BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2021

"WIR SIND MEHR ALS GANZ GEWÖHNLICHE WOHNIMMOBILIENFINANZIERER"

Dirk Botzem, Foto: Debeka

Seit ihrer Gründung im Jahr 1905 hat sich die Debeka von einem kleinen spezialisierten Krankenversicherer für Beamte zu einer Unternehmensgruppe entwickelt, die heute so ziemlich die komplette Palette an Versicherungs- und Finanzdienstleistungsprodukten für sämtliche Privathaushalte in Deutschland abdeckt. Eine wichtige Säule bildet dabei natürlich die 1974 gegründete Debeka Bausparkasse, die gemessen am Bausparbestand mit gut 22 Milliarden Euro (Stand 2019) das viertgrößte Institut im privaten Bausparkassenlager ist. Im Interview mit "Immobilien & Finanzierung" spricht Vorstandsmitglied Dirk Botzem über die sich derzeit bietenden Chancen und Herausforderungen für sein Haus. Red.

Die Debeka Bausparkasse ist eine klassische "Versicherungs-Bausparkasse". Welchen Stellenwert haben das Institut und das Produkt "Bausparen" anno 2021 für den Debeka-Gesamtkonzern und deren Kunden? Und inwieweit hat sich das in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gewandelt?

Es stellt sich die Frage, was eine klassische Versicherungs-Bausparkasse ist. Wenn damit gemeint ist, dass unser Vertrieb als Allfinanzvertrieb mit Versicherungs- und Finanzprodukten unterwegs ist, stimmt das. Was unsere Rolle im Konzern angeht, so sind wir Partner für unsere Mitglieder und Kunden sowie für die Berater im Außendienst in allen Fragen rund um die Immobilienfinanzierung, den Immobilienvertrieb, Bausparen und Geldanlagen. Darüber hinaus verwalten wir treuhänderisch die Hypothekendarlehen der Versicherungsunternehmen. Insofern sind wir integraler Bestandteil der Debeka-Gruppe. Seit die Bausparkasse 1974 gegründet wurde, haben wir diese wichtige Position im Konzern immer weiter ausgebaut und können heute in der aktuellen Marktsituation einen sehr wichtigen Wertbeitrag leisten.

Operativ lief es für Ihr Haus zuletzt nicht besonders gut, die anhaltende Niedrigzinsphase hat sich wie bei vielen anderen Instituten tief in die Erträge gefressen. Wie steuern Sie hier grundsätzlich gegen?

Hier muss ich differenziert antworten. Das operative Neugeschäft verläuft in allen Sparten der Bausparkasse seit Jahren sehr erfolgreich. Die Niedrigzinsphase ist dabei natürlich die große Herausforderung, da insbesondere die Zinsmarge nach wie vor stark unter Druck ist. Dabei sind für uns die Altbestände an hochverzinslichen Bauspareinlagen von besonderer Bedeutung, da unsere Refinanzierungskosten hiervon enorm beeinflusst werden.

Wir steuern hier seit Jahren erfolgreich gegen, indem wir auf der einen Seite unsere Möglichkeiten nutzen, die hochverzinslichen Bauspareinlagen zu reduzieren und auf der anderen Seite das Finanzierungsgeschäft forcieren. Und im letzten Jahr haben wir begonnen, den Immobilienvertrieb auf ein deutlich höheres Niveau zu bringen. Hier sind die Rahmenparameter sehr gut, da das Marktumfeld ausgesprochen günstig ist und wir mit unseren Beratern vor Ort sehr gut aufgestellt sind.

Der Mutterkonzern hat 2018 eine Zuzahlung in Höhe von 150 Millionen Euro in die Kapitalrücklagen der Debeka Bausparkasse getätigt. Werden weitere Stützungsmaßnahmen notwendig sein?

Wir sind kapitalmäßig aktuell gut ausgestattet. Derzeit wird im Konzern strategisch darüber nachgedacht, das Finanzierungsgeschäft im Wohnimmobilienbereich im Rahmen einer Wachstumsstrategie für das Bausparkassenbuch sowie die Hypothekenbestände der Versicherungen weiter auszubauen. In diesem Fall wären weitere Eigenmittel als Voraussetzung für Wachstum sinnvoll.

Die gesamte Branche ächzt bekanntlich unter alten, hochverzinslichen Bauspareinlagen. Wie kommen Sie beim Abbau voran?

Wie bereits vorhin erwähnt, sind wir seit Jahren daran, unsere Zinslast aus den Altbeständen zu verringern und sind dabei auch sehr erfolgreich. Dabei kommt uns entgegen, dass viele unserer Mitglieder und Kunden ihren Bausparvertrag ursprünglich zu Finanzierungszwecken abgeschlossen hatten und unsere Angebote, in bedarfsgerechtere Tarife zu wechseln, angenommen haben. Darüber hinaus laufen auch immer mehr hochverzinste Verträge aus, sodass wir zuversichtlich sind, hier auch in den nächsten Jahren große Fortschritte zu erzielen.

Wie lief das Bauspar- beziehungsweise Baufinanzierungsneugeschäft 2020 und wie sind Sie ins Jahr 2021 gestartet?

Wir haben 2020 ein sehr gutes Finanzierungsneugeschäft mit über 2 Milliarden Euro erreicht. Auch mit dem Bausparergebnis sind wir zufrieden - auch wenn wir etwas unter dem außerordentlich guten Vorjahresergebnis blieben. Der Start eines neuen Bauspartarifs im Juli 2020 hat unsere Erwartungen erfüllt und auch die ersten beiden Monate 2021 sind trotz Corona sowohl im Bausparen als auch im Finanzierungsbereich angemessen.

Wo wir gut zulegen konnten, ist der Bereich der Immobilienvermittlung. Hier lag das Vermittlungsvolumen 2020 bei 105 Millionen Euro, bei einem durchschnittlichen Immobilienpreis von 200 000 Euro. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres hat sich die Anzahl der vermittelten Objekte gegenüber dem Vorjahr verdoppelt und der durchschnittliche Preis stieg auf 250 000 Euro. Das sind sehr gute Werte, die uns zuversichtlich stimmen, 2021 ein sehr gutes Neugeschäftsergebnis erreichen zu können.

Inwieweit hat sich dabei die Corona-Pandemie bemerkbar gemacht?

Sicherlich hat sich Corona auch auf unser Neugeschäft 2020 ausgewirkt. Zum einen negativ, da Kundenbesuche nur eingeschränkt möglich waren und unser Bausparergebnis ohne Corona sicher höher ausgefallen wäre. Positiv natürlich dadurch, dass viele Finanzierungskunden die Corona-Situation dazu genutzt haben, ihre Immobilien zu renovieren, zu modernisieren, zu vergrößern oder komplett neu zu bauen beziehungsweise zu kaufen. Das "Homeoffice" hat bei vielen einen neuen Blick auf das eigene Zuhause eröffnet und wir glauben, dass das auch nachhaltig der Fall sein wird.

Wie viel Arbeit macht Ihnen Ihr Bestandsportfolio, sprich gibt es einen nennenswerten Anteil an Corona-bedingten Kreditstundungen beziehungsweise -ausfällen?

Was die durch die Pandemie verursachten Kreditrisiken angeht, sehen wir bislang in unserem Bestand keine nennenswerten Auswirkungen, was sicherlich auch mit unserem Kundenschwerpunkt im öffentlichen Dienst zusammenhängt.

Generell dürften die Auswirkungen bei Bausparkassen, die ja überwiegend in der Wohnimmobilienfinanzierung tätig sind, eher überschaubar bleiben. Das ist im Übrigen auch die Einschätzung von Kollegen aus der Branche.

Wie hat die Debeka Bausparkasse in den vergangenen Monaten die Themen Vertrieb, Service und Beratung grundsätzlich gehandhabt?

Dem Vertrieb der Debeka ist es in relativ kurzer Zeit gelungen, durch technische Unterstützung trotz der Besuchseinschränkungen, viele Kundentermine per Videoberatung wahrzunehmen. Die Zuwächse im Bausparen, Finanzieren und auch in der Versicherung zeigen das.

Erwarten Sie in diesem Zusammenhang einen Schub für die Digitalisierung Ihrer Prozesse in der Bau(spar)finanzierung?

Ja natürlich. Generell hat die Pandemie unseren Kundenprozessen wie auch den internen Prozessen einen gewaltigen Schub verliehen, den - ehrlich gesagt - niemand in diesem Ausmaß in dieser kurzen Zeit für möglich gehalten hätte. Aber natürlich arbeiten wir auch weiterhin daran, vor allem in der Kreditantragsbearbeitung schneller zu werden.

Ist das Thema Wohneigentum - sei es für Selbstnutzer oder Kapitalanleger - am Ende vielleicht sogar ein Profiteur der aktuellen Entwicklungen?

Wer im Wohneigentum wohnt, profitiert generell und das nicht erst seit der Pandemie, schließlich handelt es bei Immobilien um Sachwerte, die grundsätzlich einen dauerhaften Wert darstellen. Außerdem spart Wohneigentum im Alter die Miete oder ermöglicht ein Zusatzeinkommen, zum Beispiel durch eine Umkehrhypothek. Im Übrigen ist die selbstgenutzte Immobilie die einzige Form der Altersvorsorge, die man schon in jungen Jahren genießen kann.

Aus der Sicht von Kapitalanlegern bieten Wohnimmobilien aufgrund der durch die Niedrigzinspolitik verursachten Vermögenspreisinflation gute Wertentwicklungen und ein im Vergleich zu anderen Assetklassen angemessenes Risiko-Rendite-Profil.

In den vergangenen Jahren war bei einigen Bausparkassen von der Umstellung auf variable Guthaben- und Darlehenszinsen zu lesen. Folgen Sie diesem Trend?

Derzeit nicht. Aber der Ansatz ist prinzipiell gut, da er Geschäftsmodellrisiken von Bausparkassen an einigen Stellen reduziert. Allerdings ist der Markt derzeit noch nicht reif dafür. Zumindest nehme ich das so wahr.

Laut unserem Bausparkassen-Bilanzvergleich lag der Anteil klassischer Bauspardarlehen am gesamten Kreditbestand der Debeka Bausparkasse zuletzt nur noch bei knapp über 7 Prozent. Bei vielen anderen Instituten ist es ähnlich. Sind Bausparkassen damit eigentlich noch Bausparkassen oder nicht doch längst ganz gewöhnliche Wohnimmobilienfinanzierer?

Die steigenden Anteile außerkollektiver Baufinanzierungen sind in erster Linie das Ergebnis der Niedrigzinsphase. Aber Bausparkassen sind die Wohnimmobilienfinanzierer, die durch den staatlich geförderten Ansparprozess des Bausparens die Immobilienerwerber von morgen heute schon bedarfsgerecht abholen und sie in die Lage versetzen, das notwendige Eigenkapital anzusparen, das sie für eine Finanzierung benötigen.

Darüber hinaus bietet das Bausparkollektiv Zinssicherheit für die Zukunft. Auch wenn das Zinsargument in den letzten Jahren nicht das Beste war, spricht langfristig vieles für das Bau sparsystem, denn aktuell ist wieder ein Trend zu steigenden Zinsen infolge von Infla tionserwartungen zu erkennen. Insofern sind wir mehr als ganz gewöhnliche Wohnimmobilienfinanzierer.

Erwarten Sie, dass sich an diesem starken Ungleichgewicht zwischen dem Kollektiv- und Außerkollektivgeschäft in den kommenden Jahren etwas ändert?

Ja, ich erwarte hier wieder Veränderungen zugunsten des Kollektivs. Vor allem bei Häusern, die stark im Vor- und Zwischenfinanzierungsgeschäft unterwegs sind und wenn Kunden eine lange Zinssicherheit erreichen wollen, was nur durch Kombiprodukte möglich ist.

Denken Sie angesichts Ihres hohen Anteils an klassischen Baufinanzierungen eigentlich über die Emission von Pfandbriefen nach?

Ja, das tun wir in der Tat. Vor allem, weil wir überzeugt sind, dass die Qualität unseres Kreditbuches erstklassig ist und sich bestens für die Unterlegung von Pfandbriefen eignet. Aber eine Pfandbrieflizenz zu erreichen, bedarf auch eines erheblichen regulato rischen und prozessualen Aufwandes, der nicht zu unterschätzen ist. Und zurzeit haben andere Themen im Haus eine höhere Priorität, sodass wir uns diesem Thema perspektivisch erst in den nächsten Jahren nähern.

Inwieweit macht die Debeka Bausparkasse ansonsten Gebrauch von dem erweiterten Handlungsspielraum infolge des 2015 novellierten Bausparkassengesetzes?

Uns kam die Ausweitung des Kontingents für sonstige Baudarlehen sehr entgegen. Aktuell befassen wir uns mit einer eventuellen Anlage in Aktienfonds und wie gesagt perspektivisch mit dem Pfandbriefthema. Hilfreich wäre darüber hinaus, wenn der Gesetzgeber bei einer Weiterentwicklung der Bauspargesetzgebung die Grenzen für Blankokredite auf ein bedarfsgerechtes Niveau anheben würde.

Abschließende Frage: Welche wohneigentumspolitischen Wünsche haben Sie mit Blick auf die näher rückende Bundestagswahl im September?

Ich glaube, Bauen und Wohnen wurde bislang von der Politik nicht in dem Maß beachtet, wie es dieses wichtige Thema verdient hätte. Das zeigt sich schon allein darin, dass es für Bauen und Wohnen kein eigenes Ministerium mehr gibt, sondern es lediglich ein Ressort in einem übergeordneten Ministerium darstellt. Ich glaube auch, dass bezahlbares Wohnen eine der zentralen sozialen Fragen dieser Zeit ist und dass man mit diesem Thema Wähler gewinnen oder verlieren kann. Die Wohneigentumsquote in Deutschland ist viel zu gering. Dabei wissen wir, dass dem Wohneigentum - egal ob eigen genutzt oder vermietet - bei der Frage der Vermögensbildung und Altersvorsorge eine ganz zentrale Rolle zukommt.

Es sollte also Ziel der nächsten Bundesregierung sein, möglichst vielen Menschen den Traum vom Wohneigentum zu ermöglichen. Auch vor dem Hintergrund, dass jeder neue Eigenheimbau irgendwo Mietwohnraum frei macht und somit auch Mieter davon profitieren. Ich wünsche mir weniger Ideologie und mehr gesunden Menschenverstand bei den Debatten in der Wohnungspolitik.

ZUR PERSON DIRK BOTZEM, Mitglied des Vorstands, Debeka Bausparkasse AG, Koblenz
Noch keine Bewertungen vorhanden


X