BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2021

"DAS EINFAMILIENHAUS IST MIT SICHERHEIT KEIN AUSLAUFMODELL"

Jan Putfarken, Foto: LBS Nord

Jan Putfarken hat am 1. Januar 2021 den Vorstandsvorsitz der LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin - Hannover übernommen. Im Interview mit "Immobilien & Finanzierung" spricht Putfarken, der bereits seit 2009 Vorstandsmitglied der LBS Nord ist, über das Bauspargeschäft in Corona-Zeiten, die hohe Krisenresilienz des Wohnimmobilienmarkts sowie die sich derzeit bietenden Chancen und Hindernisse für Wohneigentum in Deutschland. Dabei bezieht er unter anderem auch klar Stellung zu der kürzlich entfachten, mitunter sehr schrill geführten Debatte zur Zukunft des Einfamilienhauses. Red.

Herr Putfarken, wenn Sie eine Bilanz des vergangenen Jahres ziehen, wie beurteilen Sie das Geschäft der LBS Nord im Jahr 2020?

Beim Betriebsergebnis haben wir unsere Planungen leicht übertroffen - angesichts der ungünstigen Rahmenbedingungen durch Corona und die anhaltende Niedrigzinsphase ist das ein annehmbares Ergebnis. Erfreulich ist, dass wir im Jahr 2020 keine überdurchschnittlichen Kreditausfälle zu verzeichnen hatten und unsere Kunden bisher gut durch die Krise gekommen sind.

Die Kontaktbeschränkungen durch die Corona-Pandemie haben die Beratungsmöglichkeiten natürlich deutlich eingeschränkt. Unser Bauspargeschäft ist daher wie erwartet hinter den Planungen zurückgeblieben. Einen Teil der Ausfälle haben wir aber durch den Ausbau unserer digitalen Abschluss-, Betreuungs- und Serviceprozesse für unsere Vertriebspartner kompensieren können.

Stichwort Kreditgeschäft: Im vergangenen Jahr schienen Baufinanzierungen noch stärker als sonst gefragt zu sein. Können Sie das aus Ihrer Sicht bestätigen?

Wir haben in der Tat bei der LBS Nord im vergangenen Jahr deutlich mehr Kredite vermitteln können. Das betrifft vor allem den Bereich Sofortfinanzierungen. Hier haben wir rund 620 Millionen Euro für den Bau, den Kauf oder die Modernisierung von Wohneigentum bewilligt. Das ist ein erheblicher Zuwachs von 14,4 Prozent.

Diese Zahlen zeigen, dass die Nachfrage nach Wohneigentum weiter steigt und viele Menschen jetzt die günstige Zinssituation nutzen, um ihren Wohnwunsch zu verwirklichen. Das lässt sich übrigens auch an dem Vermittlungsergebnis unserer Immobilientochter ablesen, die ihren Kaufwertumsatz um 13 Prozent steigern konnte.

Denken Sie, dass sich auch bedingt durch Corona die Einstellung zum Wohneigentum geändert hat?

Es gibt einiges, das dafür spricht. Tatsächlich finden 40 Prozent der Mieter ihre Wohnsituation nach den Corona-Erfahrungen nicht mehr optimal, wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag von LBS Research gezeigt hat. Und ein weiteres Ergebnis: Bei 30 Prozent der Mieter ist infolge der Pandemie der Wunsch größer geworden, eine Immobilie zu erwerben.

Die Frage, wie man wohnt, hat also für viele Menschen durch den Lockdown noch einmal an Bedeutung gewonnen. Wer Homeoffice, Homeschooling und eingeschränkte Kontakt- und Freizeitmöglichkeiten erlebt, stellt sich natürlich die Frage, wie sich das Wohnumfeld in Richtung mehr Platz und Freiraum verändern lässt. Vor allem junge Familien wollen inzwischen oftmals lieber draußen im Grünen mit Garten und mit mehr Platz wohnen. Und diese Ansprüche - einschließlich geringerer Preise und Wohnkosten - lassen sich häufig eher im Umland erfüllen als mitten in der Stadt.

Sie haben die Preissituation angesprochen. Wie hat sich der Immobilienmarkt entwickelt und können sich junge Familien Wohneigentum überhaupt noch leisten?

Zunächst ist festzustellen, dass sich der Markt für Wohnimmobilien als äußerst robust in der Corona-Krise erwiesen hat. Weder hat das Interesse an Wohneigentum nachgelassen noch sind die Preise gefallen. Im Gegenteil: Nach einer kurzen, vorübergehenden Atempause haben sie weiter zugelegt. In Niedersachsen beispielsweise, das hat eine Analyse des Instituts Empirica ergeben, sind gebrauchte Einfamilienhäuser seit 2017 pro Jahr um durchschnittlich zehn Prozent teurer geworden.

Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass der Einstieg ins Wohneigentum für viele Menschen, und das betrifft vor allem junge Familien, deutlich schwerer geworden ist. So müssen diese heute wesentlich mehr Eigenkapital ansparen, um die eigenen vier Wände solide finanzieren zu können. Und auch die Kaufnebenkosten haben inzwischen eine beträchtliche Höhe erreicht und erschweren zusätzlich die Eigenkapitalsituation.

Auf der "Habenseite" gibt es zum Glück einige Faktoren, die den Weg zum Wohneigentum weiterhin begünstigen: Das sind zum einen die niedrigen Finanzierungszinsen, zum anderen staatliche Förderungen wie das Baukindergeld. Diese erfolgreiche Maßnahme läuft allerdings jetzt Ende März aus und sollte aus meiner Sicht unbedingt verlängert werden. Denn allein in Niedersachsen wurden bis Ende des vergangenen Jahres mehr als 37 000 Familien mit rund 790 Millionen Euro beim Erwerb der eigenen vier Wände unterstützt. Auch die aktuellen Verbesserungen bei der Wohnungsbauprämie sind gerade für junge Menschen ein echter Motivationsschub, wenn es darum geht, frühzeitig Eigenkapital für ein eigenes Zuhause anzusparen.

Die Wohneigentumsquote in Deutschland liegt im europäischen Vergleich fast am niedrigsten. Was müsste getan werden, damit sich das ändert?

Tatsächlich ist die Wohneigentumsquote bei uns in jüngster Zeit sogar noch gesunken, wie Empirica in der aktuellen LBS-Wohneigentumsstudie festgestellt hat. Laut der letzten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes lag der Anteil der Haushalte, die in ihren eigenen vier Wänden leben, nur noch bei 42 Prozent und damit um einen Prozentpunkt niedriger als fünf Jahre zuvor. Und wenn die Rahmenbedingungen für den Wohneigentumserwerb unverändert schwierig bleiben, wird sich auch bis zum Jahr 2030 daran nichts wesentlich ändern, so die Prognose von Empirica.

Auf die Frage, wie sich dieser Zustand ändern ließe, äußern viele Experten übereinstimmend: "bauen, bauen, bauen". Denn durch ein ausreichendes Neubauangebot würde auch ein Stück Preisdruck wegfallen - auch vom Bestandsmarkt. Voraussetzung ist natürlich, dass mehr Bauland ausgewiesen wird. Auch die Baugenehmigungsverfahren verlaufen vielerorts noch zu schleppend. Und ein weiterer Hebel wäre sicher bei den Kaufnebenkosten anzusetzen, es müsste also vor allem niedrigere Grunderwerbsteuersätze oder zumindest ein Freibetrag beim Ersterwerb geben.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die aktuelle Debatte um ein mögliches Eigenheimverbot? Ist das Einfamilienhaus ein Auslaufmodell?

Das Einfamilienhaus ist mit Sicherheit kein Auslaufmodell. Umfragen bestätigen immer wieder, dass das Eigenheim die beliebteste Wohnform in Deutschland ist. Und das ist nicht nur aus persönlichen Gründen, zum Beispiel wegen der höheren Wohnqualität und der größeren Unabhängigkeit nachvollziehbar. Auch aus politischer Sicht ist Wohnen im eigenen Haus ein überaus wichtiger Baustein, um breiten Bevölkerungsschichten Vermögensbildung und Altersvorsorge zu ermöglichen. Denn Wohneigentum ist vor allem deshalb eine gute Altersvorsorge, weil es die Wohnkosten im Rentenalter verringert.

Was die Diskussion um mögliche Eigenheimverbote angeht: Diese Debatte ist schnell sehr überspitzt geführt worden, woran man merkt, dass wir uns schon im Vorwahlkampf befinden. Vieles, was Anton Hofreiter von den Grünen in seinem vielzitierten Spiegel-Interview gesagt hat, ist auch aus der Sicht von Bausparkassen nicht wirklich skandalös, manches sogar vernünftig. Dazu gehört vor allem der Hinweis, dass über den Wohnungsbau vor Ort entschieden wird - und dies auch weiter werden soll.

Die eigenen vier Wände müssen auch nicht immer das freistehende Eigenheim sein, gerade in den Städten sind verdichtete Bauweisen auf kleinen Grundstücken sicher die bessere Lösung. Wir Bausparkassen setzen uns vor allem dafür ein, dass der Eigentumsbildung keine weiteren Steine in den Weg gelegt werden - und dabei hat auch das Einfamilienhaus im Umland nach wie vor seine Berechtigung.

Aber lassen sich denn gerade die ökologischen Bedenken gegen Einfamilienhäuser so leicht von der Hand weisen?

Am Eigenheim scheitert der Klimaschutz nicht - im Gegenteil. Neue Ein- und Zweifamilienhäuser werden nach den aktuellen energetischen Standards gebaut. Auch Plus-, Null- und Niedrigenergiehäuser gibt es nicht erst seit gestern. Tatsächlich sind Eigenheimbewohner sogar Vorreiter in Sachen Klimaschutz: Fast drei Viertel der Wohnungen in Deutschland, die mit erneuerbaren Energieträgern beheizt werden, sind Eigentümerwohnungen.

Und im Gebäudebestand sind es vor allem Eigentümer von selbst genutzten Immobilien, die energetisch sanieren und dadurch helfen, CO2-Emissionen zu reduzieren. Das zeigt sich auch daran, dass die staatliche Förderung der KfW für energetische Maßnahmen, die Anfang 2020 für selbst genutztes Wohneigentum erheblich verbessert wurde, gut in Anspruch genommen wird.

Oft thematisiert werden die längeren Pendelstrecken, zu denen das Wohnen im Grünen führt. Aber auch dafür gibt es gute Lösungsansätze, wie zum Beispiel den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs oder die zukünftige Zunahme der Elektromobilität. Und mit der immer stärkeren Verbreitung von Arbeiten im Homeoffice werden die Arbeitswege noch einmal deutlich reduziert werden.

Es bleibt aber das Argument, dass angesichts des Wohnungsmangels die wenigen vorhandenen Flächen genutzt werden müssen, um für möglichst viele bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie sehen Sie das?

Es werden in Deutschland ja gleichermaßen Einfamilienhäuser wie Mehrfamilienhäuser gebaut. Im Jahr 2019 waren das 19,1 Millionen in Ein- und Zweifamilienhäusern und 21,5 Millionen in Mehrfamilienhäusern. In beiden Kategorien kamen in den vergangenen zehn Jahren jeweils etwa eine Million Wohnungen dazu. Allerdings entwickelte sich der Neubau von Mehrfamilienhäusern in jüngerer Zeit deutlich dynamischer - sogar auf dem Land. Und das zeigt, dass bedarfs- und nachfragegerechtes Bauen augenscheinlich auch ohne Verbote von bestimmten Bauformen relativ flächenschonend funktioniert.

Und ich möchte noch auf einen Aspekt hinweisen, der auch durch Studien belegt wird: Der Neubau von Einfamilienhäusern schafft durch den sogenannten "Sickereffekt" auch bezahlbare Mietwohnungen für Geringverdiener. Denn in neue Häuser ziehen zumeist Familien, die mehr Platz benötigen. Sie machen dann oft eine größere Wohnung frei, die - zum Beispiel - ein kinderloses Paar mietet oder auch kauft.

Jedes neu bezogene Eigenheim verbessert rechnerisch durch die ausgelösten "Umzugsketten" die Wohnsituation von 3,3 Haushalten. Das bedeutet auch, dass weniger Bestandswohnungen hochpreisig modernisiert werden und so für Geringverdiener erschwinglich bleiben.

ZUR PERSON JAN PUTFARKEN Vorsitzender des Vorstands, LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin - Hannover, Hannover
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