeutsamen Erfolgsfaktor.

Berlin zählt als Hauptstadtregion mit den Umlandgemeinden rund sechs Millionen Einwohner, 40 Prozent der Stadtberliner sind unter 35 Jahren (siehe Abbildung 2). Mit zuletzt rund 40 000 Einwohnern mehr pro Jahr bleibt die Spreemetropole ein Magnet für junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte, die die außergewöhnliche Internationalität der Stadt schätzen. Keine andere Stadt in Deutschland kann demografische Werte dieser Größenordnung aufweisen. Darüber hinaus ist Berlin Zentrum für Regierung und Verbände - und somit der Ort, wo sich die Vertretung der jeweiligen Branchenanliegen kristallisiert.

Nähe zu Wissenschaft und Forschung unabdingbar

Unternehmen leben von Innovationen, die ihren Ursprung nicht selten in der Forschung haben. Die Nähe zu akademischen und wissenschaftlichen Institutionen dient also nicht nur einem effizienten Recruiting, sondern auch einer Wissensvernetzung für die Zukunftsfähigkeit des eigenen Produktes. Die Hauptstadt punktet mit vier Universitäten, die im Verbund sogar das Exzellenzsiegel des Wissenschaftsrates des Bundes erhalten haben, und 36 staatlich anerkannten Hochschulen. Im Umfeld dieser höheren Bildungseinrichtungen haben sich Technologieparks und Start-up-Cluster gebildet, die Fachinstitute und junge Gründer zusammenführen.

In Berlin allein gibt es 18 explizit ausgewiesene Standorte dieser Art für Forschung und Innovation. Über 200 000 Menschen sind in den diversen akademischen Einrichtungen der Hauptstadt beschäftigt. Vergleichsweise hohe Werte verzeichnet der Anteil ausländischer Hochschulangehöriger: Nach Angaben der Stadt ist jeder fünfte Student nicht-deutscher Herkunft, unter den Dozenten und Forschern liegt der Anteil internationaler Wissenschaftler bei 16 Prozent.

Berlin lockt mit einer bemerkenswerten Verfügbarkeit von Flächen. Derzeit sind es nach Angaben des Wirtschaftssenats rund 3 000 Hektar freie Gewerbeflächen, die im Rahmen des Entwicklungskonzeptes für den produktionsgeprägten Bereich (EpB) auch zusammenhängende Flächenentwicklungen erlauben. Zu den aktuellen Großvorhaben der Stadt Berlin zählen dabei der Cleantech Business Park im Bezirk Marzahn-Hellersdorf mit rund 90 Hektar, der Flughafen Tegel, der nach seiner Schließung als "Urban Tech Republic" gewerblich nutzbare Flächen von 210 Hektar umfasst und die Siemensstadt 2.0, die auf zirka 70 Hektar im Stadtteil Spandau entstehen soll.

Dass Berlin über seine Landesgrenze hinaus attraktiv für Gewerbeansiedlungen ist, zeigt die Entscheidung von US-Elektroauto- und Batteriehersteller Tesla, seine neue Gigafactory im angrenzenden Grünheide auf 300 Hektar zu verwirklichen.

Immobilientyp abhängig von der Positionierung

Eine Unternehmensimmobilie in Berlin kann unterschiedliche Formen annehmen. Für eine Niederlassung mit repräsentativem Charakter eignet sich die Hauptstadt mit ihrer Fülle an Gewerbehöfen und Stadtpalais aus der Epoche der Industrialisierung in besonderer Weise. Mit der entsprechenden baurechtlichen und technischen Expertise können diese architektonischen Prunkstücke aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert für Corporates zu Konzernrepräsentanzen, Bildungsakademien, Kulturforen oder Veranstaltungszentren umfunktioniert werden. Diese Vielfalt an Funktionen entspricht den ausgeprägten Aktivitäten modern aufgestellter Unternehmen, die sich heute als Kultursponsor, Bildungsträger und Akteur sozialen Engagements präsentieren.

Ein weiteres Beispiel einer Unternehmensrepräsentanz stellen die Markenwelten großer Unternehmen dar. Automobilkonzerne leisteten Pionierarbeit für diese Form öffentlichkeitswirksamer Produktpräsentation. Großzügige, zentral gelegene Flächen mit attraktivem Design bilden den Rahmen für eine breite Kundenansprache. Eine hohe Reputation, die sich aus Produktqualität wie auch einem modernen und ansprechenden Erscheinungsbild ergibt, hat eine unmittelbare Wechselwirkung auf den Unternehmenserfolg.

Dies gilt umso mehr für Unternehmen mit internationalen Vertriebswegen. Mit seinem Ruf als beliebte, junge und kreative Metropole sowie rund 13,5 Millionen Touristen pro Jahr eignet sich Berlin in besonderer Weise für diese spezielle Form der Unternehmensimmobilie.

Immobilien gehören auf die Agenda des Mittelstands

Viele, vor allem mittelständische Unternehmen besitzen keine eigenen Fachabteilungen für ihre Unternehmensimmobilien. Die seit rund 25 Jahren bestehende Fachdisziplin Corporate Real Estate Management (CREM) ist noch nicht flächendeckend in der Wirtschaftswelt verankert. Dementsprechend finden Immobilien häufig keinen Eingang in die Gesamtstrategie des Unternehmens. Faktoren wie Standorte, Vertriebswege oder die Außendarstellung stehen gleichwohl im direkten Kontext zur Gesamtpositionierung des Unternehmens und finden ihren unmittelbaren Ausdruck in den jeweiligen Unternehmensimmobilien.

Ohne eine unternehmenseigene CREM-Abteilung bedarf es eines umfassenden Dienstleisters, der die Immobilienplanung mit den Unternehmenszielen zu verknüpfen weiß. Es gilt, den vollständigen Prozessverlauf von der Grundstückssuche bis zur schlüsselfertigen Übergabe beziehungsweise von der Objektsuche bis zur Flächenplanung im Bestandsobjekt abzudecken, um gerade ortsfremden Unternehmen mit einer breiten Kenntnis des lokalen Immobilienmarktes entgegenzukommen.

Sättigung des Marktes ist nicht in Sicht

Berlin wächst dank kontinuierlichen Zuzugs, wirtschaftlichen Aufschwungs und einer großen Investitionsnachfrage aus dem In- und Ausland. Doch der Markt ist weit entfernt von einer Sättigung und bietet gerade im bundesweiten Vergleich außergewöhnliche Möglichkeiten als Standort für Unternehmen. Je größer die Firma, desto mehr lohnt es sich, an der Berliner Erfolgsstory mit seiner weltweiten Resonanz teilzuhaben. Es ist Zeit für einen Sitz in der Hauptstadt.

DIE AUTORIN ANNIKA STEINER Head of Research, Wüest Partner Deutschland, Berlin
Annika Steiner , Head of Research, Wüest Partner Deutschland, Berlin

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