MÄRKTE

SPANIEN: FOLGEN UND AUSWIRKUNGEN DER COVID-19-PANDEMIE AUF GEWERBLICHE MIETVERHÄLTNISSE

Janis Amort, Foto: Monereo Meyer Abogados

Begleitet von teils heftigem Widerstand ist der Corona-bedingte Lockdown in Spanien am 20. Mai bereits zum fünften Mal verlängert worden. Einen entsprechenden Antrag der Regierung nahm das Parlament mit knapper Mehrheit an. Zur weiteren Eindämmung der Pandemie ist dies sicher ein vernünftiger Schritt, mit Blick auf die wirtschaftliche Zukunft Spaniens werden die Sorgen hingegen immer größer - nicht zuletzt auch im Bereich der gewerblichen Mietverhältnisse. Über die aktuellen rechtlichen Entwicklungen in diesem Zusammenhang berichtet der Autor des folgenden Beitrags. Red.

Spanien ist eines der von der aktuellen Covid-19-Pandemie am stärksten betroffenen Länder der Europäischen Union beziehungsweise weltweit. Die seitens der spanischen Regierung zur Bekämpfung der gesundheitlichen Situation ergriffenen Maßnahmen, die in ihrer Reichweite deutlich über die in Deutschland verhängten Einschränkungen hinausgehen, lassen selbstverständlich auch den Bereich gewerblicher Mieten nicht unberührt. In diesem Zusammenhang ist neben den verschiedenen Arten der Vermietung nach Assetklassen vor allen Dingen zwischen folgenden Fällen zu differenzieren: (i) Folgen, die auf einem allgemeinen krisenbedingten Rückgang der Geschäftszahlen beruhen und (ii) Folgen, die durch staatlich oder behördlich angeordnete Schließungen verursacht beziehungsweise verschärft werden.

Gesetzliche Maßnahmen seit dem 14. März 2020

Nach einem sprunghaften Anstieg der Corona-Fallzahlen in der zweiten Märzwoche rief die spanische Regierung mittels des Königlichen Dekrets 463/2020 vom 14. März (Real Decreto 463/2020, de 14 de marzo, nachfolgend "RD 463/2020") einen landesweiten Notstand in Form des sogenannten Alarmzustandes (estado de alarma) aus, der ursprünglich 15 Tage andauern sollte. Mittlerweile wurde dieser Alarmzustand jedoch bereits fünf Mal seitens des Parlaments verlängert, zuletzt bis zum 7. Juni 2020.

Auf Grundlage von Artikel 10 des genannten RD 463/2020 wurde unter anderem folgende Schließungsanordnung von spanischen Geschäftsbetrieben bestimmt: "Die Öffnung von Einzelhandelsgeschäften wird ausgesetzt, mit Ausnahme von Einzelhandelsgeschäften für Lebensmittel, Getränke, Grundbedarfsgüter, Arzneimittel, medizinische, optische und orthopädische Produkte, Hygieneartikel, Presse- und Schreibwaren, Kraftstoffe, Tabakwaren, technische und Telekommunikationsgeräte, Tiernahrung, Internet-, Telefon- oder Versandhandel, chemische Reinigung und Wäschereien. Jede andere Tätigkeit oder Einrichtung, die nach Ansicht der zuständigen Behörde ein Ansteckungsrisiko darstellen könnte, wird ausgesetzt." Weiterhin wurde eine landesweite allgemeine Ausgangsbeschränkung verhängt, die Ausnahmen nur für wichtige Aktivitäten, wie zum Beispiel Einkauf, Arztbesuch, Arbeit, zulässt.

Spezifisch mietrechtliche Bestimmungen zu Wohnraum ...

Zur weiteren Ausführung des RD 463/2020 wurde kurz danach mittels des Königlichen Gesetzesdekrets 10/2020 (Real Decreto-ley 10/2020, de 29 de marzo) im Sinne einer arbeitsrechtlichen Maßnahme eine sogenannte "bezahlte Sonderfreistellung" (permiso retribuido) verfügt, nach der Angestellte und Arbeitnehmer, die keiner "wesentlichen Tätigkeit" nachgehen, im Zeitraum vom 30. März bis 9. April 2020 zwingend von ihrer Arbeitsleistung freigestellt wurden. Auch diese wiederum landesweit geltende Sonderfreistellung wirkte sich im Ergebnis für viele Betriebe schließungsähnlich aus.

Zunächst wurden mittels Königlichen Gesetzesdekrets 11/2020 vom 31. März (Real Decreto-ley 11/2020) spezielle Bestimmungen für spanische Wohnraummieten im Hinblick auf den Ausfall von Mietzahlungen getroffen. Hiernach können Mieter, deren Mietverträge unter das spanische Gesetz für städtische Mieten (Ley 29/1994, de 24 de noviembre, de Arrendamientos Urbanos, kurz "LAU") fallen, und die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden, vom Vermieter einen außerordentlichen und zeitlich befristeten Aufschub verlangen, sofern es sich bei diesem um ein Unternehmen oder eine öffentliche Wohnungsgesellschaft handelt oder aber um einen sogenannten Großvermieter.

Die Eigenschaft des Großvermieters wird, auch im Falle natürlicher Personen, angenommen, wenn dieser Inhaber von mehr als zehn städtischen Immobilien (Garagen und Lagerräume werden nicht einberechnet) oder bebauten Flächen von in der Summe mehr als 1 500 Quadratmetern ist.

... und Gewerbemieten

Gewerbliche Mietverhältnisse zeichnen sich in Spanien durch ein hohes Maß an Vertragsfreiheit aus, weshalb zur Bestimmung der gegenseitigen Vertragspflichten in jedem Fall die konkreten Vertragsregelungen heranzuziehen sind. Weiterhin ist der Mieter nach spanischem Recht dazu verpflichtet, seine Zahlungspflichten selbst im Falle der Einschränkung des Gebrauchs der Mietsache zu erbringen. Folglich führen äußere Umstände oder Einflüsse, die die Tätigkeit des Mieters, aber nicht die Mietsache an sich betreffen (etwa die allgemeine wirtschaftliche Situation, Schwankungen im Konsumverhalten et cetera), nicht automatisch zu einer Reduzierung oder Aussetzung der Mieten, sodass vielmehr auch in diesen Fällen vom Grundsatz des Einhaltens geschlossener Verträge auszugehen ist.

"Härtefälle" können als Ausnahmen durch die seitens der spanischen Rechtsprechung entwickelten Institute der "Höheren Gewalt" oder des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" gelöst werden, wobei diese Rechtsfiguren üblicherweise restriktiv angewendet werden. Nach dem Erlass konkreter Bestimmungen für Wohnraummieten auf Grundlage des zuvor genannten Königlichen Gesetzesdekrets 11/2020 stand die spanische Regierung in der Kritik, keine entsprechenden Maßnahmen im Bereich der gewerblichen Mietverhältnisse getroffen zu haben.

Dies holte sie mittels des Königlichen Gesetzesdekrets 15/2020 vom 21. April (Real Decreto-ley 15/2020) nach, auf dessen Grundlage die Mieter gewerblich genutzter Immobilien bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit haben, einen Aufschub der Mietzahlungspflichten für maximal zwei Jahre zu erreichen. Im Unterschied zu den Krisenregelungen in anderen Ländern wurde in Spanien hierbei exakt definiert, welche Mietergruppen besonders schutzwürdig sind und daher die Stundungsregelung in Anspruch nehmen dürfen und wer als Großvermieter einzustufen ist und daher den Aufschub zwingend zu gewähren hat.

Anforderungen an Mieter und Vermieter

Schutzwürdige Mieter sind nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die als Selbstständige oder Kleinunternehmen die mietgegenständliche Immobilie zur Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nutzen. Als kleine Unternehmen gelten dabei nur solche, die die Bestimmungen von Artikel 257.1 des spanischen Kapitalgesellschaftsgesetzes erfüllen. Weiterhin müssen die Mieter in besonderer Weise durch die Corona-Pandemie betroffen sein: Dies gilt zum einen für Mieter, deren Geschäftstätigkeit aufgrund der Anordnungen der spanischen Behörden oder kraft eines Regierungserlasses ausgesetzt wurde. Zum anderen können jedoch auch Mieter, die nicht unmittelbar durch behördliche Schließungen betroffen sind, sondern ihrer Geschäftstätigkeit grundsätzlich weiterhin nachgehen könnten, eine persönliche Betroffenheit geltend machen, sofern ihr Umsatz in dem der Antragstellung vorangehenden Kalendermonat um 75 Prozent niedriger ausfällt als der durchschnittliche Monatsumsatz im Quartal des entsprechenden Kalendermonats des Vorjahres.

Auf Vermieterseite wird wiederum auf Unternehmen oder öffentliche Wohnungsgesellschaften beziehungsweise sogenannte Großvermieter (grandes tenedores) abgestellt. Die Eigenschaft des Großvermieters ist, unabhängig davon ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt, anzunehmen, wenn dieser Inhaber von mehr als zehn städtischen Immobilien (ohne Garagen oder Lagerräume) oder bebauten Flächen von in der Summe mehr als 1 500 Quadratmetern ist. Der Mietaufschub setzt weiterhin eine Antragstellung des Mieters beim Vermieter voraus, gilt dann aber automatisch während der Dauer des Alarmzustandes samt dessen Verlängerungen sowie der darauffolgenden Monate (jeweils im Ein-Monats-Rhythmus), sofern dies aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie notwendig sein sollte, wobei vier Monatsmieten nicht überschritten werden können.

Keine Zinsen und Strafzahlungen

Die aufgeschobene Miete ist dann verteilt über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren neben den regulären Mieten zu begleichen, wobei keine Zinsen oder Strafzahlungen fällig werden. Die Frist beginnt ab Behebung der zuvor beschriebenen Situation beziehungsweise nach Ablauf der vier Monate, jedoch in jedem Fall begrenzt auf die Laufzeit des Mietverhältnisses oder seiner jeweiligen Verlängerungen. Sofern der Vermieter die vorgenannten Anforderungen (Unternehmen oder öffentliche Wohnungsgesellschaften beziehungsweise Großvermieter) nicht erfüllt, kann der Mieter ebenfalls einen Antrag auf Aufschub stellen, wobei in diesem Falle die Wirkungen nicht automatisch eintreten, sondern nur bei einer Einigung mit dem Vermieter.

Zu beachten ist, dass zwischen den Parteien getroffene Individualvereinbarungen, zum Beispiel bezüglich eines Aufschubs oder Reduzierung der Miete, der gesetzlichen Regelung vorgehen. Im Rahmen solcher Individualvereinbarungen können ausnahmsweise auch die Beträge der gesetzlichen Mietkaution für die Begleichung der Mieten verwendet werden. In diesem Falle hat der Mieter die verwendeten Kautionsbeträge innerhalb eines Jahres ab dem Datum der Vereinbarung zu ersetzen beziehungsweise innerhalb der restlichen Vertragslaufzeit, sofern diese kürzer als ein Jahr sein sollte.

Die vorgenannten gesetzlichen Regelungen zu gewerblichen Mietverhältnissen sind vielfach als "Schnellschuss" kritisiert worden. Zum einen wird bemängelt, dass nicht sämtliche durch die Covid-19-Pandemie betroffene Gewerbemietverträge unter den Anwendungsbereich fallen: Für diese Verträge wird auch weiterhin nur der Rückgriff auf die Rechtsfiguren der "Höheren Gewalt" und des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" bleiben, mit ungewissem Ausgang für beide Parteien, da die Beurteilung letztlich von den mit dieser Frage befassten Gerichten abhängt. Zudem ist der Gesetzestext stellenweise unklar formuliert, was ebenfalls nicht zur eigentlich beabsichtigten Rechtssicherheit beiträgt. Vonseiten der Mieter wird schließlich bemängelt, dass als einzige Maßnahme ein Zahlungsaufschub vorgesehen ist, nicht aber eine Reduzierung der geschuldeten Mieten im fraglichen Zeitraum.

Trotz der zuvor beschriebenen spanischen Sonderregelungen für von der Corona-Krise betroffene gewerbliche Mietverhältnisse besteht unserer Ansicht nach immer noch ein Restrisiko, dass spanische Gerichte sowohl im Falle behördlich angeordneter Schließungen, als auch bezüglich wirtschaftlicher Einbußen infolge der Pandemie die Anwendbarkeit der bereits erwähnten Figuren der "Höheren Gewalt" oder des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" bejahen könnten, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise für die Mieter abzumildern. Wir gehen jedoch davon aus, dass die spanischen Gerichte in derartigen Fällen versuchen werden, eine ausgleichende Lösung zu finden und die Folgen nicht nur einer der Vertragsparteien aufzuerlegen. Vor diesem Hintergrund ist jedoch allgemein zu empfehlen, möglichst eine spezifische Einigung mit dem Mieter zu erzielen, um etwaige Rechtsstreitigkeiten zu verhindern beziehungsweise diesen vorzugreifen.

Krisenfester Vertrag ist im Interesse beider Parteien

Im Hinblick auf zukünftig abzuschließende Mietverträge ist in jedem Falle anzuraten, konkrete Regelungen im Hinblick auf vergleichbare Situationen aufzunehmen und zu verhandeln: So könnte eine pandemiebedingte Krise als Fall der höheren Gewalt definiert und gegebenenfalls ausgeschlossen werden oder es ließen sich bestimmte Mechanismen zur Anpassung des Mietzinses im Falle wirtschaftlicher Krisensituationen vereinbaren. Insbesondere der letzte Punkt ist von Bedeutung, um die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglichst auszuschließen: Je spezifischer die Vertragsregelungen zu einer Flexibilisierung der Mietzahlungen im Krisenfall sind, desto eher dürften spanische Gerichte geneigt sein, die für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage benötigte außerordentliche Veränderung der Umstände, die zu einem groben Missverhältnis zwischen den Vertragsleistungen führt, abzulehnen.

Letztlich haben beide Parteien des Mietverhältnisses ein Interesse daran, dass sich ihr Vertrag als "krisenfest" erweist und somit eine gerichtliche Klärung, deren Ausgang sich nie mit letztendlicher Sicherheit voraussehen lässt, vermieden werden kann.

DER AUTOR JANIS AMORT Partner, Abogado & Rechtsanwalt, Monereo Meyer Abogados, Madrid
Janis Amort , Partner | Rechtsanwalt und Abogado , Monereo Meyer Abogados, Madrid
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