INSTITUTIONAL ASSET MANAGEMENT

"DER WEITERE AUSBAU DES IMMOBILIENPORTFOLIOS IST EIN KLARES STRATEGISCHES ZIEL FÜR DIE VERSICHERUNGSKAMMER"

Kathrin Vogels, Foto: Versicherungskammer

Die Assetklasse Immobilien hat für die Assekuranz in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen und die Chancen stehen gut, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt. Dafür spricht insbesondere das nicht enden wollende Niedrigzinsumfeld und die damit einhergehende Renditeflaute am Rentenmarkt. Auch der Konzern Versicherungskammer verfolgt mit Blick auf sein Immobilienportfolio ehrgeizige Wachstumsziele, wie die seit Juli für das Segment verantwortliche Kathrin Vogels im folgenden Redaktionsgespräch mit "Immobilien & Finanzierung" unter anderem verrät. Red.

Frau Vogels, Sie haben zum 1. Juli die Leitung der Assetklasse Immobilien im Konzern Versicherungskammer übernommen. Ihr Amtsantritt fiel also in sehr unruhige Zeiten. Wie fällt Ihr erstes Zwischenfazit aus?

Es sind in der Tat sehr bewegte und herausfordernde Zeiten. Umso mehr ist es meinem Team und mir wichtig, nicht in Schockstarre zu verfallen, sondern die Corona-Situation auch als Chance zu begreifen. Das bei aller Vorsicht, die wir natürlich unverändert walten lassen. Insofern geht es also darum, sich bietende Opportunitäten im Immobiliengeschäft zu ergreifen. Abgesehen davon liegt mein Fokus stark darauf, unsere Prozesse zu verschlanken und, wo möglich, digitale Lösungen zu finden.

Ein besonderer Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit liegt im Aufbau und in der Weiterentwicklung des Immobilienportfolios. Wo steht die Versicherungskammer hier im Moment und woher kommt sie?

Unser Immobilienportfolio hat einen Marktwert von zirka sechs Milliarden Euro. Das entspricht einer Immobilienquote von gut neun Prozent auf Konzernebene. Noch im Jahr 2014 lagen wir bei unter fünf Prozent. Die größten Anteile des Portfolios entfallen dabei auf die Lebens- und Krankenversicherung.

Und Sie wollen perspektivisch weiterwachsen?

Ja, der weitere Ausbau des Immobilienportfolios ist ein klares strategisches Ziel für die Versicherungskammer. Nicht zuletzt deshalb, weil mit Blick auf die aktuellen staatlichen Hilfsmaßnahmen die derzeitige Niedrigzinsphase voraussichtlich noch lange anhalten wird. In einem solchen Umfeld ist es umso wichtiger auf verschiedene Assetklassen zu setzen; und die Immobilie gehört hier definitiv dazu.

Können Sie da ein wenig konkreter werden?

Auf mittlere Sicht ist eine Ausweitung auf rund acht Milliarden Euro vorgesehen. Diese Ausweitung soll insbesondere in der direkten Anlage erfolgen. So besteht in Deutschland unsere Strategie darin, möglichst nur Direktinvestments in Immobilien zu tätigen und diese rein über Eigenkapital zu finanzieren.

Besteht denn eigentlich eine aufsichtsrechtliche Obergrenze bei der Immobilienquote?

Wir haben auf Konzernebene keine regulatorische Vorgabe, lediglich intern. So soll auf Ebene der einzelnen Versicherer der Immobilienanteil am gesamten Kapitalanlagevolumen bei maximal 25 Prozent liegen.

Wie ist das Verhältnis zwischen direkter und indirekter Immobilienanlage und wie teilt sich das Portfolio geografisch auf?

Der direkt gehaltene Bestand macht zirka 65 Prozent aus, die dazugehörigen Liegenschaften befinden sich in Deutschland. Die restlichen 35 Prozent entfallen auf indirekte Anlageformen, überwiegend Spezialfonds, wobei der geografische Schwerpunkt auf Europa exklusive Deutschland, Asien und Nordamerika liegt.

Weshalb diese Vorgehensweise bei der Ausweitung der direkten Anlagen?

Das hat verschiedene Gründe. Die Objekte auf der eigenen Bilanz zu halten bietet vor allem den Vorteil, dass keine zusätzlichen Kosten oder Auflagen einer indirekten Anlage ausgelöst werden. Und die Unabhängigkeit von Partnern auf der Finanzierungsseite verschafft uns letztlich größtmögliche Flexibilität.

Wie gehen Sie bei den Ankäufen in Deutschland vor?

Unser Ankaufsprofil hat sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt. Einerseits ist unser Fokus auf den Top-7-Städten. Andererseits versuchen wir gerade in Bayern verstärkt auch regionale Opportunitäten zu identifizieren und zu nutzen. Das passt gut zu unserer Ausrichtung als regionaler Versicherer und auch zu unseren Geschäftspartnern in den jeweiligen Regionen.

Welchen Nutzungsmix peilen Sie dabei an?

Unsere Strategie sieht vor, dass sich Wohnen und Gewerbe in etwa die Waage halten, wobei die Nutzungsart Büro bei letzterer Kategorie klar im Fokus steht. Momentan bilden wir das schon recht gut ab.

Wie hat sich Ihr Portfolio bislang in der Corona-Krise geschlagen?

Unsere direkt gehaltenen Immobilien verfügen über gute Qualität, hier hatten wir bislang wenig Mietstundungen oder -ausfälle zu verzeichnen. Bei den indirekten Anlagen waren wir durch unser Investment in Karstadt stärker betroffen. Durch massive Zugeständnisse zu Mietreduzierungen konnten wir die sofortige Schließung von drei Berliner Filialen abwenden. Auch wenn wir renditeorientiert handeln, kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt dazu: Als öffentlicher Versicherer übernehmen wir auch gesellschaftliche Verantwortung. Und dieser gilt es insbesondere dieser Tage, in Zeiten der Pandemie, gerecht zu werden.

Können Sie die Folgen des im November begonnenen zweiten Lockdowns schon abschätzen?

Nein, dafür ist es noch zu früh. Bislang jedenfalls haben wir keine negativen Auswirkungen gespürt, aber Immobilien haben bekanntlich einen etwas nachgelagerten Zyklus.

Wie beeinflusst die Corona-Krise Ihre Ankaufsstrategie? Gehen Sie noch einmal bewusst konservativer vor, etwa indem Projektentwicklungen per se ignoriert werden?

Nein. Stattdessen orientieren wir uns an der bereits erwähnten, langfristig ausgerichteten Immobilienstrategie sowie dem dazugehörigen Ankaufsprofil, das durchaus auch Projektentwicklungen vorsieht. Sofern der dabei zur Anwendung kommende standardisierte Prüfprozess positiv ausfällt und wir an das Projekt glauben, machen wir es auch.

Wie handhabt die Versicherungskammer das Management der Liegenschaften?

Das Asset Management machen wir selbst - die Expertise ist im Haus vorhanden und gehört bei den Immobilien zu unserem Kerngeschäft. Das Property Management erfolgt teils intern, teils extern. Das Facility Management wird extern erbracht, hier haben wir entsprechende Rahmenverträge mit Dienstleistern.

Täuscht der Eindruck oder tritt die Versicherungskammer verstärkt auch als Bauherr auf?

Das ist in der Tat ein zunehmend wichtiges Thema, vor allem mit Blick auf die in Metropolen äußerst angespannte Situation am Wohnungsmarkt. Wir sind deshalb zum Beispiel in München immer auf der Suche nach Möglichkeiten, zusätzliches Baurecht zu mobilisieren. Denn wir wollen zur Schaffung von Wohnraum beitragen. Wenn möglich, entsteht dabei auch die dazugehörige Infrastruktur - mit Kindertagesstätten oder Supermärkten. Im Juni 2020 haben wir beispielsweise die Projektarbeiten zur Bebauung unseres Gebäudeensembles in München im Stadtteil Bogenhausen abgeschlossen - im Erdgeschoss zog ein Supermarkt als Mieter ein, auch eine Kindertagesstätte befindet sich in der Nähe. Auch hier sehen wir uns als öffentlicher Versicherer in der Pflicht und es ist ein idealer Ansatzpunkt für gelebte gesellschaftliche Verantwortung.

Vermutlich ist Nachhaltigkeit ein weiteres Thema in diesem Kontext. Wie beeinflusst dieser Aspekt das Immobilienmanagement der Versicherungskammer?

Das Thema ist zweifellos nicht mehr wegzudenken. Den Druck spüren wir im Übrigen nicht nur vonseiten des Gesetzgebers, sondern vor allem auch von der Anlegerseite her. Insbesondere bei den Lebensversicherern sind nachhaltige Produkte mittlerweile fest etabliert. Der Konzern Versicherungskammer hat deshalb auch die Principles for Responsible Investments (PRI) unterzeichnet.

Die darin enthaltenen Prinzipien verpflichten uns, unter Berücksichtigung bestimmter Ausschlusskriterien möglichst gezielt in nachhaltige Vermögenswerte zu investieren. Mit Blick auf Immobilien ist das letztlich sehr vielschichtig: Unter anderem ist die Verwendung bauökologischer Materialien vorgeschrieben, während andere, schädliche Baustoffe untersagt sind.

Ist die Versicherungskammer eigentlich auch in der Immobilienfinanzierung aktiv?

Ja, in der Assetklasse Zinsen gibt es eine Abteilung Realkredit, die bei ausgewählten Immobilienfinanzierungen aktiv wird, und zwar einerseits als Partner der Sparkassen und andererseits auch bei Finanzierungen von größeren Immobilien. Es geht dabei vorwiegend um langlaufende Baufinanzierungskredite mit Zinsbindungen von über zehn Jahren.

Existieren noch weitere Schnittstellen mit den Sparkassen im Immobiliengeschäft?

Durchaus. Die Sparkassen gehören zu den größten Immobilienvermittlern in Deutschland. Wir suchen somit den Dialog mit den Sparkassen, um davon noch besser profitieren zu können. Insbesondere vor dem Hintergrund unserer bereits skizzierten Strategie der regionalen Opportunitäten wollen wir die Zusammenarbeit an dieser Stelle intensivieren.

Wie beeinflusst die Digitalisierung das Immobiliengeschäft der Versicherungskammer?

Versicherer sind, wie viele andere Branchen auch, inmitten eines großen Transformationsprozesses. Alle Steine werden aktuell umgedreht. Somit befinden wir uns auf der Suche nach digitalen Lösungen, die oft auch interdisziplinär sind. Ein Beispiel: Die Versicherungskammer ist in Bayern der größte Wohngebäudeversicherer. Gleichzeitig sind mit Blick auf die Wohngebäudeversicherung für uns im Konzern grundsätzlich alle Innovationen im Bereich "Smart Home" interessant.

Deshalb interessiert uns in der Immobilienabteilung die Künstliche Intelligenz, die unsere Kollegen aus der Versicherungssparte entwickeln. Konkret geht es um selbstlernende Wassersensoren in Mehrfamilienhäusern, die im Fall eines Wasserschadens automatisch das Rohr absperren und so den Schaden minimieren können.

Würden Sie das Immobiliengeschäft noch immer als (zu) papierlastig beschreiben?

Ja, wobei ich feststelle, dass momentan viele Fortschritte gemacht werden. Das fängt mit den externen Dienstleistern an, die Rechnungen nicht mehr auf Papier ausstellen, und reicht bis zu Fondszeichnungen oder Gesellschafterbeschlüssen. Gewisse Dinge, etwa der Mietvertrag, werden aber wohl noch lange in Papierform erforderlich sein, schon allein aus gesetzlichen Gründen. Aber auch das hindert uns natürlich nicht daran, diese Dokumente ordentlich digital aufzubereiten. Und nicht zuletzt zeigt uns die Corona-Pandemie mit vielen Tagen im Home Office den Weg in eine zunehmend papierlose Welt.

ZUR PERSON KATHRIN VOGELS Leiterin Assetklasse Immobilien, Konzern Versicherungskammer, München
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