IMMOBILIENWIRTSCHAFT 4.0

"DAS PEOPLE'S BUSINESS IN SEINER MOMENTANEN FORM MACHT DIE BANKEN SEHR ANFÄLLIG"

Dr. Thomas Schneider, Foto: BrickVest

Auch in der gewerblichen Immobilienfinanzierung genießt das Thema Digitalisierung mittlerweile hohe Priorität: Onlinebasierte Kundenportale werden etabliert und Prozesse rund um den Daten- und Dokumentenaustausch im Sinne der Kunden und eigenen Kostenstruktur effizienter gestaltet. Erste Initiativen ergründen darüber hinaus das Potenzial digitaler Plattformen. In ebendiesem Bereich ist Brickvest beheimatet. Dass das Londoner Unternehmen ganz offensichtlich ein vielversprechendes Geschäftsmodell entwickelt hat, zeigt nicht zuletzt das große Interesse von Berlin Hyp und Aareal Bank, die jeweils Beteiligungen an der Plattform eingegangen sind. Im Interview mit I & F spricht Brickvest-CIO Thomas Schneider über die Zusammenarbeit mit den Immobilienbanken und erläutert, weshalb er eine strengere Regulierung der Crowdinvesting-Anbieter für unbedingt notwendig erachtet. Red.

Herr Dr. Schneider, was unterscheidet Brickvest von den vielen anderen Immobilien-Investment-Plattformen am Markt?

Unser größtes Alleinstellungsmerkmal bestand vom ersten Tag an darin, dass es sich um eine vollregulierte Plattform handelt. Wir verfügen über eine Full-Scope-AIFMD-Lizenz mit European Passporting von der englischen Regulierungsbehörde FCA.

Welche Vorteile bietet Ihnen die Vollregulierung konkret?

Es sind im Wesentlichen drei Aspekte: Erstens besteht keine Volumenbegrenzung bei den Investments. Zweitens kann die komplette Produktpalette - Eigenkapital, Fremdkapital und Mezzanine - angeboten werden. Das unterscheidet uns gerade von den deutschen Plattformen, die bekanntlich überwiegend auf Nachrangdarlehen beschränkt sind. Und der dritte Vorteil der Vollregulierung besteht darin, dass wir die Produkte paneuropäisch vermarkten können, sprich von England aus in allen anderen Ländern der EU.

Würde dieser dritte Vorteil im Falle eines ungeregelten Brexits denn wegfallen?

Ja, deshalb haben wir unlängst Vorkehrungen für dieses Szenario getroffen und sind mittlerweile auch in Frankreich reguliert. Wir verfügen somit auch über eine Lizenz in Kontinentaleuropa.

Der Aufwand für die Vollregulierung ist bekanntlich groß, gerade für junge Startups. Was hat Sie dennoch dazu bewogen?

Richtig, es ist ziemlich aufwendig, aber für uns war und ist die Maxime, nicht an der Regulierung vorbei arbeiten zu wollen, sondern diese zu 100 Prozent anzuerkennen. Außerdem hat Regulierung auch gute Seiten: Sie sorgt für erhöhte Transparenz und einen besseren Schutz von Kunden. Das sollte - gerade im Immobiliengeschäft - in unser aller Interesse sein.

Stichwort Kunden: Welches Publikum adressieren Sie mit Ihren Investment-Plattformen Access und Select jeweils?

Access ist eine B2C-Plattform, die sich an vermögende Privatkunden richtet. Die Plattform ermöglicht dieser Klientel erstmals den Zugang zu Immobiliendeals von institutioneller Qualität, die bislang eben genau diesen professionellen Investoren vorbehalten waren - wohlgemerkt zu den gleichen Konditionen und somit deutlich besseren Renditen als es für viele Retailkunden leider der Regelfall ist. Denn wer einen klassischen Immobilien-Publikumsfonds zeichnet, der bekommt für ein Eigenkapitalinvestment bekanntlich gerade einmal rund drei Prozent Return.

In den heutigen Zeiten ist das doch eigentlich ganz passabel.

Es ist schon ziemlich dürftig, gerade wenn man sich das Rendite-Risiko-Verhältnis einmal genauer vergegenwärtigt: Eigenkapitalinvestments sind die höchste Risikoklasse und dafür sind drei Prozent nicht sonderlich attraktiv. Die Immobilie selbst erwirtschaftet dabei deutlich mehr, nur kommt davon beim Anleger wenig an, weil die Asset Manager viel von der Rendite abschöpfen.

Was schöpfen Sie im Vergleich dazu denn so ab?

Dank der digitalen Struktur sind wir natürlich deutlich günstiger als beispielsweise die gängigen Publikumsfonds. Üblicherweise liegen die Structuring Fees bei Access zwischen zwei und drei Prozent, hinzu kommt ein Prozent an Management-Gebühr. Die Rendite, die beim Investor landet, ist auch deshalb signifikant höher. Und so soll es wie eben erwähnt ja auch sein: Ein hohes Risiko impliziert einen hohen Return. Ein Profi würde schließlich nie für drei Prozent Eigenkapitalrendite investieren. Damit müssen sich nur die Retailkunden zufriedengeben und an diesem Missstand setzt Access an.

Access ist also eher im B2C- Bereich angesiedelt. Adressiert Select das B2B-Geschäft?

Richtig, auf Select sind investorenseitig nur Ultra-high net-worth individuals (UHNWI), Family Offices und Institutionelle wie Pensionskassen und Private-Equity-Anleger unterwegs. Bei diesen Kunden geht es weniger um den Zugang zu attraktiven Immobiliendeals, denn diesen haben sie selbst bereits. Stattdessen setzt die Plattform vor allem an dem Problem der mangelnden Transparenz an, indem eine Vielzahl an Deals in Europa und den USA auf einen Blick verglichen werden können.

Sie sind mit der vollen Select-Version erst seit zirka drei Monaten live. Wie läuft es bisher?

Auf der Plattform stehen mittlerweile über 100 Deals mit gut drei Milliarden an investierbarem Kapital zur Auswahl. Wir sind damit sehr zufrieden.

Wie gehen Sie bei der Auswahl der Immobilien vor?

Wir verfügen mittlerweile über ein Netzwerk von rund 1 300 ausschließlich professionellen Sponsoren weltweit, dazu gehören unter anderem Corestate, Aerium und Henley. Wir arbeiten zum Beispiel also nicht mit einem Architekten, der sein erstes Development angeht.

Der Ruf des Crowdinvestings in Deutschland hat zuletzt aufgrund einiger Pleiten bei Immobilienprojekten Kratzer bekommen. Was ist hier Ihrer Ansicht nach schiefgelaufen?

Die deutschen Anbieter haben ein Riesenproblem: Sie sammeln ihr Geld üblicherweise von Hunderten Kleinstanlegern ein und sind gleichzeitig nicht reguliert. Ein Developer, der von solchen Plattformen Geld nimmt, geht ein enormes Risiko ein, das ein Profi niemals auf sich nehmen würde.

Exporo & Co. mangelt es also an professionellen Partnern?

Meiner Meinung nach ist das mehrheitlich so. Sie müssen mit Marktakteuren zusammenarbeiten, die offenbar so in Not sind, dass sie Geld von zig Retailkunden annehmen. Nicht alles davon ist natürlich Schrott, aber die Ausfallquoten sind naturgemäß höher.

Fürchten Sie, dass die Negativschlagzeilen auf die gesamte Crowdinvesting-Branche abfärben?

Das Risiko besteht durchaus. Deshalb versuchen wir noch deutlicher zu kommunizieren, dass Brickvest von diesen Anbietern klar abgegrenzt werden muss: Wir sind Stand heute in Europa noch immer der einzige vollregulierte Anbieter und somit weit entfernt von den betroffenen Anbietern.

Was muss geschehen, damit die Branche sicherer wird?

Wenn es den digitalen Plattformen nicht gelingt, die Qualität und die Transparenz der angebotenen Produkte zu erhöhen, droht dem Crowdinvesting ein ähnliches Schicksal wie dem geschlossenen Fonds. Ziel muss daher zunächst eine schnelle und umfassende Regulierung der Branche sein.

Nur dann können die sich bietenden Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden, um Produkte mit einem hohen Maß an Transparenz, geringen Kosten und einer risikoadäquaten Eigenkapitalverzinsung anzubieten, die an den professionellen Investmentmarkt heranreichen.

Mit Brickvest Debt ist derzeit Ihre dritte digitale Plattform in der Vorbereitung. Was ist hier der aktuelle Stand und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Geplant ist, dass wir mit Debt in einer gehobenen Betaversion in Kürze live gehen. Die Plattform ist im Prinzip die Vervollständigung von Access und Select, sprich Sponsoren können damit neben Eigenkapital künftig auch auf Fremdkapital zurückgreifen.

Bisher gestaltet sich die Fremdkapitalbeschaffung bei Developments und der Refinanzierung von Bestandsimmobilien extrem mühselig, das gilt insbesondere für das Einholen von Angeboten bei verschiedenen Banken: Obwohl jedes Institut mehr oder weniger dieselben Informationen abfragt, geschieht dies doch immer etwas anders. Dadurch ist dieser Prozess mit viel Aufwand und Zeit verbunden. Mit Brickvest Debt haben wir ihn nun vereinfacht.

Welche Rolle spielen dabei Ihre strategischen Partner Berlin Hyp und Aareal Bank?

Wir arbeiten an dieser Stelle eng mit Berlin Hyp und Aareal Bank sowie weiteren Instituten zusammen. Das Hauptanliegen in der Vorbereitung von Brickvest Debt bestand letztlich darin, dass sich alle Akteure auf einen gemeinsamen Standard verständigen hinsichtlich der eben geschilderten Problematik: Welche Informationen braucht eine Bank, damit sie zunächst einmal ein indikatives Angebot machen kann?

Das Ergebnis ist nun eine Plattform, auf der Fremdkapitalsuchende wichtige Parameter eingeben und anschließend mit dem Brickvest-Netzwerk bestehend aus über 850 Banken verbunden werden, wobei die jeweiligen Konditionen automatisch abgefragt werden.

Die Berlin Hyp und die Aareal Bank sind bei Brickvest investiert. Sprechen die beiden Institute somit auch in operativen Dingen bei Brickvest mit?

Nein, es handelt sich jeweils um strategische Partnerschaften. Wir profitieren vor allem insofern, als die beiden Banken uns Zugang zu wertvollem Know-how bieten, sie fungieren gewissermaßen als unser Sparringspartner. Eine direkte Mitsprache in die operativen Abläufe bei Brickvest ist kein Thema, das wäre letztlich auch kontraproduktiv: Um eine erfolgreiche Plattform sein zu können, müssen wir schließlich eigenständig sein und neutral bleiben. Andernfalls würde ansonsten keine weitere Bank mit uns zusammenarbeiten.

Bei teilnehmenden Banken ist zu hören, dass sie an Brickvest unter anderem die Möglichkeit schätzen, die Kundenbindung besser zu gestalten. Was ist damit gemeint?

Eine Situation, die heute wenig befriedigend gehandhabt wird, betrifft beispielsweise die Frage, wie die Bank einen Kunden behandelt, dem sie einen Kredit - aus welchen Gründen auch immer - nicht zur Verfügung stellt. Stand heute ist es diesbezüglich so, dass die Bank den Kunden mehr oder weniger mit dem Problem alleine lässt und ihn zur Konkurrenz schickt. Über Brickvest Debt lässt sich dieses Problem besser lösen: Die Plattform bietet die Möglichkeit, dem Kunden eine Alternative für die Finanzierung zu finden. Darüber hinaus kann die Bank dabei als Berater fungieren, indem sie Empfehlungen ausspricht. So bleibt man nahe am Kunden dran.

Und verdient unter Umständen noch eine Provision für die erbrachte Vermittlungsleistung?

Durchaus. Brickvest erhält von der kreditgebenden Bank eine Vermittlungsgebühr und diese wird mit dem Institut geteilt, das die Anfrage gebracht hat. Noch wichtiger aber ist die Tatsache, dass man dem Kunden zu einer guten Lösung verhelfen konnte und beratend die Kundenbeziehung fortsetzt.

Welche weiteren Vorteile bieten sich den 850 angeschlossenen Banken, von denen Sie sprachen?

Grundsätzlich finden die Institute bei Brickvest Debt eine neue Säule vor, um Finanzierungsgebote abgeben zu können und entsprechend Neugeschäft zu tätigen. In diesem Zusammenhang registrieren wir gerade von ausländischen Banken viel Nachfrage.

Die Logik liegt auf der Hand: Wer auf "analogem" Wege zum Beispiel in den deutschen Markt eintreten möchte, fliegt normalerweise nach Frankfurt, muss dort zunächst ein Büro mieten, inländische Experten anstellen und mit etwas Glück kann er sechs Monate später den ersten Debt-Deal abschließen. Bei Brickvest Debt lässt sich hingegen bequem erkennen, wo in Deutschland derzeit Finanzierungsanfragen existieren und bei Interesse können dafür entsprechende Angebote abgegeben werden.

Mehr geht nicht?

Doch, über einen Datenraum kann man anschließend auch direkt in die Prüfung gehen, theoretisch ließe sich über die Plattform sogar ein Binding Term Sheet (finaler Kreditvertrag) strukturieren.

Viele gewerbliche Immobilienfinanzierer argumentieren, dass ihr Geschäft viel zu komplex sei, als es vollumfänglich digital abbilden zu können. Ist da nicht auch etwas dran, sprich bleibt es nicht doch ein People's Business?

Die hohe Komplexität ist bei manchen Finanzierungen sicher ein Argument. Gleichwohl können bereits heute relativ einfache Kredite wie etwa die Refinanzierung für ein vollvermietetes Objekt vollautomatisiert dargestellt werden. Was dagegen natürlich schwieriger ist, sind anspruchsvolle Development-Deals: Da wird man den Telefonhörer auf absehbare Zeit weiter in die Hand nehmen müssen. In Teilen lässt sich aber auch ein solches Geschäft digitalisieren, beispielsweise die Kreditanfrage. Das Closing noch nicht, aber das kann man vielleicht in zehn Jahren via Künstliche Intelligenz erreichen, wer weiß. Denn so kompliziert ist das im Prinzip auch nicht.

Das Argument "People's Business" überzeugt meiner Meinung nach dagegen wenig. Wenn bei einer großvolumigen Finanzierung im dreistelligen Millionenbereich am Ende dank effizienter Technologie 20 Basispunkte gespart werden können, dann dürfte dies ausschlaggebend sein. Hinzu kommt, dass die Regulierung im Finanzsektor immer weiter zunimmt.

Infolgedessen steigen die Anforderungen an möglichst transparente und integre Kreditanalyse- und Selektionsprozesse. Und so etwas lässt sich mithilfe technologischer Plattformen deutlich besser abbilden als über die heute gängigen, oftmals undurchsichtigen und weitgehend analogen Abläufe. Investoren würden es im Übrigen sicher auch begrüßen, wenn die Finanzierung bei zum Beispiel 400 Banken abgefragt wird anstatt nur bei einigen wenigen.

Das klingt einigermaßen revolutionär.

Ich sehe uns aber keinesfalls als Disruptor der Immobilienfinanzierer. Das sieht man ja gut am Beispiel der Berlin Hyp, mit der wir gerade versuchen, deren gesamtes Syndizierungsgeschäft zu digitalisieren. Warum geht sie diesen Schritt? Nicht um sich selbst überflüssig zu machen, sondern weil es einfach viele Bereiche in Banken gibt, die noch deutlich effizienter gestaltet werden können. So wird die Berlin Hyp mithilfe unserer Technologie ihr Syndizierungsvolumen verdoppeln können, ohne dafür zusätzliches Personal zu benötigen.

Der Effizienzgedanke hat im Übrigen auch mit Blick auf die Debt-Origination-Aktivitäten Gültigkeit: Wenn Banken über eine Plattform wie Brickvest Debt alle Finanzierungsanfragen einsehen können, lassen sich diese im Umkehrschluss viel effizienter gestalten. Nicht vergessen sollte man in diesem Zusammenhang auch ein anderes Problem: Wenn heute ein Originator die Bank verlässt, verliert man damit in aller Regel auch den Kunden. Über eine digitale Plattform hat die Bank dagegen viel bessere Kontrolle über ihre Kundenbeziehungen. Das "People's Business" in seiner momentanen Form macht die Banken sehr anfällig.

Brickvest bietet also Hilfestellung für Etablierte und ist weniger ein Angriff auf das Geschäftsmodell etablierter Unternehmen?

Absolut, ich sehe Brickvest eher als SAP oder Bloomberg der Immobilienbranche. Es ist ein vollregulierter, neutraler und digitaler Marktplatz, der den Banken kein Geschäft streitig macht, im Gegenteil: Wir ermöglichen es ihnen sogar, wieder mehr Geschäft abschließen zu können ohne Broker. Für die Banken wäre es ein Segen, wenn die Plattform ein Erfolg wird.

Stichwort Erfolg: Ist Ihr Unternehmen denn bereits profitabel?

An sich schon. Wir investieren derzeit natürlich intensiv in die Erschließung neuer Märkte, Technologien und Produkte.

Noch eine allgemeine Frage: Viel wird derzeit über das Potenzial Künstlicher Intelligenz (KI) diskutiert. Wo steht die Immobilienbranche diesbezüglich?

Noch ganz am Anfang. Im Prinzip sehen wir bislang nur die Vorstufe davon. Echte Künstliche Intelligenz assoziiere ich bislang mit Tools, welche man zum Beispiel bei IBM Watson findet, aber noch nicht bei Proptechs. Das heißt nicht, dass es keine Fortschritte gibt. Viele der derzeit diskutierten Ideen und Ansätze sind sinnvoll und werden fruchten.

ZUR PERSON DR. THOMAS SCHNEIDER CIO und Mitgründer, BrickVest Ltd, London
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