EXPO REAL-SPECIAL

"EINE MARGENAUSWEITUNG IST ÜBER ALLE NUTZUNGSARTEN HINWEG ERKENNBAR"

Thorsten Schönenberger, Foto: Landesbank Baden-Württemberg

Der ausreichende Zugang zu Fremdkapital ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gedeihen der Immobilienwirtschaft. Entsprechend groß war zu Beginn des Corona-bedingten Lockdowns die Sorge vor einem weitgehenden Rückzug der Immobilienbanken. Dass diese Sorge zumindest im Fall der LBBW unbegründet war und ist, daran lässt deren Immobilienvorstand Thorsten Schönenberger im Redaktionsgespräch mit Immobilien & Finanzierung keinen Zweifel aufkommen. Im Neugeschäft befinde man sich aktuell auf beziehungsweise über Plan. Sofern die Voraussetzungen stimmen, sei man dabei grundsätzlich für jede Nutzungsart offen, die Ansprüche an neue Finanzierungen hätten sich vor dem aktuellen Hintergrund aber noch einmal verschärft. Red.

Die Corona-Krise hat viele Dinge innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt. Im Vergleich dazu muten die Halbjahreszahlen zum Immobilienfinanzierungsgeschäft der LBBW noch relativ robust an. Wie kommt es?

Wir profitieren von unserer langfristigen, stabilitätsorientierten Strategie. Unser Portfolio ist konservativ aufgestellt und in den Assetklassen gut diversifiziert. So haben wir in Corona-sensitiven Assets keine hohen Exposures. Hotels finanzieren wir fast gar nicht, Handel nur selektiv - den Schwerpunkt hierbei bilden Lebensmittelnahversorger. Ein hoher Anteil unseres Portfolios entfällt hingegen auf Wohnen, ein weiterer großer Teil auf Büro mit langlaufenden Mietverträgen in Toplagen.

Im Hinblick auf die Primäreffekte sind wir daher aufgrund unserer Portfoliostruktur relativ robust aufgestellt. Die Sekundär- und Tertiäreffekte wiederum sind bislang nur schwer zu antizipieren. Gerade diesen gilt jedoch unsere Aufmerksamkeit. Sie sind aktiv zu beobachten und erfordern ein gutes Risikomanagement.

Es heißt oft, dass Banken in der aktuellen Corona-Krise so gut wie keine Neuanfragen in der gewerblichen Immobilienfinanzierung annehmen, einerseits wegen der gestiegenen Unsicherheit, andererseits wegen der hohen Auslastung mit KfW-Darlehensanträgen. Wie verhält es sich bei Ihnen?

Dies trifft auf uns nicht zu. Im Neugeschäft befinden wir uns aktuell auf beziehungsweise über Plan. Für uns ist die oberste Maxime, unseren Kunden auch in schwierigen Zeiten verlässlich zur Seite zu stehen. Dass uns das trotz mehr als 8 000 Förderkreditanträge gelungen ist, zeigt unsere Leistungsfähigkeit.

Welchen grundsätzlichen Ansatz verfolgen Sie derzeit im Neugeschäft? Müssen Investoren beispielsweise mehr Eigenkapital einbringen als sonst, oder sind Projektentwicklungen beziehungsweise einzelne Assetklassen (vorübergehend) tabu?

Selbstverständlich berücksichtigen wir die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf neue Finanzierungen. Immobilienfinanzierungen sind aber grundsätzlich ein zyklisches Geschäft und dementsprechend muss auch gesteuert werden. Corona ist in dieser Form ein neuer Impuls, dem der Immobilienmarkt ausgesetzt ist. Entsprechend wichtig ist die Struktur: Unsere Finanzierungen weisen historisch im Durchschnitt eine Eigenkapitalbeteiligung von mehr als 40 Prozent auf. Wenn die Voraussetzungen stimmen, ist jede Nutzungsart grundsätzlich denkbar.

Von welchem (Basis-)Szenario für die weitere Entwicklung der Konjunktur im Allgemeinen, und die der Immobilienwirtschaft im Besonderen, gehen Sie momentan aus?

Das aktuelle Bild an Konjunkturdaten ist schwierig zu interpretieren. Die wichtigsten Konjunkturindikatoren bleiben weltweit auf Erholung gerichtet. Vor allem die Dynamik in den USA überrascht mehrheitlich positiv, und das bei anhaltend hohen Corona-Neuinfektionszahlen. Und auch in Deutschland hat sich die positive Trendwende gefestigt. Die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung bleibt jedoch abzuwarten, und von einer raschen Rückkehr auf das Vorkrisenniveau gehe ich nicht aus. Die Immobilienwirtschaft hat sich teilweise entkoppelt und war bislang relativ robust. Wir glauben jedoch, dass einzelne Assetklassen unabhängig von der konjunkturellen Lage - insbesondere Büro und Einzelhandel - auf eine veränderte Nachfrage treffen werden. Es steht zu erwarten, dass sich manche gesellschaftlichen Verhaltensmuster nachhaltig verändern.

Die deutschen Immobilienmärkte werden oft als Hort der Stabilität gerühmt. Wie schätzen Sie die Lage ein: Könnte es in den kommenden Monaten nicht doch vereinzelt zu signifikanten Preiskorrekturen kommen - insbesondere auf den Gewerbeimmobilienmärkten, wo die Schere zwischen Preisen und Mieten teilweise stark aufgegangen ist?

Das muss man differenziert nach Standort und Assetklasse betrachten. So werden von uns im Segment Wohnen für breite Schichten der Bevölkerung Mietwohnungsbestände finanziert, die in der Krise deutlich weniger betroffen sind. Im Einzelhandel zeigen sich Lebensmittelnahversorger krisenresistent. Unsere hohen Ansprüche an neue Finanzierungen bei der Lage, Objektqualität und Kapitaldienstfähigkeit sowie dem Beleihungswert und Track Record der Sponsoren haben wir vor dem aktuellen Hintergrund noch einmal verschärft. Jede neue Finanzierung wird nun intensiv auf mögliche Krisenauswirkungen geprüft und gegebenenfalls daraufhin unser Anforderungsprofil angepasst.

Wie teilt sich Ihr Bestandsportfolio an Gewerbeimmobilienfinanzierungen nach Assetklassen und Ländern auf? Und wo liegen die durchschnittlichen Ausläufe?

Rund Zweidrittel unserer Finanzierungen entfallen auf Deutschland. Bei den Assetklassen liegen unsere Schwerpunkte auf Büro und Wohnen. Auf Einzelhandel entfällt nur ein sehr kleiner Teil unserer Finanzierungen und hierbei wiederum der maßgebliche Anteil auf die Nahversorgung.

Macht Ihnen Ihr hohes Büro-Exposure in irgendeiner Form Arbeit? Viele Experten gehen schließlich von einem langfristig deutlich reduzierten Büroflächenbedarf aus.

Die Diskussion um mehr Homeoffice und eine damit einhergehend geringere Nachfrage nach Bürofläche befindet sich noch ganz am Anfang. In letzter Zeit wird vielen Firmen und Mitarbeitern der wichtige soziale Aspekt eines Büros erst richtig bewusst. Wir gehen davon aus, dass die hochwertigen Objekte in Toplagen weiterhin gefragt bleiben. Firmen entscheiden dabei im Sinne von "wenn schon Büro, dann aber etwas richtig Gutes, das alle gut erreichen können".

Leiden könnte die Nachfrage nach zweitklassigen Lagen und Objekten. Unser Büroportfolio zeichnet sich durch langfristige Mietverträge, eine hohe Gebäudequalität, etablierte und gefragte Lagen sowie eine sehr gute Diversifikation bei den Mieterbranchen aus. Damit sind wir selbst dann robust aufgestellt, wenn der Flächenbedarf künftig geringer ausfällt.

Werden Sie ansonsten Coronabedingte, langfristige Veränderungen in Ihrer Immobilienstrategie vornehmen?

Wir sind in unseren Finanzierungsstrukturen und Kundenbeziehungen schon immer selektiv unterwegs. Dabei verbinden wir nachhaltiges Risikomanagement mit soliden Erträgen. Damit stehen wir auch in der Krise für unsere Kunden zur Verfügung.

Wie viele Immobilienkunden haben Sie bislang um Stundung ihrer Darlehen gebeten?

Bislang kaum mehr als eine Handvoll. Wir sind zuversichtlich, dass die Anzahl auch zukünftig auf einem überschaubaren Niveau verbleiben wird.

Wie wird der Wettbewerb in der gewerblichen Immobilienfinanzierung Ihrer Einschätzung nach in Post-Corona-Zeiten aussehen? Werden weniger Player am Markt sein?

Unter normalen Marktbedingungen würde ich davon ausgehen. Aufgrund der Zins- und Geldpolitik wird dies aber aller Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein. Die langfristige Nullzinspolitik zwingt die Wettbewerber, sich nach lukrativen Märkten umzusehen. Der Markt für gewerbliche Immobilien ist im Vergleich weiterhin attraktiv und wird daher wettbewerbsintensiv bleiben.

Die Einführung von Basel IV wurde verschoben, zugleich werden die Rufe nach einer Überprüfung regulatorischer Großprojekte lauter. Darf man in Zukunft auf eine Regulierung mit mehr Augenmaß hoffen, gerade auch für die Immobilienfinanzierung?

Im Basisszenario darf man davon nicht ausgehen. Nur auf Hoffnung sollte man keine Strategie aufbauen.

Stichwort Wettbewerb: Lässt sich eine Trendwende bei den Margen schon erkennen?

Den Boden haben wir bei den Margen definitiv gesehen. Eine Margenausweitung ist über alle Nutzungsarten hinweg erkennbar.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die derzeitige Lage an den Refinanzierungsmärkten?

Insgesamt gut. Durch die massive Bereitstellung von Liquidität durch die EZB konnten negative Auswirkungen der Covid-19-Krise aufgefangen werden. Wir als LBBW sehen uns gut aufgestellt.

Auf dem Pfandbriefmarkt lag der Schwerpunkt vieler Emittenten zuletzt auf einbehaltenen Platzierungen, die als Sicherheitenstellung für die nochmals verbesserten TLTRO-III-Tender dienen. Wie stark hat die LBBW von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht?

Da dieser Tender die bestehenden Funding-Bedingungen am Markt egalisiert, kann man daran eigentlich nicht nicht-teilnehmen. Die LBBW hat ihn daher entsprechend proportional angemessen zu ihrer Bilanzgröße genutzt.

Welche Bedeutung hat das Syndizierungsgeschäft für die LBBW in der gewerblichen Immobilienfinanzierung heute und perspektivisch? Und mit welchen Partnern arbeiten Sie dabei bevorzugt zusammen?

Syndizierung hat in der gewerblichen Immobilienfinanzierung der LBBW von jeher eine maßgebliche Bedeutung für die proaktive RWA-/Adress- und Portfoliosteuerung, die - auch aus Gesamtbanksicht - perspektivisch noch zunehmen dürfte. Für das Eingehen großer Underwritings ist eine funktionierende Syndizierungsplattform der Schlüssel. Hierzu arbeiten wir seit Jahren mit weit über 200 Sparkassen, Banken, Versicherungsgesellschaften und Debt Funds in Deutschland, Europa, Asien und Nordamerika zusammen. Zu vielen unserer Syndizierungspartner unterhalten wir gewachsene, enge und vertrauensvolle Geschäftsverbindungen, die durch einen regelmäßigen Dealflow gekennzeichnet sind - und das durchaus nicht nur in eine Richtung.

Die hybride Expo Real steht vor der Tür, aufgrund der bekannten Umstände ist das Interesse aber wenig überraschend erheblich geringer als üblich. Wie stehen Sie zu dem Konzept?

Es verdient Respekt, dass man sich für neue hybride Formen öffnet. Gleichzeitig muss jeder potenzielle Messeteilnehmer für sich abwägen, ob eine Teilnahme vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise Sinn macht. Ich bin überzeugt davon, dass wir im nächsten Jahr auf eine teilweise Normalisierung hoffen können.

ZUR PERSON
THORSTEN SCHÖNENBERGER
Mitglied des VorstandsLandesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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