IMMOBILIEN AN DER BÖRSE

"FINANZIELLE STABILITÄT UND AGILITÄT SCHLIESSEN SICH NICHT AUS"

Susanne Schröter-Crossan, Foto: LEG Immobilien SE

Gut ein Jahr ist es her, dass Eckhard Schultz etwas überraschend als Chief Financial Officer aus dem Vorstand der LEG Immobilien AG ausschied. Zunächst übernahm CEO Lars von Lackum interimistisch das Amt, zum 1. Juli dieses Jahres konnte nun aber endlich eine Nachfolgerin präsentiert werden: Susanne Schröter-Crossan verantwortet seitdem das Finanzressort des M-Dax-Unternehmens. Im Interview mit "Immobilien & Finanzierung" wird deutlich, dass die gelernte Bankerin bereits sehr gut vertraut ist mit den relevanten Themen im neuen Amt. Ein Umstand, der nicht zuletzt auf ihre vorherige Station bei der Deutschen Bank zurückzuführen sein dürfte: Dort betreute sie unter anderem im Rahmen von Aktienemissionen, Kapitalerhöhungen und Börsengängen zahlreiche Mandate aus der Immobilienbranche. Red.

Mitten im Corona-Jahr sind Sie zum Chief Financial Officer (CFO) der LEG Immobilien AG berufen worden. War das ein stürmischer Wechsel?

Abgesehen davon, dass es sicherlich idealere Zeitpunkte gibt, um eine neue berufliche Aufgabe zu beginnen, als eine Situation wie in diesem Jahr mit Homeoffice und Kontaktbeschränkungen: nein. Die LEG hat zu Beginn der Pandemie beherzt reagiert - unter anderem mit dem Zehn-Punkte-Papier "Gemeinsam durch die Corona-Krise". Die zentralen Aufgaben für mich habe ich in den ersten Monaten darin gesehen, zunächst einmal zuzuhören und zu verstehen.

Außerdem standen Anfang August bereits unsere Halbjahreszahlen an, nach deren Veröffentlichung ich sehr viel Investorenarbeit gemacht habe. Neben dem aktuell noch laufenden Wirtschaftsplanungsprozess habe ich außerdem daran gearbeitet, die Finanzierung wichtiger Maßnahmen, wie etwa der energetischen Modernisierung unserer Bestände, weiterzuentwickeln und zu optimieren. Die neuen Aufgaben finde ich sehr reizvoll, aber als stürmisch würde ich die Zeit nicht bezeichnen.

Wie kommt die LEG durch die Krise?

Wir sind bislang sehr gut durch die Krise gekommen, weil unser Geschäftsmodell relativ krisenresistent ist. Um hier ein Beispiel zu nennen: Von unserem Mietstundungsangebot hat weniger als ein Prozent der Mieter Gebrauch gemacht. Wohnen hat seit dem Beginn der Pandemie als Produkt eher noch an Wichtigkeit für die Menschen gewonnen - gerade im Segment "bezahlbares Wohnen".

Und genau dazu passt unser Angebot: Ein Viertel unseres Bestands ist staatlich gefördert und unsere Durchschnittsmiete beträgt 5,90 Euro je Quadratmeter. Hier stehen wir im Wettbewerbsvergleich gut da, weil sich unser Angebot eher an mittlere und niedrige Einkommen richtet.

Sie haben die vergangenen zehn Jahre für internationale Großbanken gearbeitet. Ist die wachsende Bedeutung von ESG-Zielen schon ein grundsätzlicher Trend, der sich durchsetzen wird?

Ja, ich denke da findet zurzeit auf unterschiedlichen Ebenen ein Wandel statt. Gerade im Zuge der Corona-Krise konnten wir feststellen, dass internationale Investoren unser Geschäftsmodell sehr positiv bewerten. Das Niedrigzinsumfeld wirft zudem ganz neue Fragen auch für große Investoren auf. Für nicht wenige sind Wohnimmobilienunternehmen wie wir inzwischen deutlich attraktiver geworden, weil wir unter den gegebenen Umständen eine gute Balance aus Stabilität und Rendite bieten.

ESG-Themen werden bei dieser Abwägung sicherlich auch für die Immobilienwirtschaft immer wichtiger. Wir arbeiten sehr aktiv daran, uns in diesem Bereich stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern. Aber schon heute richten wir unser Handeln darauf aus, eine Balance herzustellen zwischen Kundenzufriedenheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.

Bei der Erreichung des klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 gelten Wohnungsunternehmen einerseits als Hoffnungsträger, andererseits als "Buhmänner" infolge steigender Mieten. Wie gehen Sie den Spagat an beziehungsweise welches Feedback bekommen Sie an dieser Stelle von Investorenseite? Sehen Sie den Staat bei der Bewältigung dieser Mammutaufgabe grundsätzlich stärker in der Pflicht?

Das wäre im Grunde ein Thema für ein eigenes Gespräch. Die politische Diskussion zeigt ja, wie komplex die Bewältigung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe ist. Wir als LEG unterstützen das Ziel der Bundesregierung zur Klimaneutralität bis 2050 und haben uns ambitionierte Ziele gesetzt. Wir modernisieren jährlich etwa drei Prozent unserer Bestände - der Branchendurchschnitt liegt zum Vergleich bei etwa einem Prozent.

Als Gesellschaft müssen wir jedoch für einen sozialen Ausgleich sorgen. Ein Teil der Mieter droht überfordert zu werden, daher schöpfen wir zum Beispiel die Möglichkeiten zur Umlage der Modernisierungskosten oft nicht aus und agieren umsichtig. In der Breite ist aber eine gezielte Förderung nötig, ob über Mietzuschüsse oder eine direkte Förderung der baulichen Maßnahmen.

An dieser Stelle sehen wir dringenden politischen Handlungsbedarf. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die zuletzt von der EU-Kommission im Rahmen des Green Deals beschlossene Strategie zur Renovierung des europäischen Gebäudebestandes hier zu Entlastungen durch EU-Fördergelder und technische Hilfen führt.

Wie gehen Sie mit der Herausforderung virtueller Investor-Relations-Arbeit während Corona um? Was sind aus Ihrer Sicht die Nachteile beziehungsweise gibt es gegebenenfalls sogar Vorteile?

Organisatorisch ist es sicherlich einfacher und effizienter, ein digitales Event durchzuführen, wenn sich die Beteiligten einmal daran gewöhnt haben. Aber natürlich geht dabei immer eine wichtige Dimension verloren, wenn man sich nicht an einem Ort trifft und unmittelbar persönlich austauschen kann.

Dennoch haben wir es auch unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie geschafft, sowohl unsere Hauptversammlung 2020, als auch die Vorstellung unserer Zahlen zum zweiten Quartal sowie anschließend einen sehr aktiven Investorendialog im Rahmen virtueller Roadshows und Konferenzen reibungslos zu organisieren. Investorenarbeit ist also durchaus auch virtuell machbar. Dennoch hoffe ich, dass bald auch wieder ein persönlicher Austausch mit unseren Investoren möglich sein wird.

Welche Schwerpunkte möchten Sie als CFO setzen? Wo sehen Sie für die LEG das Gleichgewicht zwischen Agilität und finanzieller Stabilität?

Meine Aufgabe sehe ich vor allem darin, das Finanzressort kontinuierlich weiterzuentwickeln und dabei neue Potenziale auszuschöpfen. Ich werde also sicherlich nicht revolutionär anders handeln als mein Vorgänger, sondern nur im Einklang mit unserer weiterentwickelten Strategie an einigen Stellen neue Akzente setzen. Seit der Privatisierung ist bei der LEG mit der stetigen Professionalisierung und dem Börsengang hervorragende Arbeit ge -leistet worden. Finanzielle Stabilität und Agilität schließen sich dabei nicht aus. Agilität ist im CFO- Bereich - von Krisenzeiten einmal abgesehen - vor allem immer dann gefragt, wenn sich kurzfristig Opportunitäten auftun oder neue Trends abzeichnen. Und natürlich bei der weiteren Optimierung interner Prozesse.

Die LEG versteht sich traditionell als konservativ wirtschaftendes Unternehmen. Schränkt das nicht den Spielraum für finanzielle Optimierungen ein?

Ab einem gewissen Niveau sind Optimierungen natürlich nur noch graduell möglich, um weiter auf dem bereits Erreichten aufzubauen. Insbesondere das Jahr 2020 zeigt aber auch, dass wir durchaus flexibel agieren können: Das sehr niedrige Zinsumfeld haben wir ganz aktiv für Fremdkapitalfinanzierungen genutzt. Zum Halbjahresstichtag am 30. Juni 2020 wiesen unsere Verbindlichkeiten eine durchschnittliche Restlaufzeit von 8,0 Jahren auf. Die durchschnittlichen Zinskosten lagen bei niedrigen 1,35 Prozent.

Im zweiten Quartal konnten wir vor allem zur Finanzierung unserer Portfolioankäufe erfolgreich 823 Millionen Euro an den Kapitalmärkten einsammeln, die sich aus einer Kapitalerhöhung und einer Wandelanleihe - also Eigen- und Fremdkapital - zusammensetzten. Mit einem Kupon von 0,4 Prozent haben wir bei der Wandelanleihe ganz klar von dem niedrigen Zinsumfeld profitiert. Dennoch haben wir auch das Kapital erhöht, weil uns ein konservatives Finanzierungsprofil wichtig ist. Wir müssen ja nicht nur auf eine günstige Finanzierung achten, sondern auch auf die Finanzierungsstruktur.

Wie steuern Sie den Beleihungsauslauf?

Unser Loan-to-Value (LTV) soll sich in einem Korridor zwischen 40 und 43 Prozent bewegen. Dieser Korridor ist ein gesundes Maß, auch wenn Aktieninvestoren womöglich eine höhere Verschuldung gutheißen würden. Für uns ist nämlich auch das Rating wichtig. Unsere "Baa1"-Einstufung wollen wir erhalten.

Daher schauen wir uns neben dem LTV auch das Verhältnis der Nettoverschuldung zum operativen Ergebnis vor Abschreibungen an. Hier ist unsere derzeitige Zielgröße das 10- bis 13-Fache. Das behalten wir bei der Aussteuerung der Relation Fremd- zu Eigenkapital gleichzeitig im Blick. Insgesamt stehen wir bei beiden Zielgrößen sehr gut da, was uns weiteres Wachstum ermöglicht.

Fast hätte ihre Zeit bei der LEG ja mit einem Paukenschlag begonnen. Doch die Fusionsgespräche mit der TAG AG wurden recht schnell wieder beendet. Ist das eine grundsätzliche Absage an das Themenfeld M&A?

M & A ist strategisch für uns kein Thema. Die Gespräche mit der TAG waren der Situation in diesem Jahr geschuldet und rein opportunistisch: Nach den Kursverwerfungen im Frühjahr hatte sich unser Aktienkurs schneller erholt als der der TAG. Deshalb haben wir Verhandlungen aufgenommen, konnten unsere Preisvorstellungen jedoch nicht realisieren. Unsere Kernstrategie bleibt ganz klar, Wachstum über Portfoliokäufe zu erreichen. Das schließt nicht aus, dass wir auch M & A-Potenziale prüfen, wenn sich im konkreten Fall Opportunitäten ergeben könnten.

Die LEG hatte ihre Bestände bisher fast ausschließlich in Nordrhein-Westfalen. Nun kaufen Sie auch in anderen Bundesländern. Planen Sie mittelfristig auch den Sprung ins Ausland?

Nein. Unser klares Ziel bleibt die Konzentration auf den deutschen Markt, denn hier können wir unsere Stärken ausspielen. Natürlich werden wir immer wieder gefragt, weshalb wir die Konzentration auf unseren Heimatmarkt Nordrhein-Westfalen aufgegeben haben, denn die Investoren verbinden die LEG mit NRW.

Wir haben bei unseren Akquisitionen bisher darauf geachtet, dass wir von den Landesgrenzen aus wachsen, also gewissermaßen einen Gürtel um NRW gelegt. Eines unserer Ziele ist, an jedem neuen Standort mindestens 1 000 Einheiten zu erwerben. Diese möchten wir auf der Managementebene aus den Niederlassungen in NRW bewirtschaften.

Sie haben im Juni in zwei Transaktionen insgesamt rund 7500 Wohneinheiten in mehreren Städten erworben. Wie wurde dieser Ankauf finanziert?

Dazu diente die bereits erwähnte Kombination aus einer Kapitalerhöhung und der Begebung einer Wandelanleihe, die wir am 24. Juni am Kapitalmarkt platzieren konnten. Die Wandelanleihe hat ein Volumen von rund 550 Millionen Euro. Mit einem Kupon von 0,4 Prozent bei acht Jahren Laufzeit konnten wir sehr attraktive Konditionen für die LEG erreichen.

Für die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen haben wir insgesamt 2,37 Millionen auf den Namen lautende Stammaktien bei institutionellen Investoren im Wege eines beschleunigten Platzierungsverfahrens platziert. Der Platzierungspreis betrug 115 Euro pro Aktie. Damit ergibt sich ein Bruttoemissionserlös von rund 273 Millionen Euro. Beide Transaktionen waren mehrfach überzeichnet. Damit sind wir finanziell weiterhin bestens aufgestellt und können mit viel Schwung weiterwachsen.

Welche grundsätzlichen Trends sehen Sie im Bereich der (Re-) Finanzierung? Gewinnen für Player wie die LEG alternative Finanzierungsinstrumente (Anleihen, Schuldscheindarlehen) gegenüber dem Bankdarlehen zunehmend an Bedeutung?

Als grundsätzlicher Trend ist gut erkennbar, dass viele Immobilienunternehmen zuletzt ihre Finanzierungsbasis spürbar verbreitert haben und dies auch für die Zukunft planen. So gewinnen im Vergleich zur sozusagen klassisch besicherten Bankfinanzierung unbesicherte Finanzierungsinstrumente weiter an Bedeutung, da diese je nach Instrument in puncto Flexibilität, Geschwindigkeit und Diversifikation Vorteile für Emittenten bieten können.

Auch die LEG hat in den vergangenen Jahren vermehrt auf unbesicherte Instrumente gesetzt und beispielsweise Anleihen, Wandelanleihen, Privatplatzierungen und Commercial Paper zur Finanzierung genutzt. Gleichzeitig legt die LEG nach wie vor großen Wert auf klassische Finanzierungen und die damit verbundenen Bankbeziehungen. Auf diese Weise können wir die gute Qualität unseres Immobilienportfolios nutzen, um langlaufende, günstige Finanzierungen einzuwerben und profitieren von einem besonders stabilen Marktzugang. So konnte die LEG auch am Höhepunkt der Corona-Krise im Frühjahr 2020 Darlehen zu sehr niedrigen Finanzierungskosten von unter einem Prozent abschließen.

Die Mischung macht also quasi den Unterschied?

Richtig, aufgrund der ganz unterschiedlichen Vorteile der Instrumente kommt es aus unserer Sicht auf die passende Mischung zwischen klassischen und alternativen Finanzierungsinstrumenten an. Gleichzeitig muss man sagen, dass die meisten genannten alternativen Finanzierungsinstrumente mittlerweile im Standardrepertoire vieler Immobilienunternehmen zu finden sind, die Unterscheidung zwischen klassisch und alternativ also zunehmend schwerfällt.

Wir unterscheiden daher eher zwischen besichert und unbesichert beziehungsweise Bank und Kapitalmarkt. Für die Zukunft sehen wir außerdem einen verstärkten Trend zu nachhaltiger Finanzierung - was zwar an den genannten Finanzierungsinstrumenten nichts ändern dürfte, möglicherweise aber an deren Ausgestaltung und Rahmenbedingungen.

Sie haben viele Kapitalmarkttransaktionen (Börsengänge, Eigenkapitalerhöhungen et cetera) mit Immobilienbezug begleitet. Würden Sie Immobilien an Börse und Kapitalmarkt als Erfolgsgeschichte bezeichnen?

Ja. Ich denke, dass gerade die LEG mit ihrer Evolution von der staatlichen Landesentwicklungsgesellschaft als Landesunternehmen zum Privatunternehmen und dem Schritt an die Börse ein starkes Beispiel dafür ist, welche Erfolgsgeschichten sich so schreiben lassen. Bei aller gesellschaftlichen Relevanz des Wohnens sind Immobilien strukturell ein Wirtschaftsgut wie viele andere. Schließlich gibt es gerade in Deutschland inzwischen eine ganze Reihe von Immobilienkonzernen, die sich in den vergangenen Jahren mit unterschiedlichen Strategien sehr erfolgreich an der Börse etabliert haben. Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass wir durch die Börsennotierung Zugang zu Kapital haben, was die Grundlage dafür bildet, dass wir in unseren Bestand investieren und unser Produkt weiterentwickeln können.

ZUR PERSON SUSANNE SCHRÖTER-CROSSAN CFO, LEG Immobilien AG, Düsseldorf
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