BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2020

"WIR HABEN IM VERGANGENEN JAHR DIE LETZTEN GROSSEN FUSIONSAUFGABEN ERFOLGREICH ABGESCHLOSSEN"

Stefan Siebert, Foto: LBS Landesbausparkasse Südwest

Acht Mitglieder zählt die Familie der Landesbausparkassen anno 2020 noch. Das größte Institut ist seit der Fusion der LBS Baden-Württemberg und der LBS Rheinland-Pfalz die rückwirkend zum 1. Januar 2016 entstandene LBS Südwest: Das an den Standorten Stuttgart, Mainz und Karlsruhe ansässige Institut wartet mit einer Bilanzsumme in Höhe von 20,47 Milliarden Euro sowie einem Vertragsbestand von 80,74 Milliarden Euro verteilt auf 2,13 Millionen Bausparverträge auf (Stand jeweils Ende 2019). Im Interview mit der I & F-Redaktion berichtet der Vorsitzende des Vorstands Stefan Siebert über die im Rahmen des Zusammenschlusses gemachten Erfahrungen, die aktuellen Trends in den Bereichen Vertrieb, Tarifwerk und Digitalisierung sowie die mit der verbesserten Wohnungsbauprämie einhergehenden Vorteile für das Bausparwesen. Red.

Herr Siebert, Sie stehen der LBS Südwest nun ziemlich genau ein Jahr vor. Wie fällt Ihr erstes Zwischenfazit aus?

Es war die richtige Entscheidung, zur LBS Südwest zu wechseln, auch wenn wir momentan sehr herausfordernde Zeiten für die Bausparkassen erleben. Mit dem motivierten Team, das ich hier bei der LBS angetroffen habe, lassen sich diese Herausforderungen aber optimistisch und erfolgsorientiert angehen. Ich konnte mich in der Zeit, die ich jetzt hier bin, sehr intensiv in die Belange einer Bausparkasse einarbeiten und bin aufgrund dieser Erfahrungen unverändert fest von der Idee und der Zukunft des Bausparens überzeugt.

Sie waren zuvor rund sieben Jahre Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Baden-Baden Gaggenau. Wie haben Sie in dieser Zeit das "Produkt" Bausparen und die Zusammenarbeit mit der Landesbausparkasse wahrgenommen? Ist es noch immer ein wertvolles Instrument zur Kundenbindung?

Die enge Zusammenarbeit im Verbund der Sparkassen-Finanzgruppe ist einer ihrer wesentlichen Erfolgskriterien. Das private Immobilienfinanzierungsgeschäft gehört zu den wichtigsten Geschäftsfeldern einer Sparkasse, insofern ist die Zusammenarbeit mit der LBS von großer Bedeutung und wird bei den Sparkassen auf Vorstandsebene wahrgenommen und begleitet. An der Bedeutung der Baufinanzierung für die Kundenbindung der Sparkassen und der LBS hat sich nichts geändert, sie bleibt von großer Relevanz.

Der Zusammenschluss der Landesbausparkassen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz liegt nun gut drei Jahre zurück. Welche Synergien haben Sie dabei heben können, wo ist unter Umständen noch Luft nach oben?

Wir haben im vergangenen Jahr die letzten großen Fusionsaufgaben erfolgreich abgeschlossen und leben heute die Strukturen unserer neuen, größeren LBS Südwest an allen drei Standorten mit einer für mich erstaunlichen Selbstverständlichkeit. Die Synergien, die wir durch den Zusammenschluss realisieren konnten, lassen sich am einfachsten im Personalbereich quantifizieren mit einem Personalabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen von rund 13 Prozent nach Mitarbeiterkapazitäten.

Nicht ganz so einfach lassen sich die Einsparungen im Sachkostenbereich darstellen, weil sich hier Prozessoptimierungen und Aufwendungen für eine Zusammenführung und Modernisierung der EDV überlagern. Sowohl bei den Personal- wie auch den Sachkosten erwarten wir in den kommenden Jahren aber weitere Verbesserungen. Das gilt auch für den Vertriebsbereich, wo wir die Vereinheitlichung unserer Strukturen erst jüngst abgeschlossen haben.

Den Synergien stehen aber doch auch höhere Anforderungen etwa in Sachen Eigenkapital, Risikocontrolling und Governance gegenüber, oder? Immerhin wird die größere LBS Südwest nun als "bedeutendes Institut" von der Aufsicht eingestuft, womit die Institutsvergütungsverordnung anzuwenden ist.

Die Anforderungen der Aufsicht an unser Haus sind in der Tat größer geworden seit der Fusion. Ich möchte die Frage der Verhältnismäßigkeit der Regulierung aber nicht an unserer neuen Einstufung als "bedeutendes Institut" festmachen. Dass mit wachsender Größe auch die regulatorischen Anforderungen steigen, ist selbstverständlich.

Wie würden Sie das Vorgehen der deutschen Bankenaufsicht generell beurteilen, ist sie zu besorgt was die Bausparkassen betrifft?

Natürlich sind die Bausparkassen mit ihrem Geschäftsmodell eines Bausparkollektivs und damit zusammenhängender langer Vertragslaufzeiten einer besonderen Sorgfalt verpflichtet. Den Rahmen geben aber seit jeher die einschlägigen Rechtgrundlagen wie das Bausparkassengesetz vor. Für uns stellt sich schon die grundsätzliche Frage, ob die vielfältigen Verschärfungen unter anderem im Controlling und Meldewesen in den vergangenen Jahren noch die Verhältnismäßigkeit wahren und die Konsistenz der vielfältigen Regelungen noch gegeben ist. Schließlich ist das Bausparen auf der anderen Seite auch ein bewährtes, stabiles und risikoarmes Geschäftsmodell.

Lässt sich der regulatorische Aufwand für Ihr Haus (monetär) ungefähr beziffern?

Wenn wir die Sach- und die Personalkosten zusammenrechnen, die aus den verschärften regulatorischen Vorgaben der vergangenen Jahre resultieren, kommen wir auf einen siebenstelligen Betrag pro Jahr.

Momentan gibt es noch acht Landesbausparkassen in Deutschland, nicht zuletzt DSGV-Präsident Helmut Schleweis sieht an dieser Stelle noch Konsolidierungspotenzial. Erwarten Sie vor diesem Hintergrund weitere Zusammenschlüsse? Und wie viele Landesbausparkassen braucht es Ihrer Einschätzung nach letztlich in Deutschland?

Entscheidungen zu Fusionen und Zusammenschlüssen sind natürlich Sache der Eigentümer, insofern kann ich hier zu konkreten Plänen und Zukunftsaussichten nichts sagen. Aus Sicht der LBS Südwest ist es entscheidend, dass unsere wichtigsten Erfolgskriterien bei künftigen Veränderungen erhalten bleiben: die enge Einbindung in die Strukturen der Sparkassen-Finanzgruppe in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die vertrauensvolle Zusammenarbeit vor Ort mit den Kolleginnen und Kollegen von Sparkasse und BW-Bank und die flächendeckende Präsenz in unserem Geschäftsgebiet. Sie machen unseren Erfolg aus.

Ein Blick auf Ihr Geschäftsjahr 2019 zeigt, dass die anhaltend expansive Geldpolitik der EZB Segen und Fluch zugleich ist: Das Neugeschäft boomt, die Gewinn- und Verlustrechnung leidet - welche Empfindung überwiegt bei Ihnen?

Die Folgen der Geldpolitik beschäftigen uns schon einige Jahre, insofern hatten wir Gelegenheit, uns mit vielfältigen Maßnahmen auf dieses Szenario einzustellen - von der Reduzierung der Sach- und Personalaufwendungen über die Optimierung unserer Abläufe und Prozesse bis hin zur Anpassung unseres Produktangebotes. Diese vielfältigen Aktivitäten haben uns gezeigt, dass die LBS Südwest auch beim gegenwärtig rekordniedrigen Zinsniveau wirtschaftlich erfolgreich sein kann, weil die Kunden vielleicht gerade in der aktuellen Situation nach Zinssicherheit und langfristiger Bindung suchen.

Auf Dauer aber wird sich ein weiterer Rückgang der Zinserträge nicht auffangen lassen. Da die Bausparkassen aufgrund ihres engen Geschäftsmodells wenig Möglichkeiten zum Ausweichen auf andere Geschäftsfelder haben, überwiegt aktuell eher die "leidende" Seite.

Stichwort "Neugeschäft": Erwarten Sie im Bausparneugeschäft angesichts der ab dem kommenden Jahr attraktiveren Wohnungsbauprämie weitere Rekordmarken?

Wir erwarten für das laufende Jahr ein Neugeschäft in Höhe von rund zehn Milliarden Euro. Das wäre wieder ein im langjährigen Vergleich sehr gutes Niveau. Positiven Faktoren wie der verbesserten Sparförderung durch die Wohnungsbauprämie (WoP) stehen hemmende Einflüsse wie weiter steigende Immobilienpreise aufgrund des ungenügenden Angebotes und eine zunehmende Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung entgegen.

Durch die ab 2021 wirksamen Verbesserungen der Förderbedingungen erreicht die WoP wieder deutlich mehr Menschen und das ist wichtig. Im Geschäftsgebiet der LBS Südwest, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wird dann mehr als die Hälfte der Bevölkerung ab 16 Jahren prämienberechtigt sein. Aktuell ist es knapp ein Drittel. Wir versprechen uns davon eine steigende Attraktivität des Bausparens insbesondere für junge Menschen, für die sich mit den neuen Förderbedingungen endlich wieder eine nennenswerte Sparverzinsung darstellen lässt.

Welches Potenzial schlummert für Ihr Haus darüber hinaus mit Blick auf die Themen energetische Gebäudesanierung und altersgerechtes Wohnen?

Fragen zur Klimawirkung der eigenen vier Wände oder zum altersgerechten Umbau gewinnen für unsere Kunden stetig an Bedeutung, schließlich wurden rund 60 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 gebaut. Drei Viertel aller Immobilien, die den Besitzer wechseln, sind Bestandsobjekte.

Der Erwerb zieht in der Regel mehr oder weniger umfangreiche Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen nach sich. Dabei steht zwar häufig ein moderner Wohnkomfort im Vordergrund, oft sind damit jedoch auch Verbesserungen im Energieverbrauch der Objekte verbunden. Diese Gesichtspunkte wirken aber eher langfristig und gemäßigt positiv auf das Neugeschäft.

Um mit den Niedrigzinsen besser zurecht zu kommen, wurden der Branche im Rahmen der Gesetzesnovelle Ende 2015 diverse neue Handlungsspielräume eröffnet: Welche davon nutzen Sie (bislang)?

Für die LBS Südwest waren in der Praxis insbesondere die Anhebung der Beleihungsgrenze von 80 auf 100 Prozent bei der Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum sowie die erweiterten Möglichkeiten zur Finanzierung auch teilweise gewerblich genutzter Objekte von Bedeutung. Die erweiterten Möglichkeiten zur Kapitalanlage und -aufnahme, also zum Beispiel die Anlage in Aktien oder die Begebung von Pfandbriefen, sind für die LBS Südwest aktuell nicht relevant.

Welche Schwerpunkte setzen Sie derzeit im Tarifwerk: Viel war zuletzt ja immer von der Umstellung auf variable Guthaben- und Darlehenszinsen zu lesen. Folgen Sie diesem Trend?

Im Vordergrund bei der weiteren Anpassung des Tarifwerks steht natürlich die Nachfrage am Markt. Neue Tarife müssen konkurrenzfähige Konditionen haben - und sie müssen den Bedarf des Kunden treffen. Für unsere Kunden hat unserer Wahrnehmung nach zumindest momentan ein variabler Zins nicht die höchste Priorität. Gefragt sind in der jetzigen Situation vor allem lange Laufzeiten mit Zinsabsicherung, günstige Darlehenszinsen oder ein möglichst hoher Darlehensanteil an der Bausparsumme. Außerdem arbeiten wir aktuell daran, unser Angebot für junge Menschen wieder attraktiver zu machen.

Bei den neu vergebenen Krediten liegt der Fokus derzeit klar auf dem außerkollektiven Geschäft. Ab wann ist bei den kollektiven Darlehen mit einer Trendwende zu rechnen?

Das Bauspargeschäft ist ein Geschäft der langen Zyklen. Anspar- und Zuteilungszeiten von Bausparverträgen bemessen sich in Jahren. Entsprechend schwierig wird es, wenn der Markt massive und rasche Zinssenkungen erlebt wie in den vergangenen Jahren. Es kam zu der Situation, dass der Darlehenszins des Bausparvertrags nicht mehr marktgerecht war, bis der Vertrag seine Zuteilung erreichte. Da die Kunden nicht verpflichtet sind, das Bauspardarlehen abzunehmen, sind sie auf marktgerechte außerkollektive Kredite ausgewichen.

Mittlerweile haben die Bausparkassen ihr Tarifangebot an die aktuelle Zinssituation angepasst. Da ein weiteres Absinken des Darlehenszinses kaum mehr vorstellbar scheint, wird die Inanspruchnahme der kollektiven Darlehen wieder zunehmen, wenn diese Verträge zur Zuteilung kommen. Das wird noch etwa vier bis fünf Jahre dauern.

Und welche Wege gehen Sie derzeit im Vertrieb? Nimmt die Bedeutung des LBS-Außendienstes hier tendenziell ab? Worin liegen die Besonderheiten des sogenannten Kooperationsmodells?

Nein, von einer abnehmenden Bedeutung des LBS-Außendienstes kann keine Rede sein. Im Gegenteil, die LBS Südwest hat in den vergangenen Jahren erhebliche Investitionen in ihren Außendienst und seine flächendeckende Präsenz getätigt. Das Kooperationsmodell der LBS Südwest ist genau davon gekennzeichnet, dass der LBS-Außendienst im Namen der Sparkasse tätig ist.

Dieses Geschäft bezeichnen wir als Gemeinschaftsgeschäft. Hier haben Außendienst und Sparkassen beziehungsweise BW-Bank die Qualität ihrer Zusammenarbeit ausgebaut. Das bedeutet, der Außendienst unterstützt und berät in Finanzierungsfragen auch Kunden aus dem Bestand der Sparkassen/BW-Bank.

Welches Potenzial sehen Sie in der "virtuellen" Welt, sprich ist ein volldigitaler Bausparprozess realistisch?

Bausparkassen gehören nicht unbedingt zu den Vorreitern in Sachen digitaler Angebote. Hier haben wir durchaus Nachholbedarf. Einen volldigitalen Baufinanzierungsprozess kann ich bisher aber nicht erkennen. Geht es um die komplexe Frage, wie ich mein Wohneigentum finanziere - immerhin in der Regel die größte Investition, die ein privater Haushalt tätigt - gibt es unverändert das Bedürfnis nach persönlicher Beratung. Da sehe ich auch keinen grundsätzlichen Wandel.

Aber vor dem persönlichen Gespräch informiert sich der Kunde heute selbstverständlich im Internet, etwa indem er das Angebot seiner Bausparkasse abfragt und mit einem der vielen Onlinerechner seinen Produktwunsch durchrechnet. Auch bei der Pflege der Kundenbeziehung, also zum Beispiel dem Schriftverkehr, wiederkehrenden Vorgängen und Meldungen, dem Kontoauszugsversand und ähnlichem, wächst das Bedürfnis nach elektronischem Ablauf.

Zum Abschluss die Frage: Rechnen Sie in absehbarer Zukunft denn wieder einmal mit steigenden Zinsen? Und falls nicht: Was würde das für ein so stark vom Zinsüberschuss abhängiges Geschäftsmodell implizieren?

Unsere aktuellen Planungen gehen davon aus, dass wir bis Mitte des Jahrzehnts keine deutlich höheren Zinsen sehen werden. Einen moderaten Anstieg, also etwa im Baufinanzierungsbereich von aktuell rund einem Prozent auf eine Größenordnung zwischen zwei und drei Prozent sehen wir frühestens für die zweite Hälfte der 2020er Jahre.

Die LBS Südwest hat in den vergangenen Jahren infolge eines permanenten Zinsrückgangs ihr Geschäftsmodell und das Unternehmen durch eine Vielzahl von Maßnahmen und Anpassungen auf diese niedrigen Zinsen eingestellt. Es hat sich gezeigt, dass sich auch auf diesem Niveau eine Bausparkasse mit Erfolg auf Dauer betreiben lässt. Die Kombination aus Ansparen und Darlehensanspruch in einem berechenbaren, zinssicheren Produkt mit sehr langen Laufzeiten hat auch dann seine Berechtigung.

ZUR PERSON STEFAN SIEBERT Vorsitzender des Vorstands, LBS Landesbausparkasse Südwest, Stuttgart
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