PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

"DER AUFBAU DES PFANDBRIEFGESCHÄFTS BERÜHRT NAHEZU ALLE PROZESSE UND SYSTEME DER BAUSPARKASSE"

Jürgen Giessler, Foto: Bausparkasse Schwäbisch Hall

Ende 2015 sind das Bausparkassengesetz und die Bausparkassenverordnung umfassend angepasst worden. Im Mittelpunkt der Novellierung steht neben der Erweiterung zur Vergabe sonstiger Baudarlehen, der Vergrößerung des Anlagespektrums um Aktien sowie der Anhebung der Beleihungsgrenze bei Darlehen zur Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum vor allem auch die Eröffnung der Refinanzierung über den Pfandbrief. Das Interesse an dem traditionsreichen deutschen Kapitalmarktinstrument ist groß: Vier Bausparkassen verfügen inzwischen über eine Lizenz zur Emission von Hypothekenpfandbriefen. Zu diesem Kreis gehört seit kurzem auch die Bausparkasse Schwäbisch Hall (BSH). Der Marktführer unter den Bausparkassen wird voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2019 sein Debüt absolvieren. Im Interview mit I & F erörtert der zuständige Finanzvorstand Jürgen Gießler die Hintergründe für den Schritt an den Pfandbriefmarkt. Red.

Herr Gießler, die Bausparkasse Schwäbisch Hall befindet sich derzeit in den Vorbereitungen für ihre erste Pfandbrief-Emission. Was genau waren die Beweggründe, sich diese Refinanzierungsquelle zu erschließen?

Wir haben uns in den vergangenen Jahren strategisch weiterentwickelt: Im Baufinanzierungsgeschäft verzeichnen wir ein gutes Neugeschäftsvolumen. Die Baufinanzierungskredite refinanzieren wir aktuell aus Bauspareinlagen, wobei wir aufgrund des ansteigenden Bestandsvolumens eine weitere Refinanzierungsquelle nutzen wollen. Und hier kommen Pfandbriefe ins Spiel: Sie sind eine stabile, nachhaltige und günstige Refinanzierungsquelle.

Welche neuen Investorengruppen hoffen Sie sich mithilfe des Pfandbriefs zu erschließen?

Mit den Pfandbriefemissionen zielen wir auf institutionelle Investoren ab, beispielsweise Versicherungen, Pensionsfonds et cetera. Selbstverständlich wollen wir auch die Banken der genossenschaftlichen Finanzgruppe als Käufer für unsere Pfandbriefe gewinnen. Wir wollen sowohl Namens- als auch Inhaberpfandbriefe emittieren und mittelfristig auch im Benchmark-Bereich.

Wie anspruchsvoll sind der Aufbau und die Implementierung des Pfandbriefgeschäfts? Lassen sich die finanziellen und organisatorischen Aufwände ungefähr beziffern? Und wann werden sich die amortisieren?

Der Aufbau des Pfandbriefgeschäfts berührt nahezu alle Prozesse und Systeme der Bausparkasse: Von der Kundenberatung, in der neue beziehungsweise andere Anforderungen zu berücksichtigen sind, über der Kreditbearbeitung, die sich mit BelWertV und Veränderungen in der Beleihungswertermittlung auseinandersetzen muss bis zur Unternehmenssteuerung, welche die Pfandbriefe entsprechend planen und ein Reporting aufbauen muss.

Außerdem müssen wir neue Aufgaben implementieren, wie das Treuhänderwesen oder den eigentlichen Emissionsprozess für unsere Pfandbriefe. In Summe kommen also viele Aufgabenstellungen zusammen. Wir sind aber zuversichtlich, dass sich der Aufwand durch den Refinanzierungsvorteil zeitnah decken wird.

Können Sie dabei von den gemachten Erfahrungen im genossenschaftlichen Finanzsektor profitieren? Und welche Unterstützung erfahren Sie vom Verband deutscher Pfandbriefbanken?

Im DZ-Konzern und im genossenschaftlichen Verbund können wir auf viel Wissen und Erfahrung zurückgreifen. Das ist sehr wertvoll und macht ja die Stärke der genossenschaftlichen Finanzgruppe aus. Beispielsweise unterstützt die DZ Bank bei der Emission der Pfandbriefe, die DZ Hyp übernimmt einen Teil der Abwicklung.

Unsere Entscheidung, dem Verband deutscher Pfandbriefbanken früh beizutreten, hat sich auf jeden Fall gelohnt: Der vdp ist die zentrale Instanz für alle Fragen rund um den Pfandbrief. Wir haben in den vergangenen Monaten sehr von der Hilfsbereitschaft und der Professionalität der Kollegen dort profitiert.

Wie lange hat es im Fall der BSH von der Beantragung der Pfandbrieflizenz bis zur Genehmigung gedauert? Und wie empfanden Sie dabei die Zusammenarbeit mit der BaFin?

Der Prozess hat von den ersten Arbeiten am Lizenzantrag bis zur Erteilung der Lizenz etwa zwei Jahre gedauert. Wir haben den Antrag bereits frühzeitig gestellt und konnten somit ohne großen Termindruck mit der Aufsicht arbeiten. Die Zusammenarbeit mit der Aufsicht war professionell und konstruktiv.

Welche Bedeutung soll der Pfandbrief perspektivisch im Refinanzierungsmix von Schwäbisch Hall einnehmen? Welche Rolle spielen daneben Bauspareinlagen, Tages- und Termingelder beziehungsweise ungedeckte Anleihen?

Wir sind und bleiben eine Bausparkasse. Die Refinanzierung über Pfandbriefe wird auch künftig nur einen relativ kleinen Teil unserer Bilanzsumme ausmachen. Aufgrund unserer Größe wird das dennoch eine beachtenswerte Summe sein. Tages- und Termingelder nutzen wir - wie bisher - weiterhin zur Steuerung der kurzfristigen Liquidität.

Bausparkassen sind bekanntlich auch im Bereich der energetischen Modernisierung sehr aktiv und der Bedarf dürfte hier in den kommenden Jahren weiterwachsen. Käme vor diesem Hintergrund perspektivisch auch ein grüner Pfandbrief für Sie in Frage?

Absolut richtig, wir sind in diesem Segment seit Jahrzehnten sehr aktiv. Dies sind im engeren Sinne energetische Modernisierungen bestehender Wohngebäude, aber auch energieeffizientes Bauen fällt darunter. Somit sind bereits viele Deckungswerte "grün". Folglich ist der Schwäbisch-Hall-Pfandbrief de facto und ohne explizite Zertifizierung relativ nah an einem grünen Pfandbrief. Ob und wann wir uns darum kümmern, kann ich heute noch nicht beurteilen. Zunächst wollen wir Erfahrungen im klassischen Pfandbriefgeschäft sammeln und uns dort entsprechend etablieren.

Denken Sie, dass die Refinanzierung über den Pfandbrief weiter so günstig bleibt? Oder ist infolge des langsamen Rückzugs der EZB mit einer signifikanten Verteuerung zu rechnen?

Natürlich waren und sind die Pfandbrief-Spreads durch die EZB auf sehr niedrigem Niveau. Aber auch schon vor dem Eingreifen der EZB waren die Spreads um oder auf Swap-Niveau. Ich rechne deshalb nicht damit, dass sich durch den Rückzug der EZB die Spreads deutlich ausweiten. Im Gegenteil: Wenn sich die EZB aus diesem Markt zurückzieht, gibt es wieder Platz für die klassischen Pfandbriefinvestoren und das kommt uns entgegen. Vielleicht können wir davon als neuer Emittent sogar etwas profitieren.

Dem Vernehmen nach arbeitet Moody's derzeit an einem Pfandbriefrating für Ihr Institut. Rechnen Sie mit einer Dreifach-A-Einstufung?

Moody's hat vor kurzem bereits das Bankenrating für die Bausparkasse Schwäbisch Hall veröffentlicht: Wir freuen uns über ein sehr gutes Aa1-Rating. Natürlich streben wir für unsere Pfandbriefe ein Aaa-Rating an, auch um die gute Qualität der Deckungsmasse gegenüber dem Investor transparent zu machen. Vor dem Hintergrund des guten Ausgangsratings sollte daher ein Aaa-Rating möglich sein.

Können Sie etwas zur Größe und Zusammensetzung des Deckungsstocks sagen? Wird dieser ausschließlich aus wohnwirtschaftlichen Deckungswerten in Deutschland bestehen?

Die Deckungsmasse wird unser normales Geschäft widerspiegeln: Dies bedeutet einen Deckungsstock mit wohnwirtschaftlichen Objekten in ganz Deutschland. Die Objekte sind nahezu ausschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen. Das aktuelle Durchschnittskreditvolumen liegt bei rund 100 000 Euro. Damit, so glauben wir, hat unsere Deckungsmasse eine sehr gute Qualität, was unsere Pfandbriefe für Investoren attraktiv machen sollte.

ZUR PERSON JÜRGEN GIESSLER Mitglied des Vorstands, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch Hall
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