BEZAHLBARER WOHNRAUM IN DEUTSCHLAND

WOHNUNGSPOLITIK 2019: DEUTSCHLAND BRAUCHT EIN KOORDINIERTES LÖSUNGSPAKET STATT POLITISCHER KURZSCHLÜSSE

Axel Gedaschko, © GdW, Urban Ruths

Plötzlich ging alles ganz schnell: Nach Wochen und Monaten des gefühlten Stillstands hat der Deutsche Bundestag Ende November 2018 eine ganze Reihe wohnungspolitischer Gesetzesvorhaben beschlossen. Damit sollen weitere Ergebnisse des Wohnungsgipfels umgesetzt werden. Die Bundesregierung will die soziale Wohnraumförderung stärken und dafür das Grundgesetz ändern. Auch das Wohngeld soll früher reformiert und ausgeweitet werden. Dagegen wurde mit der Sonder-AfA als Neubauanreiz ein Instrument beschlossen, das wohl für weitere Preissprünge sorgen wird. Und beim Mietrecht kam es zu völlig unerwarteten Änderungen mit umwelt- und gesellschaftspolitischer Sprengkraft. Statt der schwarzen Schafe wurden hier ausgerechnet die Anbieter günstiger Wohnungen ins Visier genommen. Es bleibt also beim Thema Wohnungspolitik in Deutschland dabei, "Beziehungsstatus: Es ist kompliziert". Red.

Lange wurde um die notwendigen Lösungen für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland gerungen. Nach intensiver, über drei Jahre währender Arbeit im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen kamen beim großen Wohngipfel im September im Bundeskanzleramt endlich konkrete Ergebnisse auf den Tisch. Eine Reihe von wegweisenden Maßnahmen war damit gesetzt, von einer starken Städtebauförderung über eine geplante Grundgesetzänderung zur weiteren Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus bis hin zur Harmonisierung des Bauordnungsrechts.

Es fehlt der abgestimmte Kurs

Doch wir leben in unsteten Zeiten. Wenn populistische Tendenzen und eine Polarisierung der Gesellschaft auf nahezu allen Ebenen zunehmen, dann haben Absprachen und Zusagen sowie lange ausgehandelte, ausgewogene Kompromisse deutlich weniger Wert. Sie gelten im Zweifel nur noch für den Moment der Unterschrift oder des Handschlags. Das zeigen nicht nur politische Possen wie das unrühmliche Hin und Her rund um die "Causa Maaßen" und die damit verbundene Ab- und Wiedereinberufung des nun "bekanntesten Bau-Staatssekretärs" Gunther Adler, sondern es geht bis hin zu Zukunftsstrategien für ein ganzes Land, wie dem Koalitionsvertrag von Union und SPD.

So wurde 2018, nach langem Ringen auch in der Regierungsbildung, zu einem Jahr unkoordinierter politischer Schnellschüsse. Die wohnungspolitischen Vorhaben der Regierungsparteien zeigen dabei leider eines deutlich: Es wurde kein einheitliches Paket geschnürt, um endlich konsequent für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu sorgen. Stattdessen heißt das Motto der Koalitionspartner "Leinen los" in allen Bereichen vom Mietrecht bis zur Sonder-AfA, ohne sich jedoch einen abgestimmten Kurs für die künftige Wohnungspolitik überlegt zu haben. Das undurchdachte Anlegen von immer mehr Regulierungsfesseln und blinde Abfeuern von Bauanreizen bringt so letztlich die Zukunft des gesamten deutschen Wohnungsmarktes in Gefahr.

Sonderabschreibung: richtige Idee, falscher Weg

Statt langfristig wirksamer Anreize für bezahlbaren Wohnungsbau wurde eine Sonder-AfA beschlossen, die die Lage auf den angespannten Wohnungsmärkten eher noch weiter anheizen wird. Die Idee ist richtig, aber der Weg, der mit Blick auf das Ziel mehr bezahlbarer Wohnraum gewählt wurde, ist falsch.

Eine befristete Sonderabschreibung wirkt in Zeiten der sowieso schon überhitzten Baukonjunktur als Preistreiber, da die Kapazitäten am Bau weitgehend ausgeschöpft sind. Die enge zeitliche Beschränkung dieser Steuerregelung ist zudem ein fatales Signal an die Baubranche, nicht in neue Kapazitäten zu investieren. Dabei sind die völlig ausgelasteten Kapazitäten aber gerade eines der Hauptprobleme, die ein Mehr an Neubau verhindern. Die gut gemeinte steuerliche Förderung geht daher am Ende voll nach hinten los und nutzt herzlich wenig. Das Instrument ist damit ungeeignet für die Lösung der Wohnungsfrage.

Sinnvoller wäre es, die reguläre lineare Abschreibung für den Neubau von zwei auf drei Prozent zu erhöhen. Das wäre ein echter und länger anhaltender Anreiz für den bezahlbaren Wohnungsbau und zudem eine längst überfällige Anpassung. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass sich die Politik dafür ausgesprochen hat, für die Zukunft zu prüfen, wie eine Anhebung der linearen AfA finanzierbar wird.

Mietrecht: gut gemeint, nicht gut gemacht

Beim Mietrecht war alles zuvor Vereinbarte letztlich nur noch Makulatur. Ohne Vorankündigung wurde von heute auf morgen die Mietanpassungsmöglichkeit nach Modernisierung deutlich stärker eingeschränkt als geplant. Hier haben wir es mit einem Paradebeispiel unausgegorener Kurzschlusspolitik zu tun. Infolge eines kurzfristigen Änderungsantrages von Union und SPD hat der Bundestag beim Entwurf des Mietrechtsanpassungsgesetzes in zweiter und dritter Lesung beschlossen, die Modernisierungsmieterhöhung flächendeckend und unbefristet auf acht statt bisher elf Prozent zu reduzieren. Bislang sollte diese Absenkung nur in angespannten Wohnungsmärkten und befristet für fünf Jahre gelten. Zudem soll nun die maximale Mieterhöhung für Wohnungen mit einer Miete unter sieben Euro pro Quadratmeter auf zwei statt drei Euro gesenkt werden.

Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Mit dieser Kurzschlusshandlung werden erneut besonders die Vermieter bestraft, die nachhaltig und sozial agieren und günstigere Wohnungen anbieten. So wird eine ganze Branche zum Sündenbock einer Entwicklung gemacht, deren Ursachen nicht in ihren Händen liegen. Alleinige Zielscheibe einer Regulierung hätten die schwarzen Schafe sein müssen, die absichtlich durch Luxusmodernisierungen ihre Mieter aus dem Haus drängen wollen. Es ist daher sehr sinnvoll, dass das bewusste Herausmodernisieren von Mietern zukünftig als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden soll. Ein zusätzliches Einschränken der Modernisierungsumlage - und das nochmal besonders stark für Vermieter mit günstigen Mieten - ist völlig kontraproduktiv und setzt die Zukunftsfähigkeit des Wohnens in Deutschland aufs Spiel.

Energiewende, demografischer Wandel und Digitalisierung

Die politischen Verwerfungen zeigen gerade im mietrechtlichen Bereich, wie sehr in den Leitstellen der deutschen Regierung unabgestimmt nebeneinander her gearbeitet wird. Wie einseitig erzeugter Druck zu überschnellen, massiven Eingriffen in über Jahre ausgewogene rechtliche Systeme führt und das gesamte Gefüge des guten Vermieter-Mieter-Verhältnisses ins Wanken gebracht wird. Und wie die größten Herausforderungen unserer Zeit - Energiewende, demografischer Wandel und Digitalisierung - im zentralen Lebensbereich des Wohnens schlichtweg ignoriert und ihre Lösung leichtfertig zum Scheitern verurteilt werden.

Wenn Millionen von Wohnungen in Deutschland angesichts des Klimawandels und der Alterung der Gesellschaft modernisiert werden müssen, die Politik aber trotz im Detail ausgearbeiteter Strategien der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft keinerlei wirtschaftlich und sozial machbare Lösung für die Finanzierung der notwendigen Umbauten liefert, dann kann man das nicht nur hilflos, sondern muss es im Zweifel verantwortungslos nennen. Wenn seit Jahren Deutschlands Ballungsräume aus allen Nähten platzen, Wohnungen für viele unbezahlbar werden, die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus aber am Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern zu scheitern droht - wie finden wir in Deutschland dann zurück auf einen gemeinsamen Weg für eine zukunftsfähige Wohnungspolitik?

An positive Ansätze anknüpfen

Der Bundestagsausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen hat anlässlich der Vorlage des Wohngeld- und Mietenberichts beschlossen, dass die Bundesregierung die weiteren Vorhaben in der Wohnungspolitik zügig auf den Weg bringen soll. Hier gibt es zumindest einige positive Ansätze: Demnach soll der Gesetzentwurf zur Wohngeldreform auf das erste Halbjahr 2019 vorgezogen werden. Eine Reform des Wohngeldes ist dringend notwendig.

Es ist ein positives Signal, dass damit das Leistungsniveau und die Reichweite des Wohngeldes gestärkt werden sollen. Ebenso wichtig ist es, bei der Reform eine Klimakomponente für das Wohngeld einzuführen, damit Mieter, die in energieeffizient gut ausgestatteten Wohnungen leben, diese nicht aus Kostengründen verlassen müssen. Die Klimakomponente muss ebenso wie das Wohngeld selbst dynamisiert und damit jährlich angepasst werden, damit die Wirkung nicht verpufft.

Außerdem hat der Bauausschuss beschlossen, die Eigentumsförderung für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu öffnen und ein KfW-Bürgschaftsprogramm zur Unterstützung von Neubauten, Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums und für den Neubau von kommunalen und kirchlichen Mietwohnungen sowie Genossenschaftswohnungen zu entwickeln. Wir halten es für dringend notwendig, den bezahlbaren Mietwohnungsbau und die Wohnungsunternehmen, die ihn tragen, umfassend zu unterstützen. Neben baukostensenkenden Maßnahmen gehört dazu auch, dass der Staat das Delta an steigenden Kosten fördert, was von Mietern und Vermietern nicht getragen werden kann. Das ist ein wichtiges Signal für den Markt.

Mieterstrom: Problemlösung Schritt für Schritt

Positiv ist immerhin auch, dass mit dem Beschluss zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus die steuerlichen Probleme von Wohnungsgenossenschaften bei der Erzeugung von Mieterstrom gelöst wurden. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Wohnungsgenossenschaften nun mehr Spielraum für die dezentrale Energieerzeugung bekommen.

Wohnungsgenossenschaften sind in ihrem Vermietungsgeschäft nur dann steuerfrei, wenn ihre anderen Einnahmen, etwa aufgrund der Stromlieferung aus Mieterstromanlagen, einen Anteil von zehn Prozent der Gesamteinnahmen nicht übersteigen. Diese Grenze soll nun für den Mieterstrom auf 20 Prozent erhöht werden. Einziger Haken: Die jetzt vorgelegte Regelung bezieht nur Photovoltaikstrom ein und schließt Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) aus. Das sollte nachgebessert werden.

Darüber hinaus wird sich der GdW weiterhin für eine generelle Lösung der gewerbesteuerlichen Problematik einsetzen: Wohnungsunternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energien wie Photovoltaik oder aus KWK lokal erzeugen wollen, werden weiterhin gravierend steuerlich benachteiligt. Sobald sie den erzeugten Strom ins allgemeine Netz einspeisen oder den Mietern zur Verfügung stellen, wird die eigentlich gewerbesteuerbefreite Vermietungstätigkeit des Unternehmens gewerbesteuerpflichtig. Wohnungsunternehmen, die Strom erzeugen, zahlen für das damit verbundene Geschäft wie jeder andere auch die Gewerbesteuer. Ihr Vermietungsgeschäft darf durch ein Engagement bei der Energiewende aber nicht benachteiligt werden. Darüber hinaus muss die Politik beim Energiesammelgesetz nachbessern, sonst würde der Mieterstrom insgesamt deutlich schlechter gestellt.

Zumindest ist sich die Bundesregierung einig, dass sie weiterhin den sozialen Wohnungsbau unterstützen können muss. So hat der Bundestag Ende November den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes beschlossen. Das beinhaltet auch, dass der Bund die Länder nach dem Auslaufen der Kompensationsmittel für den sozialen Wohnungsbau Ende 2019 weiterhin finanziell unterstützen darf. Dieses immens wichtige Signal begrüßen wir ausdrücklich.

Bund fördert sozialen Wohnungsbau

Die notwendige Grundgesetzänderung darf aber nicht - wie vor einigen Jahren bereits die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung - zur Dauer-Hängepartie zwischen Bund und Ländern werden. Zum Förderalismus gehört untrennbar dazu, dass alle staatlichen Ebenen ihre Verantwortung für die Menschen im Land wahrnehmen und insbesondere nationale Aufgaben wie die Versorgung sozial Schwächerer mit angemessenem Wohnraum im Machtpoker hinten anstellen. Wir appellieren deshalb an alle Länder, ihre teilweise vorhandene Blockadehaltung mit Blick auf die sehr schwierige Situation der Wohnungssuche für Menschen mit niedrigeren Einkommen aufzugeben und im Bundesrat für eine Grundgesetzänderung zugunsten der Weiterführung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung zu stimmen.

Es braucht jährlich 80000 neue Sozialwohnungen in Deutschland. Das ist nur zu schaffen, wenn der Bund die Länder auch weiterhin finanziell beim sozialen Wohnungsbau unterstützt. Der Bundestag hat mit seinem Beschluss die Grundlage hierfür geschaffen. Der soziale Wohnungsbau ist ein zentraler Baustein für eine ausgewogene Wohnungspolitik in Deutschland. Die Neuregelung kann eine drohende wohnungspolitische Spaltung zwischen armen und reichen Ländern verhindern. Gleichzeitig erwartet die Wohnungswirtschaft von den Ländern, dass sie die Bundesmittel mindestens in gleicher Höhe gegenfinanzieren.

Das große Ganze in den Blick nehmen

Die Entscheider in allen politischen Lagern, in allen Regierungs-Ressorts und auf allen Ebenen müssen bei allen Maßnahmen das große Ganze in den Blick nehmen, statt einseitig, kleinteilig und kurzfristig einzelne "Problem-Feuer" auszutreten. Deutschland braucht ein groß angelegtes, mit allen Ministerien und Ländern abzustimmendes wohnungspolitisches Gesamtpaket, das mit klarer Richtschnur konsequent umgesetzt wird.

Der Inhalt dieses Pakets ist bekannt und wird, wie erwähnt, im eigens eingerichteten Bündnis zwischen Politik und Wirtschaft abgestimmt: Grundstücksvergabe ankurbeln, Bauämter aufstocken, Baukosten eingrenzen, Landesbauordnungen harmonisieren, Attraktivität ländlicher Regionen steigern und einiges mehr. Es muss aber noch mehr geschehen: Bauanreize sind langfristig zu setzen, die Integration in den Wohnquartieren muss viel stärker gefördert und es muss eine für alle bezahlbare Energiewende im Gebäudebereich mit einer klaren sozialen Komponente und einem strategischen Blick auf das gesamte Quartier umgesetzt werden. Es gilt, all diese Maßnahmen koordiniert und zügig in die Praxis umzusetzen. Dabei müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, die Wohnungswirtschaft steht als verlässlicher Partner bereit. Damit 2019 zu einem Jahr der Lösungen wird.

DER AUTOR AXEL GEDASCHKO Präsident, GdW Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Berlin
 
Für eine kluge Klimapolitik 4.0 - mit einer klaren sozialen Komponente Die Klimaschutzpolitik im Wohngebäudebereich steckt in einem schwierigen Dilemma: Deutschland dämmt und dennoch steigt der Verbrauch. Nach der bisherigen Methodik ist das Erreichen der Klimaschutzziele für die sozial verantwortlich handelnden Wohnungsunternehmen sowohl wirtschaftlich als auch sozial schlicht nicht umsetzbar. Bei der Energiewende im Gebäudebereich müssen wir deshalb neue Wege gehen:1. Sofortige Evaluation der bisherigen Strategie und der einzelnen Maßnahmen. Wie hoch sind die spezifischen CO2-Vermeidungskosten welcher Maßnahmen?2. Die KfW muss das am stärksten fördern, was am wenigsten kostet und am meisten CO2 einspart - und nicht umgekehrt.3. Der Rechtsrahmen für die dezentrale Energieerzeugung für Wärme und Strom durch Wohnungsunternehmen für ihre Mieter muss endlich geschaffen werden. Dass die Bundesregierung gerade plant, das zarte Pflänzchen Mieterstrom im Zuge des Energiesammelgesetzes platt zu machen, ist absurd.4. Sinnvolle Contracting-Modelle müssen zugunsten einer breiten Umsetzung innovativer Ideen erleichtert werden.5. Verbraucherunterstützende CO2-Vermeidungstechniken müssen in einem erweiterten Rechts- und Fördersystem viel stärker vorangetrieben werden.6. Flatrate-Modelle für Warmmieten sollten ermöglicht werden, um völlig unsinnige Messdienstleistungen zu unterlassen und gleichzeitig durch Begrenzungen im System Impulse zur Verbrauchsvermeidung zu setzen.7. Das, was nach dieser Explosion der Möglichkeiten dann als Rest weder bei den Mietern noch den Vermietern wirtschaftlich oder sozialpolitisch geht, muss der Staat schultern. Es geht schließlich um nicht weniger als sein eigenes Ziel, das höchste Priorität hat.
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