IMMOBILIENMÄRKTE

ZWISCHEN NULLZINSEN UND KONJUNKTURABKÜHLUNG: WOHIN STEUERT DEUTSCHLANDS GEWERBEIMMOBILIENMARKT?

Jochen Prinz, Foto: Cinthia Real Estate

Mehr Besucher, mehr Aussteller, mehr Fläche: Europas größte Immobilienmesse hat neue Rekorde aufgestellt. Die Branche strotzt vor Optimismus und rechnet mit einer Fortsetzung des Immobilienbooms in Deutschland. Doch historisch niedrige Renditen für Gewerbeimmobilien und eine drohende Abkühlung der Wirtschaft stellen Investoren vor große Herausforderungen. Nach Einschätzung des Autors ergeben sich abseits der A-Lagen noch Chancen. Um dabei erfolgreich zu sein, müssten jedoch einige wichtige Voraussetzungen erfüllt sein, unter anderem die Verfügbarkeit lokaler Expertise und Vernetzung. Red.

Wer wissen will, wie es um die Immobilienwirtschaft steht, muss Anfang Oktober zur Expo Real reisen. Nur einen Tag nach dem Ende der Wiesn trifft sich das "Who is Who" der Branche auf dem Münchener Messegelände. Die Stimmung war in diesem Jahr fast so ausgelassen wie auf dem Oktoberfest. Mit knapp 2 200 Ausstellern, einer zusätzlichen Halle und mehr als 46 000 Besuchern aus 76 Ländern feierte Europas größte Immobilienmesse neue Rekorde.

Die jüngsten Marktdaten passen gut ins Bild: Laut dem Immobiliendienstleister CBRE wurden in den ersten neun Monaten des Jahres an den Top-5-Standorten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München) rund 2,5 Millionen Quadratmeter neu vermietet. Damit lag das Vermietungsvolumen knapp ein Prozent über dem bereits starken Vorjahreszeitraum. Zugleich ging die Leerstandsquote deutlich um 0,8 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent zurück.

Das beste dritte Quartal aller Zeiten

Auch am Investmentmarkt läuft es rund. Das Transaktionsvolumen dürfte sich bei Gewerbeimmobilien in diesem Jahr erneut oberhalb der 50-Milliarden-Euro-Marke einpendeln, schätzt das Analyseunternehmen Bulwiengesa (siehe Abbildung 1). Inklusive Wohnimmobilien flossen allein von Juli bis September 25 Milliarden Euro in den deutschen Markt. "Es gab noch nie ein besseres drittes Quartal", stellt Helge Scheunemann vom Immobiliendienstleister JLL fest.

Von einem Abflauen der Dynamik könne keine Rede sein, so der Marktforscher. Eine Reihe von Transaktionen befände sich kurz vor dem Abschluss. Die Branche darf auf einen starken Jahresendspurt hoffen. Und der könnte sogar noch besser ausfallen, wenn es nur noch mehr Angebot gäbe. Doch der Neubau reicht bei Weitem nicht aus, um den Appetit der Investoren zu stillen.

Historische Renditekompression

Die Kehrseite der Medaille: Investoren müssen immer geringere Renditen in Kauf nehmen. Für die "Big 7" (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) lag die Durchschnittsrendite von Büros Ende September unter der Drei-Prozent-Marke. Marktbeobachter wie JLL sprechen von einer "historischen Renditekompression", deren Ende noch immer nicht absehbar ist. Die Aussagekraft von solchen Durchschnittswerten ist auch in diesem Fall relativ gering. Selbst an den A-Standorten reicht die Renditespanne laut Bulwiengesa von 0,9 bis 3,3 Prozent. Der Ertrag eines solches Büroinvestments kann also schnell unter die derzeitige Inflationsrate von 1,6 Prozent fallen.

Dieses Problem existiert auf dem Markt für Wohnimmobilien schon länger. Dort liegt die Durchschnittrendite für Bestandsimmobilien an A-Standorten bei etwa zwei Prozent. Hinzu kommen regulatorische Hemmnisse wie beispielsweise der Mietendeckel in Berlin. Während die Kaufpreise durch die hohe Nachfrage weiter steigen, wird der Spielraum für Mieterhöhungen ordnungspolitisch begrenzt - eine herausfordernde Situation für Investoren.

Und trotzdem reißt der Boom nicht ab. Wie kommt es, dass der "Mega-Zyklus" offenbar immer weiter läuft? Die kurze Antwort lautet: Den Investoren fehlen schlicht die Alternativen. Die Aktienmärkte sind sehr schwankungsanfällig, wie etwa der August gezeigt hat. Zudem dürfen viele institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Pensionsfonds nur eingeschränkt Aktien halten.

Negative Renditen für ein Viertel aller Anleihen

An den Rentenmärkten ist die Suche nach positiven Vorzeichen zuletzt sogar noch schwieriger geworden. Laut der Deutschen Bank sind die Bestände an Staatsanleihen, die mit negativen Renditen gehandelt werden, im August auf ein Rekordhoch von 15 Billionen Dollar gestiegen. Das entspricht einem Viertel aller im Umlauf befindlichen Anleihen - eine glatte Verdreifachung seit Oktober 2018.

Treiber dieser Entwicklung sind die Notenbanken. Eigentlich hatten sie vor etwa zehn Jahren die Geldschleusen geöffnet, um die Folgen der Finanzkrise zu bekämpfen. Ihr Kalkül: Billiges Kapital sollte Unternehmen und Konsumenten zu Investitionen anregen, um die Wirtschaft anzukurbeln. De facto hängen die Kapitalmärkte heute immer noch am Tropf der Währungshüter.

In den USA hat die Fed den Rückwärtsgang eingelegt. Seit Juli senkte die Notenbank der wichtigsten Wirtschaftsnation bereits zwei Mal die Zinsen. Auslöser für diesen Schritt dürften der eskalierende Handelsstreit mit China sowie die drohende Abkühlung der Weltwirtschaft sein. Der Internationale Währungsfonds beispielsweise korrigierte seine Prognose das dritte Mal in diesem Jahr nach unten.

Eine Welt ohne Zinsen?

In der Eurozone liegt der Leitzins bereits seit März 2016 bei Null. Im September hat die Europäische Zentralbank (EZB) ein Paket von Maßnahmen geschnürt, um die Geldpolitik noch weiter zu lockern. Beispielsweise werden die umstrittenen Anleihekäufe ab November wieder aufgenommen. Zudem hat die EZB den Einlagensatz von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent gesenkt. Dabei handelt es sich um Strafzinsen, die Banken an die EZB zahlen müssen, wenn sie überschüssige Gelder bei ihr parken.

Das hat direkte Konsequenzen für Sparer: Inzwischen geben 115 Banken und Sparkassen diese Strafzinsen an Geschäfts- und Privatkunden weiter. Dies hat das Verbraucherportal biallo.de per Umfrage unter den Geldhäusern ermittelt. Das Bürgerliche Gesetzbuch verbietet es zwar den Banken, Negativzinsen zu verlangen. Denn Zinsen dürfen demnach nur Schuldner zahlen und nicht die Sparer. Doch de facto müssen Letztere dann aber doch drauflegen, und zwar über sogenannte Verwahrentgelte für größere Vermögen, oft ab 100 000 Euro. Oder - etwas subtiler - über höhere Kontogebühren. Mit anderen Worten: Sparer bezahlen ihre Bank dafür, Geld bei ihr abgeben zu dürfen. Die Zinswelt steht Kopf. Besserung ist nicht in Sicht. Wann die Zinsen in der Eurozone wieder steigen, vermag derzeit kein Experte zu sagen. Der Anlagedruck, den der Autor bereits 2016 an dieser Stelle beschrieben hat, besteht fort.

Damit schließt sich der Kreis zum hiesigen Immobilienmarkt, dem selbst eine drohende Konjunkturabkühlung wohl nicht viel anhaben dürfte. Zwar ist der IW-Immobilien-Index - er bildet die Stimmung in der Immobilienwirtschaft ab - im September zum dritten Mal in Folge gesunken, dennoch bleibt der deutsche Markt nicht zuletzt für ausländische Investoren attraktiv. "Sie schätzen vor allem die hohe Stabilität, mit der sich die Performance ihrer Portfolios langfristig optimieren lässt", sagt Immobilienökonom Ralph Henger vom IW. Dafür akzeptieren sie auch immer niedrigere Erträge.

Wo sich Immobilieninvestments noch lohnen

Doch es gibt auch Auswege: Wer sich mit Renditen auf dem Level der Inflationsrate nicht zufrieden geben möchte, muss einen Blick über den Tellerrand der "Big 7" werfen. Das ist im zehnten Jahr des Immobilienbooms keine neue Erkenntnis. Neu ist aber durchaus, wie weit der Blick inzwischen schweifen muss. In der "5-Prozent-Studie" geht Bulwiengesa der spannenden Frage nach, bei welchen Marktsegmenten genau diese Rendite noch erzielbar ist. Selbst bei Büroimmobilien in B- und C-Lagen lässt sich der Wert nicht erreichen, sondern erst in D-Lagen (siehe Abbildung 2).

Investoren bleibt also keine andere Wahl, als nach None-Core-Objekten zu suchen. Sie liegen abseits der zentralen Lagen, weisen Managementdefizite wie Leerstände auf und haben oft instabile Vermietungsstrukturen. Hinzu kommen die erhöhten Liquiditätsrisiken - bei Phasen abschwächender Investmentnachfrage sinkt die Verkäuflichkeit dieser Objekte überproportional, warnen die Studienautoren.

Voraussetzungen für einen Investmenterfolg

Dieses erhöhte Risikoprofil geht dafür mit erhöhten Performancemöglichkeiten einher. Im Rechenmodell der Studie sind Renditen bis zu zwölf Prozent in kleineren D-Bürostandorten möglich. Die Voraussetzung für einen Investmenterfolg: lokale Expertise und Vernetzung. Über solches Spezialwissen dürften jedoch längst nicht alle Investoren verfügen.

Die Erfahrung aus einer Vielzahl von Transaktionen in diesem Segment zeigt, dass der Schlüssel für eine effiziente und nachhaltige Revitalisierung von Bestandsimmobilien nicht unbedingt in großen baulichen Änderungen liegt. Vielmehr geht es häufig darum, stimmige neue Nutzungskonzepte verbunden mit passenden Mietern zu finden und Investoren eine vollständige Due Diligence zu ermöglichen. Eine Detailarbeit, die sich auszahlt. Der positive Nebeneffekt: Den Bestandsimmobilien wird neues Leben eingehaucht und die wirtschaftliche Situation der kleineren Orte verbessert.

DER AUTOR JOCHEN PRINZ, Geschäftsführer, CINTHIA Real Estate GmbH, Mohnheim am Rhein
Jochen Prinz , Geschäftsführer, CINTHIA Real Estate GmbH, Mohnheim am Rhein

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