BAUSPARKASSEN

VERBRAUCHERKREDITRICHTLINIE 4.0: NACH DER REFORM IST VOR DER REFORM

Christian König Quelle: VdPB

"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." Diese Fußballweisheit findet auch auf die europäische Regulierung Anwendung. Erst vor kurzem mussten die Finanzinstitute noch die Vorgaben der Verbraucherkredit- und Wohnimmobilienkreditrichtlinie umsetzen. Aktuell laufen intern bei der Europäischen Kommission aber schon die Vorarbeiten zur Evaluierung der erstmalig 2008 verabschiedeten Verbraucherkreditrichtlinie. Denn wie in allen anderen Richtlinien auch, sieht eine Revisionsklausel vor, dass die Kommission alle fünf Jahre nach dem Inkrafttreten prüft, inwieweit diese Regeln noch den wirtschaftlichen Trends entsprechen. Nach Einschätzung des Autors wird dies an Deutschland nicht spurlos vorbeigehen. Red.

Die Revisionsklausel wird gerne genutzt, um kurz vor einem Wechsel der Kommissare, wie er ab Juni 2019 wieder ansteht, dem neuen Verbraucherschutzkommissar konkrete Vorschläge für Regulierungen zu unterbreiten. In der Regel laufen dazu ein Jahr vorher die Vorarbeiten an. Zum einen werden externe Studien in Auftrag gegeben, die den wissenschaftlichen Nachweis für die eine oder andere gewollte Änderung belegen sollen. Zusätzlich werden, wo möglich, Statistiken von Eurostat bemüht, die bei diesem speziellen Thema alle paar Jahre feststellen, dass sich der grenzüberschreitende Markt für Verbraucherkredite nicht nennenswert erhöht hat. Schon ist scheinbar die Rechtfertigung einer Richtlinienänderung erbracht.

Überprüfung bietet auch Chancen

Im Anschluss finden die üblichen Konsultationen mit den sogenannten "Stakeholdern" statt. Bei denen fordern Verbrauchervertreter routinemäßig dringend mehr Verbraucherschutz. Vertreter der Kreditwirtschaft warnen ihrerseits vor überzogenen Regulierungen, die letztlich das Gegenteil bewirken und der Kreditwirtschaft und den Verbrauchern schaden. Die aktuelle Diskussion um die Wertpapierberatung, wo den Verbrauchern eine regulierungsbedingte Servicewüste mit limitierten Beratungsangeboten droht, lässt grüßen.

Diese nun anstehende turnusgemäße Überprüfung der Richtlinie bietet aber auch die Chance, Barrieren im grenzüberschreitenden Verkehr aufzuheben, Überregulierungen abzubauen und gut gemeinte, aber schlecht gemachte Regulierungen abzuändern. So hat die Kommission bereits vor einem Jahr angekündigt, europäische Vorgaben für Vergleichsplattformen zu schaffen. Mehr Transparenz und Standards für echte Marktvergleiche sind hier tatsächlich vonnöten, um den Verbraucher bei seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen und mehr Wettbewerb zu initiieren.

Zusammentragung nationaler Vorschriften

Die Kommission will ferner die Vorschriften zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbraucherkrediten an das hohe Niveau der Wohnimmobilienkreditrichtlinie anpassen. Zu diesem Zweck wurden die unterschiedlichen nationalen Vorgaben der Kreditwürdigkeitsprüfung zusammengetragen. Manche Staaten haben die Kreditwürdigkeitsprüfung aufsichtsrechtlich mit konkreten Standards geregelt, die den Kreditgeber verpflichten, Grenzwerte einzuhalten. In Lettland beispielsweise ist aufsichtsrechtlich vorgegeben, dass die monatlichen Verpflichtungen des Darlehensnehmers aus all seinen Darlehensverhältnissen nicht mehr 10 bis 40 Prozent des verfügbaren Einkommens ausmachen dürfen. Dieser Grenzwert erhöht sich stufenweise, je höher das Einkommen ist. In Portugal darf die Summe aller monatlicher Kreditverbindlichkeiten 50 Prozent des Einkommens nicht überschreiten. In Litauen wurde diese Grenze auf 40 Prozent festgelegt. In Ungarn schwankt dieser Grenzwert je nach Höhe des Einkommens zwischen 10 und 60 Prozent.

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten hat den Kreditgebern aufsichtsrechtliche Vorgaben gemacht, welche Unterlagen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung heranzuziehen sind, um festzustellen, ob die Angaben des Verbrauchers zu Einkommen und Ausgaben stimmen. Auch die teilweise zwingende Konsultation von Kreditdatenbanken und die Verifikation der Angaben des Verbrauchers anhand neutraler Quellen, wie zum Beispiel Steuerbescheide, sind mittlerweile in vielen Mitgliedsstaaten Standard. Häufig wird bei den Kreditwürdigkeitsstandards auch kein Unterschied gemacht, ob es sich um einen Verbraucher- oder um einen Immobiliarkredit handelt.

Sehr unterschiedlich sind zudem die Sanktionen bei Fehlern in der Kreditwürdigkeitsprüfung umgesetzt worden. In Deutschland sind in diesem Fall nicht nur aufsichtsrechtliche Bußgelder vorgesehen. Der Darlehensnehmer hat eigene Rechte eingeräumt bekommen. So kann er bei Fehlern die Reduzierung des Zinses auf den marktüblichen Zins verlangen beziehungsweise das Darlehen vorzeitig ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen. In Frankreich und Österreich hat der Gesetzgeber Verwaltungsstrafen für den Einzelfall vorgesehen. In Frankreich und Belgien besteht zudem in diesen Fällen die Möglichkeit der richterlichen Vertragsanpassung.

Vermeintliche Harmonisierung

Mit diesen unterschiedlichen Regeln allein im Bereich der Kreditwürdigkeitsprüfung wird deutlich, dass deren vermeintliche Harmonisierung zu enormen Unterschieden geführt hat. Diese werden nun sicherlich angeglichen, um einen einheitlichen Standard für die gesamte EU zu erreichen. Zwangsläufig wird es dabei nicht bei den deutschen Vorschriften bleiben können. Die "Benchmark" der Regulierung wurde durch den Vergleich der nationalen Standards deutlich nach oben gehoben. Der Europäischen Kommission sollten nun für die Evaluierung Fakten und Verbesserungsvorschläge geliefert werden, die einerseits für die notwendige Rechtssicherheit sorgen und andererseits die Grundlage für einen funktionierenden Binnenmarkt schaffen. Nur dann hat der Verbraucher einen wirklichen Mehrwert.

DER AUTOR CHRISTIAN KÖNIG, Geschäftsführender Direktor, Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel und Hauptgeschäftsführer, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
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