MIPIM-SPECIAL

WOHIN STEUERT DER EUROPÄISCHE IMMOBILIENMARKT?

Sabine Barthaller, Foto: Deutsche Hypo

Die Konjunkturdynamik in den europäischen Volkswirtschaften hat zuletzt deutlich an Schwung verloren, der Zenit ist nach Einschätzung vieler Ökonomen durchschritten. Diese gesamtwirtschaftliche Abkühlung färbt zusehends auch auf die Immobilienkonjunktur ab, wie die Ausführungen der Autorin zeigen. Quartal für Quartal ermittelt ihr Institut mithilfe des sogenannten Real Estate Economy Index (Reecox) die Entwicklung sechs europäischer Immobilienwirtschaften. Dieser Trendbarometer beziehungsweise Frühwarnindikator musste nach einem beispiellosen Anstieg zwischen Mitte 2016 und Ende 2017 jüngst doch deutlich Federn lassen. Anlass für Schwarzmalerei besteht nach Einschätzung der Autorin aber dennoch nicht, denn die gewerblichen Immobilienmärkte in den bedeutendsten europäischen Staaten seien grundsätzlich weiter intakt. Red.

Der Anteil grenzüberschreitender Transaktionen machte im vergangenen Jahr weltweit rund ein Drittel aller Investmentaktivitäten aus. Die Anleger sind also auch außerhalb ihrer eigenen Märkte äußerst aktiv. Das gilt speziell für Europa: Der Anteil deutscher Investitionen an den Gesamtinvestitionen in Frankreich ist beispielsweise im Jahr 2018 gegenüber 2017 von 4 auf 13 Prozent gestiegen.

Umso wichtiger ist es, dass sich Marktakteure einen profunden Überblick über die jeweilige Immobilienkonjunktur-Entwicklung auf den wesentlichen Märkten Europas verschaffen. Dazu dient der Deutsche Hypo Real Estate Economy Index (Reecox), der regelmäßig die Immobilienkonjunktur-Entwicklung in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Polen, Spanien und den Niederlanden untersucht und abbildet.

Fünf Variablen pro Land

Die Berechnung des Reecox erfolgt für jedes der sechs Länder über fünf Eingangsvariablen. In Deutschland sind dies der Dax, der Dimax, der Economic Sentiment Indicator der Europäischen Kommission für Deutschland, der Basiszinssatz nach § 247 BGB und der Zinssatz für zehnjährige Bundesanleihen. Für die anderen fünf Länder werden jeweils Äquivalente herangezogen. Aus den fünf Eingangsvariablen ergibt sich für jedes Land ein Wert für die jeweilige Immobilienkonjunktur. Die sechs einzelnen Werte werden durch das Reecox-Immobilienauge vergleichbar, das alle Aussagen zur europaweiten Immobilienkonjunktur in einer einzigen Grafik vereint. Darüber hinaus zeigt der Euro-Score auf, wie sich die europäische Immobilienkonjunktur insgesamt entwickelt.

Seit dem Jahr 2011 ist der Reecox nie tiefer abgesackt als im vierten Quartal 2018. Die Entwicklung kommt auf den ersten Blick etwas überraschend, denn die gewerblichen Immobilienmärkte in den bedeutendsten europäischen Staaten funktionieren ja weiterhin. Die Transaktionsvolumina sind 2018 entweder auf dem sehr guten Vorjahresniveau geblieben oder sogar noch angestiegen - vom Rekord-Transaktionsvolumen in Deutschland einmal ganz zu schweigen. Und die Investorennachfrage nach gewerblichen Immobilien ist unverändert hoch.

Auf den zweiten Blick ist die aktuelle Reecox-Entwicklung aber doch zu erwarten gewesen. Blicken wir auf das nicht enden wollende Chaos rund um den Brexit, auf die gesellschaftlichen Herausforderungen in vielen europäischen Ländern oder auf die reduzierten Wachstumsprognosen: Dass in diesem schwierigen Umfeld die Aktienmärkte einbrechen, was sich wiederum auf die Entwicklung des Reecox auswirkt, ist so alarmierend wie nachvollziehbar.

Reecox lässt Federn zum Jahresende

Während sich in den abgelaufenen Quartalen dieses Jahres kein eindeutiger Trend erkennen ließ und die europäische Immobilienkonjunktur (Euro-Score) nach oben und unten schwankte, ist die Tendenz zum Jahresende eindeutig: Aktuell liegt der Reecox-Euro-Score bei 233,9 Punkten und damit so niedrig wie seit zwei Jahren nicht mehr. Rückwirkend betrachtet hat diese Entwicklung bereits im September begonnen, als der Indexwert um 1,0 Prozent gegenüber dem Vormonat zurückging und damit die Stagnation der Sommermonate ablöste.

Zum Ende des Jahres hat sich mit vier rückläufigen Monaten in Folge eine Dynamik eingestellt, die in ihrer Deutlichkeit zuletzt im ersten Quartal 2018, davor jedoch erst wieder Mitte 2016 zu beobachten war. Im September stand der Index noch bei 245,4 Punkten, das entspricht einem Rückgang um 4,7 Prozent. Insgesamt betrachtet hat der Euro-Score im vergangenen Jahr um 6,3 Prozent nachgegeben; ein so deutlicher Rückgang auf Jahresebene war zuletzt 2011 zu beobachten. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass der Reecox Ende 2011 bei 172,2 Punkten stand - heute sind es 233,9 Punkte.

Die Immobilienkonjunktur Deutschlands zeigt Eintrübung

Ein eindeutiger Treiber der aktuellen Entwicklungen in Europa lässt sich nicht identifizieren. Vielmehr zeigt die Mehrheit der betrachteten Länder rückläufige Tendenzen - wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt. So offenbart sich auch in Deutschland eine deutliche Eintrübung der Immobilienkonjunktur im vierten Quartal 2018: Der Reecox erreichte am Jahresende hierzulande 298,2 Punkte und notierte 4,7 Prozent unter dem Wert des Vorquartals.

Erstmals seit Mai 2017 rutschte er damit wieder unter die 300 Punkte-Marke. Im gesamten Jahr 2018 belief sich der Rückgang auf 4,9 Prozent. Die deutsche Immobilienkonjunktur präsentierte sich damit im Europa-Vergleich etwas widerstandsfähiger. Denn der Euro-Score des Reecox, der alle Immobilienkonjunkturwerte zusammenfasst, gab vergangenes Jahr um 6,3 Prozent auf 233,9 Punkte nach. Trotz dieser Entwicklung ist es wichtig zu betonen, dass sich der deutsche Immobilienmarkt weiterhin in guter Verfassung präsentiert. Sonst wäre das Rekord-Transaktionsvolumen von mehr als 60 Milliarden Euro im Jahr 2018 nicht möglich gewesen. Doch es scheint, als befände sich der aktuelle Immobilienzyklus in Deutschland im fortgeschrittenen Zustand der Reife und als würde die Luft auf dem Hochplateau, auf dem wir uns schon länger befinden, langsam dünner werden.

Polen ist vom Negativtrend abgekoppelt

Im Vergleich zu den anderen Reecox-Ländern wusste sich Polen zu behaupten. Mit einem nur leichten Minus von 0,4 Prozent stagnierte die polnische Immobilienkonjunktur quasi. Auf das gesamte Jahr 2018 bezogen sticht Polen mit einem Rückgang um knapp 1,0 Prozent ebenfalls positiv heraus. Die positive Entwicklung ist dahingehend zu relativieren, dass Polen mit aktuell 187,5 Punkten den niedrigsten aller Reecox-Werte aufweist, was die geringere Bedeutung des polnischen Immobilienmarkts im Vergleich zu den anderen betrachteten Ländern reflektiert.

Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich der gewerbliche Immobilienmarkt in Polen 2018 sehr dynamisch entwickelt hat, wie der Anstieg des Transaktionsvolumens von 5,2 auf mehr als 7 Milliarden Euro zeigt. Die Nachfrage von insbesondere internationalen Investoren nach polnischen Topimmobilien hat zuletzt weiter angezogen. Warschau zählt mittlerweile zu den 20 bedeutendsten Immobilienstandorten Europas.

Logistik-Boom hält an

Anhand der Transaktionen zeigt sich zum einen, dass der Markt für große Shoppingcenter inzwischen auch in Polen einigermaßen gesättigt ist. Zum anderen hält der Boom auf dem Logistikmarkt auch in Polen an. Bemerkenswert ist zudem, dass die Büroleerstände noch weiter abnehmen, obwohl die Neubautätigkeiten in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben. Zu erwarten ist, dass dieses Jahr mehr Herausforderungen für unsere Branche in Polen bereithält als 2018. Beispielsweise sind die Grundstückspreise vielerorts mittlerweile so hoch, dass immer weniger Projekte realisiert werden. Unabhängig davon leiden Immobilienunternehmen unter den steigenden Arbeitskosten sowie unter den oft bereits überschrittenen Kapazitätsgrenzen der Bauindustrie.

Anders als in Polen stellt sich die Situation in den Niederlanden dar. Zwar konnte hier mit einem Transaktionsvolumen in Höhe von rund 20 Milliarden Euro im Jahr 2018 ein dickes Ausrufezeichen hinter die positive Entwicklung der vergangenen Jahre gesetzt werden. Dennoch ging die Immobilienkonjunktur in den Niederlanden im vierten Quartal 2018 zurück: Der Reecox erreichte am Jahresende 191,3 Punkte und notierte damit 4,0 Prozent unter dem Wert im Vorquartal.

Im gesamten Jahr 2018 belief sich der Rückgang auf 7,6 Prozent und damit überdurchschnittlich hoch. Im Vergleich dazu: Der Euro-Score, der alle Immobilienkonjunkturwerte zusammenfasst, sank 2018 um 6,3 Prozent. Verantwortlich für die Entwicklung in den Niederlanden ist in erster Linie der Verlauf des Immobilienaktienindex FTSE EPRA/NAREIT Netherlands, der im Vergleich zum Vorquartal um 20,1 Prozent absackte. Und auch die Veränderungsrate des niederländischen Leitindex AEX 25 war zweistellig negativ: Mit einem Rückgang um 11,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal notiert dieser nun bei 487,9 Punkten.

Verhaltener Optimismus in den Niederlanden

Der Ausblick für dieses Jahr ist verhalten optimistisch: Der niederländische Immobilienmarkt ist nach wie vor intakt. Vor allem die Assetklassen Wohn-, Logistik- und Büroimmobilien sind bei den in- und ausländischen Investoren weiterhin außergewöhnlich gefragt. Positiv wirkt sich sicherlich aus, dass die Arbeitslosigkeit in den Niederlanden so niedrig wie noch nie ist.

Insgesamt lässt der immer deutlicher werdende Mangel an qualitativ guten Immobilien die Renditen sukzessive schmelzen. Aber natürlich sind Immobilieninvestments im derzeitigen Umfeld der Niedrigzinsen einfach alternativlos - in den Niederlanden genauso wie auch in den anderen Kernmärkten Europas.

DIE AUTORIN SABINE BARTHAUER Mitglied des Vorstands, Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), Hannover

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