PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

"DER PFANDBRIEF STEHT AUF EINER GRUNDSOLIDEN BASIS"

Dr. Louis Hagen, Foto: vdp

Viele Bewährungsproben musste der Pfandbrief im Laufe seiner 251-jährigen Geschichte überstehen, am Ende hat er sie stets mit Bravour gemeistert und ist gestärkt daraus hervorgegangen. Vieles deutet darauf hin, dass dieses Narrativ auch für die aktuelle Corona-Krise Gültigkeit besitzt. So konnte das älteste deutsche Kapitalmarktinstrument in den vergangenen Wochen seine bewährten Vorzüge für Emittenten und Investoren als Stabilitätsanker in turbulenten Zeiten abermals unter Beweis stellen. Abgesehen davon fordert die Krise die Pfandbriefbanken aber natürlich an vielen anderen Stellen. Im Interview mit der I & F-Redaktion erörtern Präsident und Hauptgeschäftsführer des vdp unter anderem, wie der Verband seine Mitglieder bei der Aufgabenbewältigung unterstützt. Red.

Herr Hagen, Herr Tolckmitt, im vergangenen Jahr gab es anlässlich des 250-jährigen Jubiläums des Pfandbriefs noch einen großen Festakt. Von solchen Feierlichkeiten sind wir heute weit entfernt, aktuell muss sich der Pfandbrief in einer Krisensituation behaupten. Wie gut gelingt ihm das?

Louis Hagen: Der Pfandbrief bewährt sich in der Corona-Krise einmal mehr als sichere Anlage und zuverlässiges Finanzinstrument. Es gibt keinerlei Zweifel an seiner Werthaltigkeit. Darüber hinaus wird momentan sehr deutlich, wie wichtig Pfandbriefe beziehungsweise Covered Bonds für die Geldpolitik der EZB sind - zu Recht nach meiner Auffassung. Auch im 251. Jahr seines Bestehens erfüllt der Pfandbrief also voll und ganz seine Funktion.

Jens Tolckmitt: Die Marktdaten bestätigen, dass der Pfandbrief für die Emittenten erneut der Stabilitätsanker schlechthin ist. Insbesondere die rein kapitalmarktrefinanzierten Institute wissen das Instrument aktuell zu schätzen, da es jederzeit die Versorgung mit langfristiger Liquidität ermöglicht. Die Lehre aus der Finanz- und Staatsschuldenkrise ist also keine Eintagsfliege gewesen, sondern wir kommen immer wieder auf dieses wertvolle Prinzip zurück: Der Pfandbrief versetzt seine Emittenten in die Lage, auch in turbulenten Zeiten ausreichend Liquidität am Kapitalmarkt zu vergleichsweise günstigen Bedingungen generieren zu können.

Wie bewerten Sie die Harmonisierung der europäischen Covered Bonds vor dem Hintergrund der Corona-Krise? Besteht in diesem großen Markt nicht die Gefahr, dass potenzielle Probleme in einzelnen Jurisdiktionen negativ auf den Pfandbrief abfärben werden?

Louis Hagen: Die Harmonisierung ist vor dem Hintergrund der Corona-Krise nicht schädlich, im Gegenteil: Sie hat eine positive und stabilisierende Wirkung. Das Qualitätsniveau der gedeckten europäischen Schuldverschreibungen wurde durch die Harmonisierung insgesamt angehoben. Im Grunde genommen wünschte ich mir, dass das Projekt schon einige Jahre früher angegangen worden wäre.

Wie bewerten Sie die Möglichkeiten zur Differenzierung?

Louis Hagen: Die Möglichkeit zur Differenzierung ist weiterhin gegeben, eben weil die Harmonisierung lediglich ein Mindestqualitätsniveau festlegt und es jeder Jurisdiktion freisteht, über diesen Mindeststandard hinauszugehen. Diesbezüglich sind wir nach wie vor der festen Überzeugung, mit dem Pfandbrief den Premium-Covered-Bond zu haben.

Die Harmonisierung ist bekanntlich noch nicht vollzogen. Was bedeuten die aktuell schwierigen Rahmenbedingungen für die Umsetzung in den einzelnen Ländern?

Jens Tolckmitt: Zunächst einmal nichts. Nach heutigem Stand (Anmerkung der Redaktion: Mitte Mai 2020) gilt weiterhin die Frist vom 7. Juli 2021, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die einzelnen Länder befinden sich hier in unterschiedlichen Phasen, wobei Deutschland zu den am weitesten vorangeschrittenen zählt. Gleichwohl wissen wir noch nicht genau, wann der Gesetzentwurf von der Bundesregierung veröffentlicht wird.

Ist eine Verlängerung der Umsetzungsfrist denkbar?

Jens Tolckmitt: Das kann sein, allerdings wäre dies vermutlich weniger der Situation in den einzelnen Ländern geschuldet, als einer generell veränderten politischen Prioritätensetzung aufgrund der Covid-19-Krise. Um es aber noch einmal festzuhalten: Die Harmonisierung wird zu einer deutlichen Verbesserung der Qualität von Covered Bonds führen. Trotzdem ist die Differenzierung der Produkte weiterhin uneingeschränkt möglich.

Was ich bislang überhaupt nicht feststelle und auch nicht für die Zukunft erwarte, ist, dass Investoren nicht mehr zwischen den Covered Bonds der einzelnen Länder differenzieren. Das liegt zum einen an der nach wie vor unterschiedlichen Qualität der nationalen Gesetzgebungen und zum anderen daran, dass Covered Bonds für eine Reihe wichtiger Investoren traditionell ein Substitut sind für die Staatsanleihen ihres jeweiligen Landes, aus dem der Emittent stammt. An dieser Perspektive wird sich durch die Harmonisierung nichts ändern.

Wie ist der vdp in der Corona-Krise konkret gefordert?

Louis Hagen: Es sind eine ganze Reihe von Maßnahmen, bei denen der vdp seine Mitgliedsinstitute intensiv begleitet: etwa in der Bereitstellung eines Moratoriums, im Rahmen der Durchleitung der staatlichen Hilfsmaßnahmen, aber auch bei neuen bankaufsichtsrechtlichen Beschlüssen, die es den Instituten ermöglichen sollen, weiter Kredite zur Verfügung stellen zu können. Es handelt sich dabei oftmals um Themen, die aufgrund ihrer Komplexität in der Öffentlichkeit kaum präsent sind, für Banken aber die Grundlage ihres Handelns ausmachen. Der Verband erweist sich hier wieder einmal als äußerst leistungsfähiger Ansprechpartner.

Stichwort Bankaufsicht: Die rühmt sich gerade ja fast damit, etwas lockerer im Umgang mit den Instituten geworden zu sein. Können Sie das aus der täglichen Praxis bestätigen?

Louis Hagen: Was wir als Banken tagtäglich an Daten und Berechnungen an die Aufsicht liefern müssen, war und ist auch in Zeiten von Corona enorm. Wir laufen Gefahr, dass generelle Erleichterungen beim Regelreporting durch spezifische Anforderungen der laufenden Aufsicht überkompensiert werden. Es wäre zu begrüßen, wenn sich die Bankenaufsicht in dieser herausfordernden Zeit auf das Notwendigste beschränken würde und die Banken ihre Arbeit machen lassen würde.

Welche Aufgaben haben sich der neue/alte Präsident und der Vorstand für die kommenden Jahre vorgenommen?

Louis Hagen: Über die Zusammensetzung des Vorstands und die Person des Präsidenten entscheidet die Mitgliederversammlung. Unabhängig davon, welches Ergebnis die Wahl bringen wird, ist zu konstatieren, dass die Zielagenda durch die Corona-Pandemie andere Schwerpunkte haben wird als vorher. Heute stehen andere Notwendigkeiten im Vordergrund. Es gilt die Mitgliedsinstitute dabei zu unterstützen, durch die voraussichtlich noch dieses und Teile des nächsten Jahres andauernde Phase der Unsicherheit und der wirtschaftlichen Rezession zu navigieren.

Dabei stehen für den Verband die regulatorischen Rahmenbedingungen im Vordergrund, die Banken nicht zusätzlich belasten dürfen, sondern es ihnen erleichtern sollen, mit der Krise umzugehen. Auch Bewertungsfragen und bilanzielle Themen dürften in nächster Zeit oben auf der Agenda stehen. Der Pfandbrief steht auf einer grundsoliden Basis, sodass hier kein dringender Handlungsbedarf besteht. Wichtig wird sein, den Pfandbriefmarkt vor allzu großen Verzerrungen durch die EZB-Geldpolitik zu bewahren, um die traditionellen Investoren nicht zu verdrängen.

Was sind Themen abseits von Corona, die den vdp in den kommenden Monaten beschäftigen werden? Haben Sie beispielsweise konkrete Wünsche an die Ratspräsidentschaft Deutschlands im zweiten Halbjahr 2020, oder verschieben sich hier ebenfalls viele Dinge aufgrund neuer Prioritätensetzungen?

Jens Tolckmitt: Prioritäten werden sicherlich neu gesetzt. Und daraus resultiert vielleicht auch unser größter Wunsch an die deutsche Ratspräsidentschaft: Dass die Prioritäten so gesetzt und laufende Gesetzgebungen stets unter der Prämisse verfolgt werden, dass Banken insgesamt, aber auch Pfandbriefbanken, ihrer Kernaufgabe nachkommen können - der Kreditvergabe an die Realwirtschaft. Da gibt es schon einige ermunternde Signale. Wenn man sich mit Vertretern in Brüssel unterhält, wird mehrheitlich eine signifikante Anpassung des jeweiligen Arbeitsprogramms erwartet.

Den Eindruck, dass die Bewältigung der Krisenfolgen nun die zentrale Aufgabe ist, der zunächst alles andere untergeordnet wird, erweckt im Übrigen auch die EU-Kommission. Wichtig wird bei all dem aber sein, dass man geplante Regulierungsprojekte nicht nur einfach verschiebt, sondern auch, dass man sie noch einmal genau auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft: Sollten die jeweiligen Vorschriften tatsächlich in ihrer ursprünglich von der Politik avisierten Form umgesetzt werden oder würde das am Ende nicht doch die Banken bei der Erfüllung ihrer Kernaufgabe behindern?

Sie spielen damit vermutlich auf Basel III an?

Jens Tolckmitt: Zum Beispiel, ja. Wir begrüßen die jüngst beschlossene Verschiebung um ein Jahr, gleichwohl wird damit das Kernproblem selbst nicht gelöst. Die Bewältigung der Covid-19-bedingten Folgen für die Wirtschaft wird schließlich mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen. Deshalb muss man sich ansehen, inwieweit konkrete Inhalte von Basel III Banken bei der Kreditvergabe an die Realwirtschaft behindern.

Der vdp dürfte als erstes auf den Output Floor hinweisen.

Jens Tolckmitt: Richtig, denn er ist schlicht und einfach extrem aufwendig und kostspielig für Banken. Jeder Euro, der zur Erfüllung dieser Regulierung aufgebracht werden muss, steht nicht für Kredite an die Realwirtschaft zur Verfügung. Dasselbe gilt für Sustainable Finance, wo sich spätestens durch die jüngst von der Kommission verabschiedete "Renewed Sustainable Finance Strategy" erheblicher Mehraufwand abzeichnet. Fakt ist: Dem Nachhaltigkeitsziel fühlen sich mittlerweile alle Banken verpflichtet, das wissen wir aus der Verbandsarbeit.

Wenn man aber an die Bewältigung der Covid-19-Krise denkt, dann stößt man eben auf eine Realwirtschaft, die heute in vielen Teilen noch nicht dem Idealbild von Nachhaltigkeit entspricht. Dennoch muss natürlich auch für solche Unternehmen die Kreditversorgung gewährleistet sein, um die Folgen einigermaßen abzufedern.

Nun hat es bekanntlich relativ lange gedauert, den Output Floor mit den USA festzulegen. Was macht Sie zuversichtlich, dass das noch einmal angefasst wird?

Jens Tolckmitt: Wir stellen die Basel-III-Beschlüsse - und auch den Output Floor - ja nicht grundsätzlich in Frage, sondern lediglich ihre angedachte Umsetzung in Europa. Wir mahnen an, das umzusetzen, was tatsächlich in Basel vereinbart wurde - und nicht das, was die EBA daraus machen möchte. Dass wir damit jetzt mehr Gehör finden, zeigt sich an verschiedenen Stellen. Insbesondere auf der politischen Ebene ahnt man inzwischen, dass die wesentlich durch den Output Floor verursachte zusätzliche Eigenkapitalbelastung von knapp 40 Prozent bedrohlich für die europäische Realwirtschaft wäre.

Darüber hinaus scheint man vielerorts nun doch noch die unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen in Europa und den USA zu würdigen. Während es sich zum Beispiel in der Wohnimmobilienfinanzierung in Europa um nahezu 100 Prozent bankbilanzierte Finanzierungen handelt, sind es in den USA weniger als ein Viertel. Klar, dass dann da der Output Floor keine so große Rolle spielt. Diese Argumente haben wir bekanntlich immer vorgebracht, doch erst jetzt verfangen sie in der politischen Diskussion.

Schlussendlich wäre es im Übrigen nur konsequent, über das grundsätzliche politische Leitbild noch einmal nachzudenken. Der EBA-Vorschlag zu Basel III drängt hiesige Banken förmlich dazu, ihr Geschäft stärker an dem ihrer amerikanischen Pendants auszurichten. Doch ist mehr außerbilanzielles Geschäft wirklich wünschenswert? Im Sinne der Finanzstabilität wohl kaum. Denn genau da lag ja ein Ursprung der letzten Finanzkrise.

Bei der Bewältigung der aktuellen Krise wird viel von der Finanzwirtschaft abhängen. Ist das der wesentliche Unterschied zu früheren Krisen, etwa der Finanzkrise, wo Banken eher das Problem waren?

Louis Hagen: In der Tat sehe ich darin einen der ganz großen Unterschiede. Die Covid-19-Krise wirkt als exogener Schock auf die Realwirtschaft und stellt sie vor große Probleme. Eine zentrale Rolle zur Bewältigung der Probleme fällt dabei den Banken zu. Ihre Hauptaufgabe ist, für ausreichend Liquidität und eine stabile Kreditversorgung zu sorgen. Man darf dabei jedoch nicht außer Acht lassen, dass Probleme der Realwirtschaft in der Folge auch Probleme der Finanzwirtschaft nach sich ziehen. Deshalb bedarf es einer mit allen Beteiligten abgestimmten Vorgehensweise.

Nicht wenige Banken haben in den vergangenen Jahren ihr Volumen in der Immobilienfinanzierung signifikant ausgeweitet. Manche waren dabei auch durchaus aggressiv unterwegs. Erwarten Sie Probleme, etwa in Form höherer Risikovorsorge?

Louis Hagen: Ich würde das Vorgehen von Banken nicht als aggressiv bezeichnen. Es gehört nun einmal zum Wettbewerb, dass Marktteilnehmer unterschiedliche Strategien verfolgen, die mal mehr, mal weniger konservativ sind. Davon profitieren letztlich die Kunden. Die Regulatorik hat die Aufgabe zu verhindern, dass solche Entwicklungen aus dem Ruder geraten, damit nicht der Steuerzahler zur Bewältigung von Bankenproblemen herangezogen werden muss.

Wie sich die Situation in Gänze auf die Risikovorsorge auswirken wird, kann derzeit noch nicht seriös beantwortet werden. Persönlich gehe ich aber davon aus, dass die Akteure in der Immobilienfinanzierung noch verhältnismäßig gut aufgestellt sind. Eine besicherte Immobilienfinanzierung - auch wenn die Immobilie hoch bewertet sein mag - ist eben etwas anderes als eine unbesicherte Finanzierung.

Jens Tolckmitt: Für die private Immobilienfinanzierung zeigt eine aktuelle Erhebung des vdp, dass die Finanzierungsstrukturen nach wie vor als konservativ bezeichnet werden können: Trotz der deutlich stärker als das Einkommen gestiegenen Preise liegt der durchschnittliche Beleihungsauslauf relativ konstant bei 82 Prozent, die Kreditbelastungsquote beträgt rund 26 Prozent, die Anfangstilgung knapp drei Prozent und die Zinsbindung liegt im Mittel bei 15 Jahren.

Selbst wenn es zu Preisrückgängen käme, wovon wir momentan nicht ausgehen, müsste ein solcher Rückgang immer im Kontext der dynamischen Wertsteigerungen der vergangenen zehn Jahre gesehen werden. Der Anteil an Finanzierungen, denen ein moderater Preisrückgang zusetzen würde, wäre wohl überschaubar. Wenn überhaupt träfe es jene, die in den vergangenen zwei Jahren finanziert haben und selbst da müsste der Preis schon merklich zurückgehen.

Wie geht es unterdessen weiter mit der angestoßenen Debatte zur Anpassung des Beleihungswerts? Erweist sich seine konservative Ausgestaltung nicht gerade in der aktuellen Situation als Asset?

Louis Hagen: Die gewünschte Anpassung des Beleihungswertes beinhaltet eine moderate Hinführung an die im Markt seit vielen Jahren veränderte Realität. Auch dann wäre der Beleihungswert noch immer extrem konservativ. Aber dies ist nicht das alleinige Thema bei unseren Gesprächen mit der BaFin. Denn für eine Novellierung sehen wir weitere Anlässe: die fortschreitende Digitalisierung der kreditwirtschaftlichen Immobilienbewertung, das Marktumfeld mit der langanhaltenden Niedrigzinsphase, die methodischen Veränderungen in der Marktwertermittlung in den vergangenen Jahren sowie die zunehmende Internationalisierung.

Jens Tolckmitt: Es gibt teilweise Objekte, bei denen der über Pfandbriefe refinanzierbare Teil gemessen am Marktwert deutlich unterhalb von 50 Prozent liegt. Das ist das Ergebnis der immer weiter aufgegangenen Schere zwischen Mindestkapitalisierungs- und Marktzinsen. Darüber gilt es zu sprechen, auch angesichts des voraussichtlich noch sehr lange währenden Niedrigzinsumfelds.

Wo reiht sich der Pfandbrief verglichen mit anderen Refinanzierungsmöglichkeiten aktuell und künftig konditionenseitig ein, auch mit Blick auf die nochmals verbesserten Konditionen des TLTRO-Programms?

Louis Hagen: Die Konditionen des TLTRO III werden sehr attraktiv sein. Damit wird in der angebotenen Laufzeit kein Kapitalmarktinstrument mithalten können. Der Pfandbrief kann hier als Sicherheit bei der EZB hinterlegt werden und ist somit quasi Mittel zum Zweck, um an diese derzeit sicher unschlagbar günstigen Tender zu kommen. Allein deshalb fällt ihm schon eine extrem wichtige Funktion zu. Im Vergleich zu unbesicherten Refinanzierungen sehe ich den Pfandbrief derweil klar im Vorteil. Aufgrund der teilweise starken Spreadausweitungen bei unbesicherten Schuldverschreibungen haben auch die Einlagen gegenüber der unbesicherten Refinanzierung wieder an Attraktivität gewonnen.

Nicht ganz außer Acht lassen darf man zudem den Zugang zum Geldmarkt. Allerdings ist dies kurzfristige Liquidität mit entsprechend negativen Konsequenzen für die Fristenkongruenz. Unterm Strich bestätigt die Covid-19-Krise also wieder einmal, dass eine breit gefächerte Palette an Refinanzierungsinstrumenten definitiv von Vorteil ist.

Jens Tolckmitt: Die Effekte der neuen EZB-Refinanzierungsmöglichkeiten sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wirklich absehbar. Diese Tender haben grundsätzlich aber natürlich eine begrenzte Laufzeit. Um auf längere Sicht eine fristenkongruente Refinanzierung gewährleisten zu können, wird am Pfandbrief also weiter kein Weg vorbeiführen.

Die Spreadausschläge beim Pfandbrief in den ersten Wochen der Corona-Krise waren vergleichsweise niedrig. Sind die Zeiten rekordtiefer, teils negativer Renditen dennoch vorbei?

Jens Tolckmitt: Auch das ist schwer zu prognostizieren. Im Moment würde ich aber schon sagen, dass die Phase negativer Renditen zunächst einmal vorüber ist.

2019 stieg das Pfandbrief-Emissionsvolumen um knapp zehn Prozent auf 55,0 Milliarden Euro. Auch wenn Prognosen derzeit immer mit hoher Unsicherheit behaftet sind: Ist dies ein Wert, an dem man sich 2020 grob orientieren kann?

Jens Tolckmitt: Die ersten Monate des Jahres waren sehr emissionsstark: Per Ende April haben die Pfandbriefbanken bereits Pfandbriefe im Volumen von 36 Milliarden Euro emittiert, wobei ein nicht unerheblicher Teil davon bei der EZB als Sicherheit hinterlegt wurde, um über das Eurosystem Liquidität zu generieren. Aktuell ist dieser Weg attraktiv, sodass wir am Ende des Jahres durchaus ein relativ hohes Pfandbrief-Emissionsvolumen sehen können, obwohl am Primärmarkt die Präsenz mit Benchmark-Emissionen geringer als im vergangenen Jahr ausfallen könnte.

Wann, schätzen Sie, werden erste Banken an den Primärmarkt zurückkehren?

Jens Tolckmitt: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Pfandbriefbanken sehr wohl am Pfandbrief-Primärmarkt aktiv sind, auch wenn die letzte großvolumige Benchmark-Transaktion Anfang März erfolgte. In den letzten Wochen wurden durchaus einige kleinere Privatplatzierungen emittiert. Wann die Pfandbriefbanken wieder Benchmark-Emissionen anbieten werden, wird unter anderem von der weiteren Spreadentwicklung abhängen. Werden die Refinanzierungskonditionen für Pfandbriefbanken wieder attraktiv, werden sie sich auch wieder am Markt zeigen. Es sind ja schon Spreadeinengungen zu beobachten. Die Nachfrage nach Pfandbriefen und anderen Covered Bonds ist jedenfalls vorhanden.

Könnte der öffentliche Pfandbrief im Zuge der Krise ein Comeback erfahren?

Louis Hagen: Öffentliche Pfandbriefe können sicherlich dazu beitragen, die hohen öffentlichen Ausgaben im Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen zu refinanzieren. Die Antwort auf die Frage, ob wir einen Anstieg bei den Emissionen sehen, hängt davon ab, in welchem Ausmaß die Gebietskörperschaften ihre Mittelaufnahme erhöhen. Es könnte durchaus sein, dass angesichts sinkender Steuereinnahmen insbesondere auf lokaler Ebene mehr Mittel benötigt werden. Viele Unterstützungsprogramme fußen außerdem auf staatlichen Garantien. Dies kann durchaus bedeuten, dass vermehrt Forderungen öffentlich-rechtlicher Schuldner oder von ihnen garantierter Einheiten über den öffentlichen Pfandbrief refinanziert werden.

Welche Implikationen haben die Kreditmoratorien für die Deckungsstöcke von Pfandbriefen? Drohen hier mittelfristig steigende NPLs?

Jens Tolckmitt: Die Pfandbriefbanken betreiben ein aktives Management ihrer Deckungsmassen und stellen so die Qualität ihrer Pfandbriefe sicher, selbst im Falle von Moratorien und/oder Kreditausfällen. So können Pfandbriefbanken jederzeit Kredite, die sich in der Pfandbrief-Deckungsmasse befinden, im Bedarfsfall austauschen. Nicht zu vergessen: Viele Banken weisen eine hohe Überdeckung ihrer Pfandbriefe auf.

ZUR PERSON DR. LOUIS HAGEN Präsident, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin, und Vorsitzender des Vorstands, Münchener Hypothekenbank eG, München
ZUR PERSON JENS TOLCKMITT Hauptgeschäftsführer, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin

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