INTERNATIONALES IMMOBILIENGESCHÄFT

SPANIEN: NEUE SPIELREGELN BEI IMMOBILIENFINANZIERUNGEN

Stefan Meyer, Foto: Monereo Meyer Abogados

Spanien hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Gesetzesreformen realisiert, um die hausgemachte Immobilienkrise zu überwinden. Mit dem am 21. Februar 2019 durch das spanische Abgeordnetenhaus verabschiedete Gesetz über Immobilienkredite (Ley de Crédito Inmobiliario) wird nun ein weiterer ambitionierter Versuch unternommen, um den spanischen Hypothekenmarkt noch krisenfester zu machen. Die beiden Autoren erläutern im folgenden Beitrag die wichtigsten Änderungen des Gesetzeswerks. Im Mittelpunkt stehe vor allem der Schutz von Privatpersonen, die ihr Eigenheim finanzieren wollen. Dabei betonen sie, dass das spanische Hypothekengesetz durch die neuen Spielregeln nicht ersetzt, sondern lediglich an verschiedenen Stellen angepasst werde. Die Hypothek als wichtiges Instrument der dortigen Immobilienfinanzierung bleibe vollumfänglich erhalten. Red.

Kreditnehmer, Banken und Notare müssen sich in Spanien bei Immobilienfinanzierungen im wohnungswirtschaftlichen Bereich künftig auf neue Spielregeln einstellen. Grund dafür ist das am 21. Februar 2019 durch das spanische Abgeordnetenhaus verabschiedete Gesetz über Immobilienkredite (Ley de Crédito Inmobiliario). Dieses wird am 16. Juni 2019 (drei Monate nach der Veröffentlichung im Staatsanzeiger) in Kraft treten.

Zum Schutz von Privatpersonen

Das Gesetz setzt die EU-Richtlinie 2014/17/ EU um, geht an vielen Stellen jedoch über diese weit hinaus, um Missstände, die im Rahmen der hausgemachten spanischen Immobilienkrise (2008 bis 2014) bei Kreditvergaben zutage getreten waren, möglichst auszumerzen.

Sinn und Zweck des Gesetzes ist vor allem der Schutz von Privatpersonen, die ihr Eigenheim finanzieren wollen, also Schuldner, Bürgen oder Garanten eines hypothekarisch gesicherten Darlehens sind. Zu diesem Zweck werden eine Vielzahl von neuen Regelungsbereichen geschaffen, etwa neue Transparenzregeln für den Abschluss von Darlehensverträgen, die obligatorische Kreditwürdigkeitsprüfung, umfassende Mitwirkungspflichten für spanische Notare, verbraucherfreundliche Vorschriften im Be reich der Nebenkosten, ein "Cross-Selling"-Verbot sowie neue, sehr detailliert geregelte Vorschriften zur Vorfälligkeitsentschädigung.

Auf die Vorschriften zur Vorfälligkeitsentschädigung, Transparenzreglungen und die notariellen Mitwirkungspflichten als einer der Kernbereiche des neuen Konglomerates von Schutzvorschriften wird im Folgenden vertieft eingegangen.

Neue Transparenzregeln und deren Umsetzung

Im Speziellen gelten neue Transparenzregeln bezüglich vorvertraglicher Unterlagen, in Bezug auf die abzuschließenden Finanzierungsverträge und die Berechnung des effektiven Jahreszinses (TAE, "tasa anual equivalente") sowie der zwingenden Aushändigung des sogenannten europäischen standardisierten Merkblatts (FEIN, "ficha europea de información normalizada").

Alle Unterlagen müssen dem Darlehensnehmer mit einem Vorlauf von zehn Tagen vorliegen. Der spanische Gesetzgeber hat bei der Umsetzung dieser Richtlinie insbesondere vor dem Hintergrund der spanischen Immobilienkrise (2008 bis 2014) ein besonderes Augenmerk auf die vorvertragliche Phase gelegt und geht hier in den Regulierungen weiter, als dies durch die EU in der Richtlinie vorgegeben worden ist.

Wesentliches Ziel des Gesetzes ist eine umfassende und unmissverständliche Aufklärung des Darlehensnehmers sofern dieser Privatperson ist. Die Bank hat ab sofort umfassende Informationspflichten und muss detailliert über alle Risiken und sämtliche Aspekte des Finanzierungsgeschäftes informieren.

Der spanische Gesetzgeber geht in Bezug auf die Umsetzung dieser Transparenzregeln sehr weit: Er nimmt als unparteiische Informations- und Beratungsquelle den beurkundenden Notar in die Pflicht. Dieser wird zukünftig seitens des Darlehensnehmers bestimmt und nicht wie in der bisherigen Beurkundungspraxis seitens der Bank. Die Bank hat dem durch den Darlehensnehmer ausgewählten Notar sämtliche Unterlagen nachweisbar und mit ausreichend Vorlauf zum Beurkundungstermin zuzusenden.

Notarieller Test des Darlehensnehmers

Der Notar muss den Darlehensnehmer mindestens einen Tag vor der Beurkundung des Hypothekendarlehens vollumfänglich informiert haben und sicherstellen, dass dieser die Informationen auch verstanden hat. Laut dem Gesetz soll dies durch einen "Test" geschehen, den der Notar mit dem Darlehensnehmer durchführt.

Außerdem muss über die notarielle Aufklärung ein Protokoll erhoben werden, in dem der Notar feststellt, (i) dass dem Darlehensnehmer alle notwendigen Unterlagen mit einem Vorlauf von zehn Tagen vorgelegen haben, (ii) welche konkreten Fragen vom Darlehensnehmer gestellt wurden und wie der Notar diese beantwortet hat sowie (iii) der Umfang der Beratung über die im FEIN enthaltenen Regeln ist.

Die Beratung durch den Notar und das entsprechende Protokoll sind im Übrigen kostenfrei. Eine weitere Schwierigkeit praktischer Art, insbesondere für Kunden, die aus dem Ausland anreisen, besteht darin, dass nun mindestens zwei Tage für die notarielle Beurkundung eingeplant werden müssen.

Detaillierte Prüfung der Kreditwürdigkeit

Der spanische Gesetzgeber hat außerdem eine Pflicht der Bank zu einer umfangreichen Solvenzprüfung des Darlehensnehmers festgeschrieben. Hierbei werden unter anderem sämtliche Einkünfte gegenwärtiger und künftiger Art, soweit diese vorhersehbar sind, bereits bestehende Verbindlichkeiten und die laufenden Kosten und Ausgaben des Darlehensnehmers überprüft.

Darlehensgebern steht es nach dem neuen Gesetz auch frei, andere zweckmäßige Aspekte im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung zu berücksichtigen. In der Folge bedeutet dies eine nicht unerhebliche Anzahl von Unterlagen und Auskünften, die den Darlehensgebern zur Verfügung gestellt werden müssen.

Insbesondere für nicht der spanischen Sprache mächtigen, ausländischen Kunden bedeutet dies auch einen erheblichen Mehraufwand, da die Unterlagen übersetzt werden müssen. Insgesamt ist wohl anzunehmen, dass der neue Schutz des Verbrauchers auch mit höheren Kosten für denselben einhergehen wird. Es ist kaum davon auszugehen, dass Darlehensgeber ihren Mehraufwand nicht auf den Verbraucher in der einen oder anderen Form umlegen.

Neuregelung der Vorfälligkeitsentschädigung

Während nach altem Recht ein mittels Hypothek gesichertes Darlehen erst dann in Anspruch genommen werden konnte, wenn der Schuldner mit mindestens drei Monatsraten im Verzug war, wird nach dem neuen Gesetz, begrenzt auf den wohnungswirtschaftlichen Bereich, wie folgt unterschieden:

- Verzug innerhalb der ersten Hälfte der Darlehenslaufzeit: Es müssen wenigstens drei Prozent der gewährten Darlehenssumme ausständig sein oder Raten, die der Laufzeit von zwölf Monaten entsprechen;

- Verzug innerhalb der zweiten Hälfte der Darlehenslaufzeit: Es müssen wenigstens sieben Prozent der gewährten Darlehenssumme ausständig sein oder Raten, die der Laufzeit von 15 Monaten entsprechen.

Weitere Voraussetzung für die Geltendmachung der Vorfälligkeit durch den Gläubiger ist, dass dem Schuldner zuvor eine qualifizierte Mahnung zugegangen ist, mittels derer er, unter Androhung der Geltendmachung der Vorfälligkeit, aufgefordert wurde, innerhalb eines Monats zu zahlen.

Dem Artikel 24 des Gesetzes entgegenstehende Individualvereinbarungen sind nicht möglich, wobei nach Ansicht der Autoren allerdings solche Vereinbarungen, die den Schuldner ausschließlich begünstigen (also etwa längere als die hier erwähnten Fristen), dennoch möglich sein müssten.

Abschaffung der Dreimonatsregelung

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Neuregelung der Vorfälligkeitsentschädigung auch für vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene Finanzierungen gilt, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Vorfälligkeit erst nach Inkrafttreten des Gesetzes (also nach dem 16. Juni 2019) eingetreten ist. Sollte eine vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene Finanzierung allerdings wider Erwarten für den Kreditnehmer günstigere Vorfälligkeitsregelungen enthalten, so gelten diese anstatt der Neuregelung.

Die bereits erwähnte "alte" Dreimonatsregelung, die nicht nur im wohnungswirtschaftlichen Bereich galt, wird im Gegenzug ab 16. Juni 2019 nun vollständig abgeschafft, sodass bei allen anderen Finanzierungen, vor allem bei gewerblichen Finanzierungen, Banken im Verzugsfall wieder sofort ihre Hypothek im Wege der Vollstreckung in Anspruch nehmen können.

Das spanische Hypothekengesetz wird durch das vorliegende Gesetz nicht ersetzt, sondern lediglich an verschiedenen Stellen angepasst. Die Hypothek als wichtiges Instrument der spanischen Immobilienwirtschaft, in einem Land, in dem mehr als 80 Prozent der Bevölkerung im Eigenheim anstatt zur Miete wohnt, bleibt vollumfänglich erhalten.

DER AUTOR STEFAN MEYER Rechtsanwalt und Gründungspartner, Monereo Meyer Abogados, Madrid
DIE AUTORIN JOHANNA BOECK Rechtsanwältin und Senior Associate, Monereo Meyer Abogados, Palma de Mallorca
Stefan Meyer , Rechtsanwalt und ­Gründungspartner , Monereo Meyer Abogados, Madrid
Johanna Boeck , Rechtsanwältin und Senior Associate, Monereo Meyer Abogados

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