FACILITY UND PROPERTY MANAGEMENT

"WER BILLIG EINKAUFT, INVESTIERT DOPPELT"

Susanne Tattersall, Foto: HEJM

Die Tattersall·Lorenz Immobilienverwaltung und -management GmbH (Tattersall Lorenz) ist ein von Susanne Tattersall als Inhaberin geführtes Property-Management-Unternehmen. Es ist seit mehr als 20 Jahren am Markt und war zuletzt vom Bell-Report zum markenstärksten Property Manager in Deutschland gekürt worden. 2020 erfolgte die Gründung der von Susanne Tattersall und Martin Henke gemeinsam geführten Tochtergesellschaft talyo. Property Services GmbH (Talyo), die sich ausschließlich auf die Betreuung von Wohnimmobilien konzentriert. Im Interview mit I & F sprechen die beiden über die Entwicklung ihrer Unternehmen, aber natürlich auch über die allgemeinen Trends im Property-Management-Markt. Red.

Frau Tattersall, Sie haben als Mitglied des BAMBI-Kreises, einer Runde aus Vorständen und Geschäftsführern der größten Real-Estate-Investoren und Property Manager Deutschlands, an einem Leistungsverzeichnis für das Property Management mitgearbeitet, das kürzlich veröffentlicht wurde. Was war der Anlass eine solche Übersicht zu erstellen?

Susanne Tattersall: Ziel war es, ein gemeinsames Leistungsverzeichnis für das Property Management zu entwickeln und einen Marktstandard zu definieren. Ausgangspunkt war die Tatsache, dass am deutschen Markt kein allgemein gültiger Standard bestand, wogegen im Asset und Facility Management derartige Festschreibungen bereits existierten. Im Ergebnis ist bis heute eine Vielfalt an verschiedenen Leistungsverzeichnissen im Property Management vorhanden, was weder für die Branche noch für ihre Kunden hilfreich ist. Diese Situation entspricht auch nicht dem Stellenwert des Property Managements, das es innerhalb der professionellen Betreuung einer Immobilie innehat.

Property Management ist wichtig, keine Frage. Aber wie verstehen Sie genau Ihre Rolle in der Verantwortungskette zwischen Eigentümer, Asset Manager, Facility Manager und Nutzer?

Susanne Tattersall: Die Rolle des Property Managers ist im Grunde die des "Kümmerers" mit Fokus auf die jeweiligen Objekte. Seine Aufgabe besteht darin, die Werterhaltung der betreuten Immobilien sicherzustellen. Dazu gehört sowohl die Pflege der Mieterschaft, als auch die regelmäßige Kontrolle des baulichen und technischen Zustandes der Liegenschaften und die Ergreifung notwendiger Maßnahmen, um diesen zu erhalten oder zu verbessern.

In erster Linie geht es darum, eine größtmögliche Zufriedenheit der Mieter zu erreichen. Dafür ist die Rolle des Property Managements unter anderem - aber nicht ausschließlich - die eines Kommunikators zwischen allen an der jeweiligen Immobilie beteiligten Stakeholdern.

Martin Henke: Man kann sagen, dass wir die gegenseitigen Interessen aufnehmen, umsetzen und gegebenenfalls ausgleichen, zum Wohle der Mieter und Objekte und im Sinne der Werterhaltung für die Eigentümer. Dabei steuern wir das Facility Management unter Berücksichtigung aller kaufmännischen und technischen Vorgaben, berichten an das Asset Management und/oder den Eigentümer und halten somit an einer entscheidenden Schnittstelle die Fäden in der Hand.

Sie engagieren sich auch im Pre-Property-Management. Was genau bedeutet das?

Susanne Tattersall: Dabei wird bereits während der Start-up-Phase die Grundlage für eine spätere erfolgreiche Bewirtschaftung der Immobilie oder auch eines gesamten Portfolios gelegt. Unsere Experten betreuen die Ausschreibung und Auswahl der Dienstleister in allen wichtigen Disziplinen und sind beratend in essenzielle Entscheidungsprozesse eingebunden, sodass bereits zum offiziellen Property-Management-Start die vom Asset Management eingeschlagene Strategie effizient umgesetzt wird.

Apropos Strategie: Spüren Sie als Property Manager in Ihrer täglichen Arbeit eine steigende Bedeutung der ESG-Kriterien, sowohl im eigenen Unternehmen als auch im Umgang mit Ihren Kunden?

Susanne Tattersall: Das Thema ESG hat sich rasant zu einem wichtigen Faktor im Property Management entwickelt, sowohl im eigenen Unternehmen, wo wir bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Rahmen unserer ISO Zertifizierungen (ISO 9001 Qualitätsmanagement, ISO 14001 Umweltmanagement und ISO 27001 Informationssicherheit) mit unserem Code of Conduct und unserer Unternehmenspolitik wichtige Standards gesetzt haben. Aber auch im Management der von uns betreuten Immobilien und Portfolios setzen wir die Vorgaben unserer Kunden in diesen Bereichen um und stehen beratend zur Verfügung.

Martin Henke: Allerdings fällt uns auf, dass die Bedeutung der ESG-Kriterien noch unterschätzt wird und die Budgets für ihre Einhaltung deshalb zu knapp bemessen sind. Besonders gilt das bei Bestandsobjekten, für die oftmals keine Mittel zur Umsetzung von ESG-Maßnahmen vorgesehen sind. Dabei wäre ein "Retro-Fitting" hier für die Werterhaltung der Immobilien zum einen und die Zufriedenheit der Nutzer zum anderen durchaus sinnvoll und wünschenswert.

Aber auch bei Projektentwicklungen muss ein Umdenken einsetzen und die passende Gebäudeausstattung besser beachtet werden, beispielsweise bei der Auswahl von Strom- und Wasserzählern. Denn sie ist elementar, um später die Objekt-Perfomance in Bezug auf Effizienz und Mengenverbrauch richtig einschätzen zu können und Optimierungspotenziale zu heben.

Wie schaffen Sie es, alle drei Komponenten - Social, Environment und Governance - gleichberechtigt zu behandeln, oder geht das gar nicht?

Susanne Tattersall: Meines Erachtens geht es nicht darum, die drei Komponenten gleichberechtigt zu behandeln. Viel wichtiger ist es, sich mit allen drei Themen regelmäßig auseinanderzusetzen. Dazu gehört es, für die Immobilien und ihre Nutzung angemessene Zielsetzungen zu erarbeiten und anschließend gemeinsam mit allen Stakeholdern an deren Erreichung zu arbeiten. Mit einem geänderten Mindset und dem Blick auf die Gesamtheit der einzelnen Komponenten kann es dann gelingen, alle drei Kriterien im Auge zu behalten und so Mehrwerte für die Objekte, ihre Nutzer und Eigentümer, aber auch die Gesellschaft an sich zu erzielen.

Martin Henke: Das stimmt. Entscheidend ist aber in jedem Falle die Grundeinstellung aller Beteiligten und die Bereitschaft für ESG-konformes Handeln. Fairerweise muss ich aber anmerken, dass bei der Objektbewirtschaftung bisher ökologische Aspekte die größte Beachtung erfahren.

Herr Henke, Talyo fokussiert sich einzig und allein auf das Property Management von Wohnimmobilien. Ist das nicht zu eng gedacht?

Martin Henke: Ganz im Gegenteil. Der Bereich Wohnimmobilien ist in den vergangenen Jahren ein sehr diversifizierter Markt beziehungsweise eine eigene vielfältige Assetklasse geworden. Inzwischen gibt es neben den klassischen Wohnimmobilien auch Serviced Apartments, studentisches Wohnen, Micro Living oder betreutes Wohnen im Pflegebereich. All diese verschiedenen Segmente haben teilweise sehr unterschiedliche Anforderungen und Besonderheiten, die sowohl in der Konzeption für das Property Management als auch in der täglichen Bewirtschaftung zu berücksichtigen sind.

Können Sie das bitte näher erläutern?

Martin Henke: Die jeweiligen Vermarktungsstrategien unterscheiden sich stellenweise signifikant und erfordern unterschiedliche Betrachtungsweisen und Ansätze. Gleichzeitig nutzen wir die Synergieeffekte, die sich durch die Konzentration auf den Wohnbereich ergeben. So profitiert die klassische Wohnungsverwaltung von Innovationen, die beispielsweise aus dem Micro-Living-Segment kommen.

Man wird sicher in der Zukunft auch klassische Wohnungen einfach online mieten und wir können dann bereits auf unsere Strukturen und Erfahrungen aus anderen Segmenten des Residential-Bereichs zurückgreifen. Prinzipiell bin ich davon überzeugt, dass Unternehmen, die alle Leistungen anbieten wollen, ihr Profil verlieren und am Markt nicht als Spezialist wahrgenommen werden.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Property Management bei den einzelnen Immobilien-Assetklassen ausgewirkt? Gibt es Unterschiede und wenn ja, welche?

Susanne Tattersall: Hotels und Gastronomie waren bedingt durch den langen Lockdown massiv betroffen, der Einzelhandel, soweit er nicht auf den Onlinehandel umgestellt werden konnte, hat ebenfalls gelitten. Dagegen hatte der Bürobereich weniger mit den Auswirkungen zu kämpfen und die Logistikimmobilien - und hier insbesondere die sogenannten Last-Mile-Immobilien - haben sich nicht zuletzt durch das verstärkte E-Commerce-Aufkommen überwiegend positiv entwickelt.

Martin Henke: Das Informationsbedürfnis hat sich erhöht. Unsere Auftraggeber wollen die Auswirkungen der pandemischen Lage auf das Immobilieninvestment genau analysieren und verstehen und erwarten von uns Zuarbeiten bei der Bereitstellung entsprechender Daten und Informationen.

Zu den Veränderungen, die sich in der Corona-Krise ergeben haben, gehört unter anderem das gesteigerte Interesse vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Thema Homeoffice. Wie behandeln Sie diesen Aspekt?

Susanne Tattersall: Das Angebot des mobilen Arbeitens gab es für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits vor der Pandemie, sodass der Übergang für uns ein sehr geschmeidiger war. Das spiegelt sich im Feedback unserer Kunden wider, die die gleichbleibende Qualität unserer Arbeit und weiterhin schnelle Reaktionszeit während der Corona-Krise durchaus bemerkt haben. Aber als innovatives Unternehmen fördern wir unabhängig von der Pandemie das mobile agile Arbeiten auf allen Ebenen.

Somit ermöglichen wir unserer Belegschaft zielorientiertes Arbeiten und bieten gute Möglichkeiten, private und dienstliche Interessen miteinander zu verbinden. Selbstverständlich ist uns dabei auch wichtig, dass die Unternehmenskultur und das Miteinander der Teams nicht darunter leiden. Deshalb empfehlen wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern teambezogen ein bis zwei feste Office-Tage in der Woche.

Martin Henke: Talyo wurde während der Pandemie gegründet und wir haben die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Einarbeitung und die Übernahme von Immobilien aus dem Homeoffice heraus erledigt. Das sogenannte "mobile Arbeiten" ist damit ein wesentlicher Teil unseres Setups und beeinflusst die tägliche Arbeit sehr positiv.

Daran schließt sich die Frage an, wo steht die Property-Management-Branche in puncto Digitalisierung?

Martin Henke: Die Digitalisierung ist und bleibt weiterhin ein fortlaufender Prozess. Das Thema entwickelt sich ständig weiter und die Potenziale sind enorm. Gleichzeitig ist es kostenintensiv und bedarf solider Ressourcen innerhalb der Unternehmen, um alle Herausforderungen zu meistern und in einem zeitlich adäquaten Rahmen umsetzen zu können. Die Branche steht hier immer noch am Anfang und es findet zu wenig Abstimmung statt. Die führenden Anbieter der ERP-Systeme entwickeln sich zwar allmählich in die richtige Richtung, jedoch viel zu langsam. Hoffnung macht die Proptech-Szene, die sich intensiv mit Lösungsansätzen beschäftigt.

Lösungen muss Ihre Branche aber auch bei den Themen Nachwuchsgewinnung, Fachkräftemangel und Employer Branding entwickeln. Wie gehen Sie damit um?

Susanne Tattersall: Wir betreiben aufgrund unseres stetigen und nachhaltigen Wachstums in der Vergangenheit bereits seit Jahren einen großen Aufwand bei der Rekrutierung adäquaten Personals, aber auch im Employer Branding. Dies erfordert eine erhöhte Sichtbarkeit auf vielen verschiedenen Kanälen, gerade auch im Bereich Social Media.

Wir haben das große Glück, durch unsere exzellente Reputation in der Branche und unsere langjährige Präsenz am Markt für potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und haben keine größeren Probleme bei der Mitarbeitergewinnung.

Aber natürlich darf man sich darauf nicht ausruhen und muss ständig neue Ideen entwickeln. So können die Angestellten von Tattersall Lorenz und Talyo neben vielen attraktiven Benefits wie Gesundheitsvorsorge, Obstkorb, kostenfreien Getränken nun auch über "JobRad" beispielsweise ein Wunsch-E-Bike bestellen, das wir als Unternehmen leasen und den steuerlichen Vorteil an sie weitergeben. Darüber hin aus investieren wir intensiv in die Aus- und Weiterbildung von Nachwuchskräften mit klassischen dualen Ausbildungsgängen, aber auch in Kooperationen mit Hochschulen in Bezug auf duale Studiengänge. Außerdem positionieren wir uns als interessanter Arbeitgeber für Werkstudenten.

Haben Sie als eigentümergeführtes Unternehmen beim Kampf um Kandidaten dabei eher Vorteile oder zieht es die Fachkräfte eher zu den Property-Management-Units der großen Immobilienkonzerne?

Susanne Tattersall: Der Markt signalisiert uns hier beinahe täglich die Vorteile eines inhabergeführten mittelständischen Arbeitgebers. Die Kandidaten sehen in unserem Unternehmen die Möglichkeit sich aktiv einzubringen und Prozesse zu entwickeln. Wir sehen in unserer Struktur mit den wirklich flachen Entscheidungsebenen einen Wettbewerbsvorteil und können damit auch unentschlossene Kandidaten von uns überzeugen.

Martin Henke: Letzten Endes kommt es hier allerdings auch auf die Präferenzen der jeweiligen Fachkräfte an. Aber die flachen Hierarchien und die Chance wirklich schnell Verantwortung nicht nur versprochen, sondern übertragen zu bekommen, reizt viele.

Wenn Sie einen Wunsch für Ihre Branche freihätten, welcher wäre das?

Susanne Tattersall: Es sollte weitere Initiativen wie die BAMBI-Runde und ECORE (ESG-Circle of Real Estate) geben, um die Standards und damit die Position des Property Managements zu stärken, auch und vor allem in Fragen der angemessenen, fairen Vergütung. Es muss leider immer noch klarer kommuniziert werden, dass ein professionelles Property Management eben nicht zu Niedrigtarifen zu bekommen ist. Hier verweise ich besonders auf die erheblichen Gehaltssteigerungen in unserer Branche in den vergangenen Jahren sowie die gewachsenen Anforderungen an die Ausbildung unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ohne die es in der Immobilienwirtschaft nicht geht. Denn im Property Management werden Werte geschaffen oder eben auch vernichtet, wenn man sich als Auftraggeber für den falschen und/oder zu günstigen Partner entscheidet. Mein Credo lautet daher: Wer billig einkauft, investiert doppelt!

Martin Henke: Ich wünsche mir, dass wir in den kommenden Jahren unsere technischen Hausaufgaben zügig er ledigen und uns bald passende ERP-Systeme und noch besser ausgereifte digitale Tools zur Verfügung stehen. Denn dadurch würde das Property Management für junge, innovative und engagierte Köpfe noch attraktiver und die Freude, serviceorientiert für unsere Mieter da zu sein, eine Berufsgeneration weitergegeben

Susanne Tattersall , Geschäftsführende Gesellschafterin, Tattersall·Lorenz Immobilienverwaltung und -management GmbH, Berlin
Martin Henke , Geschäftsführer , talyo Property Services GmbH, Berlin

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X