STADTENTWICKLUNG

WETTBEWERB „KLIMAAKTIVE KOMMUNE“ – AUSGEZEICHNETER KLIMASCHUTZ IN STÄDTEN, LANDKREISEN UND GEMEINDEN

Ulrike Vorwerk, Foto: Jennifer Rumbach

Die großen, öffentlichkeitswirksamen Zielbeschlüsse zum Klimaschutz werden auf nationaler oder internationaler Ebene getroffen. Doch sobald es um ihre anschließende Erreichung geht, stehen zumeist die Städte, Kreise und Gemeinden im Fokus. Sei es der ÖPNV-Ausbau, neue Radwege oder die Gebäudesanierung - viele der für die Klimawende entscheidenden Investitionen liegen im Zuständigkeitsbereich der Kommunen. Umso wichtiger sind Initiativen wie der vom BMU und Difu federführend betreute Wettbewerb "Klimaaktive Kommune": Mit ihnen wird der Scheinwerfer auf zahlreiche spannende und nachahmenswerte Projekte rund um den Klimaschutz vor Ort gerichtet. Red.

Wie kann ein Wettbewerb den Klimaschutz in Städten, Landkreisen und Gemeinden fördern? Indem seine Initiatoren die Gewinnerkommunen mit ihren vorbildlichen Projekten nicht nur prämieren und bundesweit bekannt machen, sondern ausdrücklich andere Kommunen zum Nachahmen der Ideen aufrufen. Zusätzlich erhalten die Gewinner 25 000 Euro, die wieder in Klimaaktivitäten zu investieren sind.

Multiplikator und Motor für kommunales Engagement

Somit ist der Wettbewerb "Klimaaktive Kommune", den das Deutsche Institut für Urbanistik und das Bundesumweltministerium in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund seit 2009 jährlich ausloben, eine Art Multiplikator und Motor für kommunales Engagement im Klimaschutz.

Wie vielfältig dieses Engagement sein kann, zeigen die insgesamt mehr als einhundert Gewinner-Projekte der letzten elf Jahre. Die Ansätze und Maßnahmen sind so vielfältig und unterschiedlich wie die Handlungsoptionen im kommunalen Klimaschutz. Bei der Umsetzung nehmen die Städte, Landkreise und Gemeinden verschiedene Rollen ein: etwa als Planer und Regulatoren, als Verbraucher und Vorbilder sowie als Versorger.

Klimaschutz und Klimaanpassung beim Planen und Bauen

Die Stadt Eschweiler in Nordrhein-Westfalen erhielt 2019 die Auszeichnung für das Projekt "Faktor X-Baugebiet für Ressourcen- und Klimaschutz". In dem Projekt hat sie für die Modellsiedlung "Neue Höfe Dürwiß" gemeinsam mit verschiedenen Partnern einen pragmatischen Ansatz zu ressourceneffizientem und klimafreundlichem Planen und Bauen entwickelt, der sich auf jedes Baugebiet übertragen lässt.

Im Fokus standen Fragen nach dem Verbrauch von natürlichen Ressourcen, dem Energieverbrauch und dem Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bei der Erschließung eines Gebietes, bei der Errichtung und Nutzung von Gebäuden sowie bei deren Rückbau und Entsorgung. Maßgabe war eine Reduktion um den Faktor X, mindestens jedoch um den Faktor 2, im Vergleich zu einer konventionellen Erschließung und Bebauung.

Außerdem geht es beim Faktor X-Ansatz auch um die Art und Menge der eingesetzten Materialien, deren Ressourcen-, Energie- und CO2-Bilanz sowie den Energieverbrauch der Gebäude während der Nutzungsphase. Eine modulare, anpassungsfähige und wartungsarme Bauweise soll Gebäude von hoher Wertigkeit schaffen, die über mehrere Generationen funktionieren und an verschiedene Lebenssituation angepasst werden können. Ein weiteres Plus für interessierte Bauherrinnen und Bauherren: Im Vergleich zu konventionellen Bauweisen entstehen keine wesentlich höheren Kosten.

Neben dem Schutz des Klimas gehört auch vermehrt die Anpassung an unvermeidbare Folgen des Klimawandels, wie häufigere Extremwetterereignisse, zu den Aufgaben der Kommunalverwaltungen. Hitze, Starkregenereignisse, Stürme und ihre Auswirkungen für Menschen, Gebäude und Infrastruktur können durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen abgemildert werden. Die Stadt Osnabrück geht dies zum Beispiel mit ihrer Gründachstrategie an, für die sie 2020 die Auszeichnung "Klimaaktive Kommune" erhielt.

Die Begrünung von Dachflächen ist eine Möglichkeit, um Gebäude an den Klimawandel anzupassen, da sie im Vergleich zu versiegelten Flächen zum Beispiel höheren Temperaturen vorbeugt, den Erhalt der Artenvielfalt fördert und Regenwasser bindet.

Mit ihrer Maßnahme stellt sich die Stadt dem bundesweiten Trend der Flächenversiegelung konsequent entgegen. Alle Möglichkeiten, bereits vorhandene oder noch zu bauende Gebäude systematisch zu begrünen, sollen ausgeschöpft werden. Dazu schnürte die Kommune 2019 ein Maßnahmenpaket mit mehreren einander ergänzenden Maßnahmen.

Interaktives Gründachkataster

Über ein interaktives Gründachkataster können sich die Osnabrücker Bürgerinnen und Bürger informieren, ob die eigene Dachfläche für eine Begrünung geeignet ist und welche positive Wirkung sie auf das Stadtklima leisten könnte. Wer dann einen Beitrag zur klimaangepassten Stadt leisten will, erhält über das städtische Förderprogramm "Grün statt Grau" finanzielle Unterstützung.

Das kommunale Förderprogramm ist zugleich ein wichtiges Signal, um Klimaanpassung zu einer Gemeinschaftsaufgabe zu machen. Und dieses Signal scheint angekommen zu sein, denn das Programm wird sehr gut angenommen.

Der neue Kurs hat auch Auswirkungen auf die Bauleitplanung. Hier aktualisierte die Stadt ihre bisherigen ökologischen Kriterien mit der Festsetzung von Dachbegrünungen als Standard. Angestrebt wird, dass Neubauten künftig nur noch mit flächendeckendem Gründach beziehungsweise einer Solar-Gründachkombination möglich sind. Auch bei den eigenen Gebäuden zeigt die Stadt Flagge: Alle öffentlichen Liegenschaften im Bestand sowie im Neubau werden kritisch geprüft, ob eine Begrünung beziehungsweise eine Solar-Gründachkombination umgesetzt werden kann. Als ergänzender Baustein wird auch die Umsetzung einer Freiraumgestaltungssatzung geprüft.

Kommunale Wärmeversorgung klimafreundlich gestalten

Dass auch kleine Kommunen Möglichkeiten haben, einen großen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten, zeigt die thüringische Kleinstadt Geisa mit der klimafreundlichen Wärmeversorgung ihrer denkmalgeschützten Altstadt. Im Zuge der Modernisierung sanierungsbedürftiger Ölkessel in den kommunalen Liegenschaften suchte sie nach einer energetisch effizienten Lösung, die sich mit den strengen Auflagen des Denkmalschutzes in der historischen Altstadt vereinbaren ließ.

Gefunden wurde diese mit der Errichtung von zwei effizienten Holzhackschnitzelanlagen in Verbindung mit zwei Nahwärmenetzen, die getrennt voneinander mit einer Gesamtwärmeleistung von 650 Kilowatt versorgt werden, ohne das historische Stadtbild zu beeinträchtigen.

Vom Rathaus bis zum Stadtmuseum - über die beiden Kreisläufe profitieren alle Liegenschaften der Stadt von der nachhaltig produzierten Wärmeenergie: Ein Nahwärmenetz für die Altstadt und eines für die Unterstadt. Eine eigens installierte Gebäudeleittechnik dient der mobilen Überwachung und Steuerung der Heizungsanlagen.

Als Rohstoff für die neuen Heizanlagen wird ausschließlich Holz aus der Region verwendet, da die Hackschnitzel aus den Abfällen des Holzeinschlages aus dem kommunalen Stadtwald gewonnen werden. Damit ist Geisa unabhängig von schwankenden Energiemarktpreisen und fördert gleichzeitig die regionale Wertschöpfung.

Das CO2-Einsparpotenzial gegenüber den alten Ölheizungen liegt bei circa 206 Tonnen pro Jahr. Aber auch finanziell lohnt sich das Projekt: Seit der Umstellung der Wärmeversorgung kann Geisa rund 13 000 Euro Energiekosten pro Jahr einsparen. Für ihr Engagement zählte die Stadt Geisa 2020 zu den Gewinnern im Bundeswettbewerb "Klimaaktive Kommune".

Nachhaltigkeit in Gewerbegebieten etablieren

Die Stadt Freiburg im Breisgau hat sich die klimafreundliche Gestaltung eines ganzen Gewerbegebietes auf die Fahnen geschrieben - ein vorbildliches und herausragendes Unterfangen für ein Bestandsgebiet, für das sie im Jahr 2018 von der Jury ausgezeichnet wurde. Es ging dabei um das "Industriegebiet Nord", das größte und älteste in Freiburg. Damit handelt es sich um Freiburgs zentralen Standort für Produktion, Handel und Dienstleistungen, auf den rund zehn Prozent der gesamtstädtischen CO2-Emissionen gehen.

Da es sich lohnte, hier einen Hebel für mehr Energieeffizienz anzusetzen, setzt das Umweltschutzamt der Stadt Freiburg zusammen mit der Freiburger Wirtschaftsförderung, dem regionalen Energiedienstleister Badenova und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme seit 2013 auf die Initiative "Green Industry Park Freiburg". Ziel ist die Entwicklung des Gewerbegebietes zu einem nachhaltigen, ressourcenschonenden und energieeffizienten Industriegebiet und Stadtteil mit Modellcharakter.

Dabei geht es neben einzelbetrieblichen Lösungen zur Energieeinsparung auch darum, die Energie im gesamten Gebiet optimal zu verteilen. Das Konzept "Green Industry Park" ist so erfolgreich, dass es mittlerweile auf weitere Industriegebiete in Freiburg ausgeweitet wird.

Gezielte Beratung zu energetischer Gebäudesanierung

Um mehr Energieeinsparung und -effizienz in Bestandsgebieten geht es auch der Stadt Dortmund - allerdings mit Blick auf private Gebäude. Dabei setzte das Projekt "AMeG - Aktivierung von MigrantInnen zur energetischen Gebäudemodernisierung" auf einen besonderen Fokus bei der Ansprache von Immobilienbesitzerinnen und -besitzern, für den Dortmund 2018 als "Klimaaktive Kommune" prämiert wurde.

Mit einem Anteil von etwa 30 Prozent gibt es in Dortmund vergleichsweise viele Immobilienbesitzende sowie Mieterinnen und Mieter mit Migrationshintergrund, in deren Eigentum beziehungsweise Nutzung sich statistisch circa 10 000 Gebäude befinden. Im Hinblick auf das Erreichen der städtischen Klimaschutzziele durch energetische Gebäudesanierung eine wichtige Zielgruppe, die aktiv angesprochen werden sollte.

Mit ihrem Projekt hat die Stadt Dortmund einen effektiven Weg gefunden, Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen, und vielfältige Veranstaltungen rund um die Themen Energieeinsparung und Gebäudemodernisierung durchgeführt. Kultursensibel und mehrsprachig wurden Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien sowie Mieterinnen und Mieter angesprochen und über die Möglichkeiten baulicher Maßnahmen sowie energiesparenden Handelns informiert und zur Umsetzung motiviert.

Klimaschutz gemeinsam gestalten

Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, daher ist es wichtig, die Menschen vor Ort mitzunehmen. Kommunen haben vielfältige Handlungsoptionen und Gestaltungsspielräume, aber sie sind auch auf das Engagement weiterer Akteure und Partner angewiesen. Mit gutem Beispiel vorangehen, Kooperationen eingehen und andere zum Mitmachen motivieren - das alles sind wichtige Aufgaben, um die Handlungskompetenz und die Reichweite des Engagements von Städten, Landkreisen und Gemeinden weiter zu stärken.

Der Wettbewerb "Klimaaktive Kommune" bietet eine Plattform, um vorbildliche Projektideen aufzuspüren, die an die individuellen lokalen Gegebenheiten adaptiert werden können. Die diesjährige Wettbewerbsrunde lief von Januar bis April. Die Gewinner des Jahres 2021 werden auf der "Kommunalen Klimakonferenz" am 4. November 2021 öffentlich bekannt gegeben und ausgezeichnet. Auch sie sollen und werden mit ihren kreativen, nachahmenswerten Projektideen anderen Kommunen als Impuls- und Ideengeber dienen.

Infos zum Livestream von Konferenz und Preisverleihung unter www.klimaschutz.de/klimakonferenz2021

DIE AUTORIN ULRIKE VORWERK Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Forschungsbereich Umwelt, Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, Köln
Ulrike Vorwerk , Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Forschungsbereich Umwelt, Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, Köln
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