IMMOBILIEN UND STEUERN

WOHNEIGENTUMSBILDUNG ALS SOZIALER AUFTRAG - POSITIONEN DER DEUTSCHEN BAUSPARKASSEN ZUR BUNDESTAGSWAHL 2021

Christian König, Foto: VdPB

In gut neun Monaten wird ein neuer Bundestag gewählt. Die Parteien haben damit begonnen, sich in Position zu bringen. Die deutschen Bausparkassen begleiten diesen Prozess und melden sich mit ihren Anliegen zu Wort. In ihrem Fokus steht traditionell die Wohneigentumsbildung. Wie die beiden Autoren deutlich machen, geht es hier aber nicht nur darum, Menschen zu helfen, sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Es gehe auch um Entlastung angespannter Mietwohnungsmärkte, Altersvorsorge, Vermögensbildung, Generationenvorsorge und Klimaschutz. Kurzum: Die Wohnungspolitik müsse einem ganzheitlichen Ansatz folgen. Red.

In der Wahlperiode, die sich dem Ende neigt, hat die Wohnungspolitik endlich wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren. Beim Wohngipfel im September 2018 hatten sich Bund, Länder und Kommunen auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt, mit denen angespannte Wohnungsmärkte in den Städten - aber auch in der Fläche - auf der Angebots- und Nachfrageseite entlastet werden sollten.

Das 2018 eingeführt Baukindergeld findet nun auch Sympathisanten unter denjenigen, die es anfangs strikt ablehnten. Der Grund für den Sinneswandel: Das Baukindergeld wirkt! Nutznießer sind vor allem Familien mit mehreren Kindern, die niedrigere Einkommen beziehen und im ländlichen Raum Eigentum erwerben. Zum 1. Januar 2021 wird die Wohnungsbauprämie angepasst - ein Vierteljahrhundert nach der letzten Erhöhung. Damit gibt es wieder einen stärkeren Anreiz, frühzeitig mit dem zweckgerichteten Sparen zu beginnen. Auch bei der energetischen Gebäudesanierung wurden wichtige Impulse gesetzt.

Ganzheitlicher Ansatz ist gefragt

Gleichwohl gibt es auch in der kommenden Legislaturperiode einen großen Handlungsbedarf. Jahrelang galt Deutschland als fertig gebaut. Dabei wurde ausgeblendet, dass steigende Mieten und Kaufpreise für Wohnimmobilien in den Metropolen auf der einen Seite und schrumpfende Regionen in West und Ost auf der anderen Seite gesellschaftliche Spannungen nach sich ziehen würden.

Was also ist zu tun? Die Wohnungspolitik muss einem ganzheitlichen Ansatz folgen. Sie darf nicht in Städten denken, sondern in Räumen und Netzen. Sie muss die Eigentumsbildung ebenso fördern wie den Mietwohnungsbau, denn beide sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Vor allem geht es darum, ideologische Scheuklappen abzulegen und pragmatisch auf die Wohneigentumsbildung zu blicken und darauf, was sie leisten kann. Fünf zentrale Ansatzpunkte sollen im Folgenden genauer analysiert werden.

1. Wohnungsmärkte entlasten - auch durch Eigenheimbau: Trotz der Fortschritte im Bereich des Wohnungsneubaus fehlen in Deutschland immer noch Wohnungen - nicht nur in Ballungsräumen, sondern auch im ländlichen Raum. Vor allem für Haushalte mit niedrigeren und mittleren Einkommen sowie Familien mit Kindern wird es immer schwieriger, ein bezahlbares Heim zu finden. Die Zahl der neugebauten Wohnungen in Deutschland dürfte 2020 bei rund 300 000 liegen. Angestrebt waren mindestens 350 000. Der Wohnungsmangel wird damit insbesondere in stark nachgefragten Groß- und Universitätsstädten noch über Jahre ein bestimmendes Thema bleiben.

In der öffentlichen Diskussion um angespannte Wohnungsmärkte stehen meist Mietwohnungen im Vordergrund. Dabei ist allein die Zahl der neu gebauten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern deutlich höher als die Zahl der Wohnungen, die beim Bau von Mietshäusern entsteht. Hinzu kommen selbstgenutzte und vermietete Eigentumswohnungen. Weil der Eigenheimbau die tragende Säule des Wohnungsneubaus ist, verdient er besondere Aufmerksamkeit der Politik. Wohneigentum darf nicht zum Privileg für Besserverdienende werden.

Eigenheimbau schafft Mietwohnungsraum. Eine Empirica-Studie hat gezeigt, dass selbst Eigenheime am Stadtrand über Umzugsketten innerhalb kurzer Zeit preiswertere Mietwohnungen für Durchschnitts- und Geringverdiener freimachen. Im Ergebnis haben neue Eigenheime kaum geringere soziale Effekte als Mietwohnungen.

Folgende Verbesserungen der Rahmenbedingungen sind erforderlich:

- Neues Bauland ausweisen und zugleich in den Städten nachverdichten.

- Akzeptanz von Neubau stärken (zum Beispiel durch Best-Practice-Beispiele).

- Baukosten durch Verzicht auf überzogene Auflagen senken.

- Erwerbsnebenkosten senken (zum Beispiel durch Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer).

- Ausreichend Personal in den Bauämtern vorhalten.

- Handwerkermangel bekämpfen.

- Förderung des altersgerechten Umbaus verstetigen.

- Und vor allem: die Wohneigentumsbildung stärken.

2. Wohneigentumsbildung stärken: Für die Stärkung der Wohneigentumsbildung sprechen viele Argumente:

(1) Wohneigentum verwurzelt und stabilisiert. Menschen, die im Wohneigentum leben, entwickeln auch einen ganz besonderen Bezug zu ihrem Haus, ihrer Nachbarschaft, ihrem Dorf oder ihrer Stadt. Wohneigentum wird als soziale Verpflichtung aufgefasst, nachweislich auch in benachteiligten Stadtquartieren.

(2) Wohneigentum leistet einen Beitrag zu Generationenvorsorge und -gerechtigkeit. Immobilienbesitzer sind weit unterdurchschnittlich auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen, gerade im Alter. Ihre Immobilie vererben Eigentümer in der Regel weiter an ihre Kinder. Beides entlastet nachfolgende Generationen.

(3) Wohneigentum ist Haltefaktor im ländlichen Raum. Nicht überall wird das ursprüngliche Dorfleben zu retten sein. Aber es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass moderne Wohnansprüche auch außerhalb der Ballungszentren zu erfüllen sind, wenn Voraussetzungen wie eine gute Verkehrsanbindung und der Anschluss an ein leistungsfähiges Internet gegeben sind. Familien zieht es schon seit einigen Jahren zunehmend ins Umland der Großstädte. Durch die Corona-Pandemie wird sich diese Tendenz wohl noch verstärken.

(4) Wohneigentum stabilisiert den Finanzmarkt. Das liegt vor allem an der soliden Baufinanzierungspraxis mit einem hohen Eigenkapitalanteil und der Festzinskultur. Hinzu kommt, dass Bausparer ihre Immobilien systembedingt häufig marktantizyklisch erwerben. Deswegen hat sich der deutsche Wohnimmobilienmarkt als ausgesprochen robust erwiesen.

Baukindergeld, Grunderwerbsteuer und Mietkaufmodelle im Fokus

(5) Haupthemmnis beim Erwerb ist mangelndes Eigenkapital. Niedrige Bauzinsen sind dafür kein Ersatz - zumindest nicht für Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen. Nur jeder zehnte jüngere Mieter verfügt heute über ein ausreichendes Eigenkapitalpolster.

Um die Wohneigentumsbildung weiter zu stärken, sollte das Baukindergeld in der nächsten Legislaturperiode neu aufgelegt werden. Bei mehr als 60 Prozent der Familien liegt das durchschnittliche zu versteuernde Haushaltseinkommen unter 40 000 Euro pro Jahr. Das Baukindergeld wird besonders stark von jungen Familien und in ländlich geprägten Bundesländern nachgefragt und verhindert Abwanderungen.

In die gleiche Richtung wirkt eine Verringerung der Erwerbsnebenkosten. Da der Erwerb von Wohneigentum gerade bei jungen Familien in erster Linie an zu wenig Eigenkapital scheitert und dieses zu einem guten Teil zur Deckung der Nebenkosten benötigt wird, würde beispielsweise ein Grunderwerbsteuerfreibetrag für Ersterwerber die Chancen auf Wohneigentum deutlich vergrößern.

Die in jüngerer Zeit wieder ins Gespräch gebrachten Mietkaufmodelle bieten dem Staat ebenfalls einen Ansatzpunkt. Entscheidend dabei ist jedoch, dass Fehlanreize vermieden und schon vorhandene eigene Sparanstrengungen belohnt werden.

3. Eigenheimrente und damit Wohneigentum als Altersvorsorge voranbringen: Mietfreies Wohnen im Alter ist umso wichtiger, je niedriger die Alterseinkünfte sind. Nach einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts sparen Rentnerhaushalte mit Wohneigentum im Schnitt monatlich 669 Euro Miete und damit 35 Prozent ihrer gesetzlichen Rente. Dabei ist Wohneigentum die einzige Form der Altersvorsorge, die man bereits in jungen Jahren genießen kann.

Die Eigenheimrente hilft, zweckgerichtet Kapital aufzubauen und wirkt in der Darlehensphase als "Tilgungsturbo". Für viele Menschen ist sie die bevorzugte - und oftmals einzig mögliche - Form, an der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge zu partizipieren. Sie kann auch für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen eingesetzt werden und wird von Verbraucherschützern anerkannt.

Das mietfreie Wohnen ist ein unverzichtbarer Baustein der privaten Altersvorsorge. Im Zuge der geplanten Weiterentwicklung der Förderung der privaten Altersvorsorge sollte sie als eine frei wählbare und gleichberechtigte Alternative zu privaten Rentenversicherungen und zum Fondssparen gestärkt werden. Außerdem sollte die Verzinsung des Wohnförderkontos an das gegebene Marktumfeld angepasst werden.

4. Vermögensbildung für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen vorantreiben: Wohneigentum ist der klassische Weg zur Vermögensbildung für Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen. Ein erfolgreicher Vermögensaufbau ist nicht allein eine Frage des Einkommens, sondern insbesondere eine Frage der Bereitschaft, für Wohneigentum zu sparen. In derselben Einkommensklasse (Haushaltsnettoeinkommen: 1 700 bis 2 300 Euro) bauen Wohneigentümer bis zum Renteneintritt nach Empirica-Berechnungen ein sechsmal so hohes Vermögen auf wie Mieter.

Aus den gleichen Gründen, die für eine Verbesserung der Wohnungsbauprämie gesprochen haben, sollte auch die Arbeitnehmersparzulage aufgewertet werden. Konkret schlagen wir dafür mindestens eine Anpassung an die Inflationsentwicklung seit der letzten Erhöhung im Jahr 1999 vor.

5. Klimawende vollziehen - privates Engagement der Häuslebauer mobilisieren: Etwa 30 Prozent des CO2-Ausstoßes in Deutschland entstehen beim Betrieb von Gebäuden, davon ein großer Teil in Wohngebäuden. Gemäß den Klimaschutzplänen der Bundesregierung soll der Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral sein. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Wichtigster Hebel zur Umsetzung sind die privaten Wohneigentümer: Fast drei Viertel der Wohnungen in Deutschland, in denen erneuerbare Energieträger zum Einsatz kommen, werden von ihren Eigentümern selbst bewohnt.

36 Prozent aller Immobilienbesitzer wollen in den nächsten zwei Jahren in Energieeinsparungen investieren - weitere zwölf Prozent in den nächsten drei bis vier Jahren. Dabei hat sich gezeigt, dass die neuen Fördermöglichkeiten ein wichtiger Anreiz für entsprechende Investitionen sind. Zweckgerichtet gespart wird dafür auch. 40 Prozent der Wohneigentümer legen dafür regelmäßig Geld auf die Seite - vielfach mit einem Bausparvertrag. Allein 2019 haben die Bausparkassen rund 20 Milliarden Euro für die Finanzierung von (größtenteils energetischen) Modernisierungsmaßnahmen ausgezahlt.

Bei der Bekämpfung des Klimawandels spielt der Gebäudesektor nicht nur in Deutschland eine Schlüsselrolle, sondern in der ganzen EU. Die von der Kommission angestoßene EU-weite Renovierungswelle soll die Renovierungsquote, die im EU-Durchschnitt aktuell nur bei einem Prozent liegt, bis 2030 mindestens verdoppeln.

Die staatliche Unterstützung der energetischen Sanierung bleibt als Anreiz unverzichtbar. Die alternativen Förderansätze gilt es, in der nächsten Legislaturperiode in Höhe und Umfang mindestens zu bewahren. Nur wenn sich Investitionskosten schneller als bisher rechnen, rückt das Ziel, die Sanierungsquote bei Wohngebäuden auf zwei, besser drei Prozent zu steigern, in den Bereich des Möglichen. Auch die schon vorhandenen Sparanreize zum Kapitalaufbau für die Modernisierung müssen im Dienste der Energiewende weiter gestärkt werden.

Riester-Produkte für die energetische Sanierung öffnen

Zur Mobilisierung zusätzlicher Mittel für den Klimaschutz sollte in einem weiteren Schritt geprüft werden, wie es Wohneigentümern ermöglicht werden kann, Riester-geförderte Produkte flexibel auch für die energetische Modernisierung ihrer selbstgenutzten Immobilie einzusetzen. Geprüft werden sollte auch die Umwandlung beziehungsweise Ergänzung des KfW-Zuschusses durch das Instrument eines Sanierungsschecks, der über die gesamte Breite der Immobilienfinanzierer angeboten werden könnte. Die höhere Marktdurchdringung würde Energieeinsparmaßnahmen sicher einen zusätzlichen Schub verleihen.

Das besondere Modell der Baufinanzierung durch die Bausparkassen muss nicht nur bei aufsichtsrechtlichen Aspekten berücksichtigt werden, sondern auch bei Vorgaben im Bereich der nachhaltigen Finanzierung. Zur Einschätzung etwa, ob Immobilien oder Renovierungen als "grün" gelten und damit zugänglich für grüne Finanzierungen sind, bedarf es einheitlicher Kriterien, die von Kreditinstituten einfach überprüft werden können.

Um eine tatsächliche Renovierungswelle in Gang zu setzen, muss die Sustainable-Finance-Strategie einheitliche und leicht anwendbare Standards für die "grüne" Hypothek entwickeln. Diese sollten aus verfügbaren Kriterien wie nationalen Baunormen oder Anwendbarkeit von Förderprogrammen abgeleitet werden.

Positionen zu beziehen, ist das eine, für diese Positionen mit aller Überzeugungskraft einzutreten, das andere. Die Bausparkassen haben sich auf die Fahnen geschrieben, insbesondere Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen zu helfen, die Schwelle zur Wohneigentumsbildung zu überwinden. Wir werden jede Chance zum Dialog nutzen und freuen uns auf spannende Diskussionen.

DER AUTOR CHRISTIAN KÖNIG Hauptgeschäftsführer, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
DER AUTOR AXEL GUTHMANN Verbandsdirektor, Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen, Berlin
Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
Axel Guthmann , LBS-Verbandsdirektor

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