BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2019

WOHNRAUMNACHFRAGE TROTZT DEM DEMOGRAFISCHEN WANDEL

Reinhard Klein
Foto: Bausparkasse Schwäbisch Hall

Auch auf lange Sicht ist für den deutschen Wohnungsmarkt offensichtlich keine Entspannung angesagt. Denn wie die Ausführungen des folgenden Beitrags zeigen, werden die langsam einsetzenden Effekte des demografischen Wandels von mehreren gegenläufigen Faktoren überlagert, die die Wohnraumnachfrage voraussichtlich noch auf Jahrzehnte hin antreiben werden. Der Autor erörtert die Hintergründe der wissenschaftlichen Analyse und gibt zu bedenken, dass der Handlungsbedarf im Rahmen der Wohnungspolitik weiter hoch bleibe. Die Studienergebnisse seien ein Beleg dafür, dass es sich bei der aktuell angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt eben nicht um ein Thema handelt, das sich in den nächsten Jahren von selbst lösen wird. Für eine nachhaltige Entspannung benötige es einen Dreiklang bestehend aus dem Bau von Miet- und Sozialwohnungen sowie der Förderung von privatem Wohneigentum. Red.

Eigentlich müsste die Nachfrage nach Wohnraum im Zuge des demografischen Wandels in den nächsten Jahrzehnten an Kraft verlieren. Denn mit einer insgesamt sinkenden Bevölkerungszahl und einem immer höheren Anteil älterer Bürger an der Gesamtbevölkerung müsste auch die Nachfrage nach Wohnraum abnehmen, was langfristig die Preise tendenziell sinken ließe.

Anzahl der Haushalte wird steigen

Doch eine aktuelle Studie der Universität Freiburg von Prof. Bernd Raffelhüschen und Roman Witkowski im Auftrag der Schwäbisch-Hall-Stiftung zeigt: Die Zukunft auf dem Immobilienmarkt wird anders aussehen. Die beiden Wissenschaftler haben die Perspektiven auf dem Immobilienmarkt bis ins Jahr 2060 untersucht und dabei richtigerweise die Wohnraumnachfrage von Haushalten analysiert. Deren Anzahl steigt in den nächsten Jahren, was auch die Wohnraumnachfrage voraussichtlich noch für Jahrzehnte antreibt. Die weiter steigende Anzahl der Haushalte wirkt damit den Effekten des demografischen Wandels auf dem Wohnungsmarkt entgegen.

Doch warum steigt die Nachfrage nach Wohnraum? Die Forscher haben zwei Kernpunkte ausgemacht. Erstens: Die Zahl sowohl der Ausbildungs- als auch der Rentnerhaushalte nimmt zu. Junge Leute verlassen nach Schulabschluss ihr Elternhaus zu Studien- oder Ausbildungszwecken und wechseln dafür oft in eine so genannte Schwarmstadt mit mindestens einer Hochschule. Auch der Berufsstart führt meist zur Gründung eines kleinen eigenen Haushalts. Hinzu kommt: Im Rentenalter wohnen mehr ältere Menschen länger allein als früher - und dieser Trend hält weiter an. Beide Bevölkerungsgruppen tragen also dazu bei, dass die Haushalte zwar kleiner, aber auch mehr werden.

Zweitens: Der Wohnraum pro Person wächst gleichzeitig. Er wird bis 2030 von derzeit 45 auf knapp 49 Quadratmeter pro Person steigen. Denn zum einen wollen viele, insbesondere die Generation der Babyboomer, mehr Wohnraum und können ihn sich auch leisten. Zum anderen passen ältere Bewohner ihre Wohnverhältnisse nicht mehr an und verbleiben so lange wie möglich in ihrer seitherigen Immobilie, die dann für einen oder zwei Bewohner oft zu groß ist.

Nachfrageimpulse durch Zuwanderung

Ein weiterer wichtiger Faktor auf dem Immobilienmarkt ist die Migration in Deutschland - sowohl die Wanderung innerhalb Deutschlands als auch die internationale Zuwanderung durch Arbeitskräfte. Insbesondere in den Metropolen mit ihrer hohen Anziehungskraft für junge Leute und Zuwanderer ist der verstärkte Zuzug ein Treiber der Nachfrage. Seit 2010 kamen - ohne das Ausnahmejahr 2015 - jeweils über 300 000 Arbeitskräfte mehr nach Deutschland als auswanderten. Die Schwäbisch-Hall-Studie geht in ihrem Szenario bis 2060 deshalb von einer Zuwanderung nach Deutschland von jährlich 200 000 Personen aus.

Bei dieser Annahme entwickeln sich die Haushaltszahlen bis 2060 regional überaus heterogen: Vor allem wirtschaftsstarke Regionen werden bis 2060 mehr Haushalte beheimaten als noch 2015. Im Bundesschnitt wird die Nachfrage nach Wohnraum 2060 noch um rund zehn Prozent über dem Niveau von 2015 liegen. In einigen Regionen bewirken dagegen Abwanderungsbewegungen ein Sinken der Haushaltszahlen unter den Wert von 2015.

Während bis ins Jahr 2030 die Haushaltszahlen in den meisten Kreisen der alten Länder stabil bis leicht steigend sein werden, ändert sich das Bild bei einer Betrachtung der Entwicklungen bis 2060: Nun ist auch im Westen eine Konzentration der Haushalte auf die Schwarmstädte und ihr jeweiliges Umland zu erkennen. Wachstumsregionen bleiben insbesondere Bayern, Baden-Württemberg sowie Teile Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens (siehe Abbildung).

Keine flächendeckende Immobilienblase in Sicht

Die Studie belegt des Weiteren, dass in den nächsten Jahren zum Teil anhaltende Preissteigerungen zu erwarten sind Und zwar, weil ein realer Nachfrageüberhang besteht, der in absehbarer Zeit nicht beseitigt werden kann. Die Immobilienpreise sind im langfristigen Vergleich von Jahreseinkommen zu Immobilienpreisen nicht überteuert, eine flächendeckende Immobilienblase ist also nicht in Sicht.

Zu einer Blase würde es laut Experten nur dann kommen, wenn die Überschuldung der Haushalte wegen der Immobilienkreditbelastung starke anstiege, der Wohnungsneubau zu hohen Leerständen führte, sich zudem die Wohnungspreise vom Einkommen abkoppelten und gleichzeitig ein spekulatives Verhalten zunehme, zum Beispiel der Erwerb einer Immobilie, um sie danach teurer weiterverkaufen zu können. Dies ist momentan nicht der Fall. Die Studienergebnisse machen deutlich, dass der Handlungsbedarf bei der Wohnungspolitik weiter hoch ist. Denn es handelt sich bei der aktuell angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt eben nicht um ein Thema, das sich in den nächsten Jahren von selbst lösen wird.

Für eine Lösung der Wohnungsknappheit ist ein Dreiklang notwendig: der Bau von Miet- und von Sozialwohnungen und die Förderung von privatem Wohneigentum. Wir wissen, dass jedes neu errichtete Eigenheim die Wohnsituation von etwa drei Haushalten verbessern hilft. Gleichzeitig entzerrt privates Wohneigentum die Wohnungsnot in den Innenstädten und entlastet die Ballungszentren insgesamt.

Der Wunsch nach privatem Wohneigentum ist bei den Deutschen weiter vorhanden, obwohl die Preise steigen. So wollen mehr als 1,7 Millionen Haushalte in nächsten zwei bis drei Jahren eine Immobilie erwerben. Trotz des Wunsches nach Wohneigentum und der günstigen Finanzierungsbedingungen verharrt Deutschland bei der Wohneigentumsquote im europäischen Vergleich allerdings auf den hintersten Rängen.

Auf dem richtigen Weg bei der Eigenkapitalstärkung

Denn es fehlt Bauland, das Immobilienangebot ist zu niedrig und die Nebenkosten sind zu hoch. Gleichzeitig könnten Bauvorhaben beschleunigt werden, wenn die Baugenehmigungsprozesse entschlackt und Zahl der Bauvorschriften gesenkt würde.

Auf der Hand liegt, dass der Eigenkapitalaufbau gestärkt werden muss. Die Bundesregierung ist hier auf dem richtigen Weg. Die wichtigen Engpassfaktoren sind erkannt und werden angegangen. So hat die Bundesregierung angekündigt, den Eigenkapitalaufbau durch eine Nachbesserung der Wohnungsbauprämie zu stützen. Hier ist die Anpassung sowohl der Eigenkapitalgrenzen als auch der Förderprämien an die allgemeine Lohnentwicklung dringend geboten.

Nachgedacht wird zudem über die Reduktion der hohen Erwerbsnebenkosten. Das IW Köln hat eine Staffelung der Steuer für Ersterwerber oder einen Kinderfreibetrag vorgeschlagen. Beides würde insbesondere jungen Familien helfen, die als Mieter und als Erwerber am meisten unter den hohen Immobilienpreisen leiden.

DER AUTOR REINHARD KLEIN, Vorsitzender des Vorstands, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch Hall
Reinhard Klein , Vorstandsvorsitzender , Bausparkasse Schwäbisch Hall AG

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