MIPIM-SPECIAL

REGIONEN IM FOKUS

Foto: AdobeStock_FotoStuss

"Die Schwärmerei für die Natur kommt von der Unbewohnbarkeit der Städte", schrieb Bertolt Brecht einst mit ziemlich kritischem Unterton. Seitdem hat sich in den Kommunen vieles zum Besseren entwickelt, obgleich die Herausforderungen mit Blick auf die Zukunft der Städte nicht geringer werden: Bezahlbares Wohnen, lebendige Quartiere, Klimaschutz, Unternehmensansiedlungen, Digitalisierung und nachhaltige Mobilität - all diesen Faktoren muss Rechnung getragen werden, um eine gute Balance zu erhalten. Und auch wenn jede Stadt an diese Aufgaben etwas anders herangehen mag, so bleibt eines immer klar: Die lebenswerte, attraktive und nachhaltige Stadt der Zukunft lässt sich am Ende nur mit den Stadtbewohnern selbst zielführend gestalten. Vor diesem Hintergrund hat die MIPIM "The Future is Human" zu ihrem diesjährigen Leitmotiv erklärt. Für die I & F-Redaktion Anlass genug, um bei Vertretern von Wirtschaftsförderungen großer deutscher Kommunen einmal nachzuhaken, mit welchen Vorstellungen und Zielen sie nach Cannes fahren. Red.

"Messen wie die MIPIM sind effiziente und fokussierte Plattformen"

Clemens Baumgärtner Referent für Arbeit und Wirtschaft, Landeshauptstadt München

Mit welchen Erwartungen und Zielen fahren Sie zur diesjährigen MIPIM?

Ich freue mich auf neue Kontakte, auf spannende Projekte aus anderen Städten und auf die Veranstaltungen am München-Stand. Messen wie die MIPIM sind effiziente und fokussierte Plattformen, die wir gerne nutzen, um aktuelle Münchner Entwicklungen und Projekte vorzustellen. Messen sind wichtig für den kontinuierlichen Austausch mit der Immobilienbranche. Dort können wir unsere stadtplanerischen Positionen kommunizieren und in einem internationalen Kreis vertreten. Die Erfahrungen von anderen Modellprojekten geben oft Denkanstöße für eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadtgestaltung und die Schaffung von Büro-, Gewerbe- und Wohnflächen. Ich halte die Präsenz auf solchen Messen auch im Zeitalter der zunehmenden Digitalisierung für sehr wichtig. Selten findet man so viele entscheidende Akteure der lokalen, nationalen und internationalen Immobilienwirtschaft auf so engem Raum vereint.

Die MIPIM steht heuer ganz im Zeichen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Was sind in diesem Zusammenhang die aktuell größten Herausforderungen für Ihre Stadt?

Die Städte stehen im 21. Jahrhundert alle vor ähnlichen Herausforderungen: Digitalisierung, Klimawandel, Migration und Urbanisierung. Gefragt sind Konzepte zur Mobilität, zur nachhaltigen Daten- und Energienutzung, zum Klimaschutz oder zur Zukunft der Arbeit. Städte haben ebenso die Pflicht wie die Chance, diesen Herausforderungen zu begegnen.

München orientiert sich dabei an seinem Stadtentwicklungskonzept "Perspektive München". Das Leitmotiv "München im Gleichgewicht" gibt einen Orientierungsrahmen und fordert ein gemeinsames Ausbalancieren der Interessen. Es geht dabei weniger um abstrakte Konzepte als um Konkretes, das in der Stadt umgesetzt und gelebt wird.

München setzt ebenso auf Smart-City-Konzepte. Im Rahmen des EU-Projekts "Smarter Together" arbeiten wir aktiv zusammen mit Lyon und Wien an Zukunftskonzepten. Die Städte lernen dabei voneinander und entwickeln Lösungen, die auf andere Kommunen übertragbar sind. Teil des Münchner Smarter-Together-Konzepts ist unter anderem die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden. Viele europäische und auch außereuropäische Städte verfolgen die Ergebnisse des Projekts. Es zeigt sich: Die Herausforderungen der Städte enden nicht an ihren Stadtgrenzen.

Internationale und interkommunale Kooperation sind das Gebot der Stunde für alle handelnden Akteure. München ist hier auf mehreren Feldern aktiv. Natürlich auch regional, zum Beispiel im "Regionalen Bündnis für Wohnungsbau und Infrastruktur" oder in der Europäischen Metropolregion München.

Wie sieht eine auch für Investoren attraktive Stadtentwicklung aus?

Wichtig ist, dass eine Stadt ihre Zukunftsfähigkeit beweisen kann. München kann das. Wir sind eine Stadt mit sehr guten wirtschaftlichen Perspektiven und einer hohen Lebensqualität. Aktuell wohnen in München mehr als 1,5 Millionen Menschen. Bis 2040 wird ein Wachstum auf 1,9 Millionen erwartet.

Sieben Unternehmen aus dem Dax und sieben aus dem Tec-Dax haben hier ihren Sitz. Die Stadt verfügt über ein sehr gutes Startup-Ökosystem, das weiter gefördert wird. Das Urban Land Institute zählt München zu den zehn aktivsten Immobilienmärkten Europas. Als Grund dafür sieht das Institut die starke und diversifizierte Wirtschaft. Die Stadt wird als "sicherer Hafen" gesehen. Mit Blick aufs Risiko bewerten die Kapitalanleger die stete Anziehungskraft Münchens auf Dauer höher als das raschere Wachstum in anderen deutschen Städten.

Münchens Zukunftsfähigkeit basiert aber nicht nur auf seiner Wirtschaftskraft. München ist ein perfekter Ort für Innovationen. Mit knapp 70 Haupt- und Nebenstandorten von außeruniversitären Forschungseinrichtungen weist München im internationalen Vergleich die größte Dichte außeruniversitärer und staatlicher Forschungseinrichtungen auf. Hinzu kommen zahlreiche Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen der privaten Wirtschaft. Unternehmen haben hier Zugriff auf einen großen Pool von Talenten. Das zieht insbesondere Global Player in die Stadt.

Ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort benötigt dabei Flächen. Doch die sind bekanntlich knapp. Dies ist eine weitere große Herausforderung, der sich die Stadt aktiv stellt. Die Diskussion um mehr Hochhausbauten und bürgerfreundliche Nachverdichtungen wird daher intensiv geführt. München kann aber auch interessante Quartiere zeigen. Die gerade entstehenden Quartiere Werksviertel und Kreativquartier sind zwei Beispiele dafür, wie sich eine Stadt auf ehemaligen Industriebrachen neu erfinden kann.

"Investoren schätzen eine klare Strategie in der Stadtentwicklung"

Dr. Ulrich Schückhaus Geschäftsführer, Wirtschaftsförderung Mönchengladbach und Vorsitzender der Geschäftsführung, Entwicklungsgesellschaft Mönchengladbach

Mit welchen Erwartungen und Zielen fahren Sie zur diesjährigen MIPIM?

Wir freuen uns sehr, dass Stadtentwicklung in diesem Jahr eines der Schwerpunktthemen der MIPIM ist. Die Bürgerschaft hat ihrer Stadt Mönchengladbach den Masterplan MG 3.0 geschenkt. Dieser wird - eingebunden in die Stadtentwicklungsstrategie "mg+ Wachsende Stadt" - nun sukzessive umgesetzt, unter maßgeblicher Einbindung der Entwicklungsgesellschaft und Wirtschaftsförderung. Strategisch kaufen wir Grundstücke für zusammenhängende Entwicklungen oder erwerben Bestandsobjekte für eine Repositionierung auf dem Markt.

Ein herausragendes Beispiel hierfür ist unser Flughafen MGL, den wir nach und nach zu einer Airport City weiterentwickeln möchten. Ein anderes Beispiel ist die von uns angekaufte und entwickelte Karstadt-Immobilie. In Deutschland haben wir bislang sehr wenige Städte getroffen, die ähnlich wie wir als kommunaler Investor auftreten. Darüber hinaus präsentieren wir uns, um unsere in anderen Ländern sonst vielleicht primär aus dem Fußball-Europapokal bekannte Stadt europaweit zu etablieren. Wir haben bei uns bereits schwedische und niederländische Investoren, es dürfen gerne noch mehr dazukommen. Zusammen mit den anderen Städten bilden wir in der Metropolregion eine echte Alternative zu A-Standorten wie Köln oder Düsseldorf. Außerhalb von Deutschland sind Metropolregionen ohnehin häufig eine bekanntere Referenzgröße als die einzelnen Städte.

Die MIPIM steht heuer ganz im Zeichen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Was sind in diesem Zusammenhang die aktuell größten Herausforderungen für Ihre Stadt beziehungsweise (Metropol-)Region?

Wie andere Städte auch beschäftigen wir uns mit den Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Nachhaltige Stadtentwicklung heißt für uns nicht nur ressourcenschonende und umweltfreundliche urbane Gestaltung, das Thema hat auch eine soziale Komponente. Wir entwickeln aktuell diverse Stadtquartiere in Mönchengladbach, bei denen wir Wert darauflegen, dass die Bürger aktiv eingebunden werden. Als Resultat sollte stets eine gute soziale Durchmischung mit einer breiten Zielgruppenansprache und familienfreundlichen Aspekten stehen. Moderne Stadtquartiere sind für uns auch Siedlungen, die sich architektonisch in das Gesamtbild einfügen, über Mischnutzung eine Stadt in sich darstellen, viel Grünanteil umfassen und innovative Lösungen für moderne Mobilität bieten - Stichwort E-Hubs oder Verkehrsleitung per App. Mit unserem grenzüberschreitenden Projekt "Healthy Building Network" wollen wir Meilensteine im Bereich des nachhaltigen Bauens setzen.

Wie sieht eine auch für Investoren attraktive Stadtentwicklung aus?

Investoren wünschen sich Klarheit, Verlässlichkeit und zentrale Ansprechpartner. Dies leisten wir im engen Schulterschluss mit der Verwaltung, mit unserer Entwicklungsgesellschaft oder Wirtschaftsförderung. Darüber hinaus schätzen Investoren eine klare Strategie in der Stadtentwicklung, wie wir es mit "mg+ Wachsende Stadt" umsetzen. Hier lassen sich Großprojekte wie auch kleinere Entwicklungen über europaweite Ausschreibungen oder Konzeptvergaben realisieren. So schaffen wir investorenfreundliche Bedingungen und für unsere Stadt-Quartiere aus einem Guss, die in unsere Gesamtstrategie eingebettet sind.

"Die Chancenregion Ruhrgebiet bekannter zu machen, ist eine große Aufgabe"

Rasmus C. Beck Vorsitzender der Geschäftsführung, Business Metropole Ruhr GmbH, Essen

Mit welchen Erwartungen und Zielen fahren Sie zur diesjährigen MIPIM?

Die Märkte ändern sich. Unsere "B-Standorte" sind nun im Fokus internationaler Investoren. Von dieser Entwicklung profitiert das Ruhrgebiet ungemein. Die Erfolgsformel des Ruhrgebiets sind attraktive Renditen durch moderate Kaufpreise und steigende Mieten bei einem überschaubaren Risiko. Die Region bietet beste Opportunitäten und ist mit über 16,9 Millionen Quadratmetern Mietfläche für gewerblichen Raum (MFG) Deutschlands zweitgrößter Markt für Büroimmobilien, knapp hinter Berlin.

In dieser Assetklasse beträgt die Nettoanfangsrendite in zentralen Lagen 4,2 Prozent - ein absoluter Spitzenwert in Europa. Die MIPIM und der gemeinsame Auftritt der Region werden zeigen: Das Ruhrgebiet bietet alles für sichere und renditestarke Investitionen.

Die MIPIM steht heuer ganz im Zeichen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Was sind in diesem Zusammenhang die aktuell größten Herausforderungen für Ihre Stadt beziehungsweise (Metropol-)Region?

Wie wollen wir morgen leben und arbeiten? Das Ruhrgebiet ist für diese wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich brandaktuelle Frage das perfekte Laboratorium. Ein Ballungsraum mitten in Europa mit mehr als fünf Millionen Menschen braucht moderne Mobilität, ressourcenschonende Produktion und schnelle Kommunikation sowie nachhaltige Gebäude. Daran arbeiten wir in unseren Städten mit vielen Erfolgsbeispielen. Dass einer der beiden deutschen Kandidaten für einen MIPIM-Award aus der Metropole Ruhr kommt, unterstreicht das.

Wie sieht eine auch für Investoren attraktive Stadtentwicklung aus?

Die Potenziale der Metropole Ruhr mit 53 Kommunen sind groß, werden aber manchmal noch immer nicht so wahrgenommen. Die Chancenregion Ruhrgebiet bekannter zu machen, ist eine große Aufgabe. Dabei haben wir alles, worauf es ankommt. Denn langfristig gute Renditen brauchen nachhaltige Konzepte der Stadtentwicklung.

Das Ruhrgebiet ist sehr gut aufgestellt und bietet schon heute in vielen Assetklassen die Opportunität von A-Standorten. Bei Büroimmobilien entstanden im vergangenen Jahr rund 173 000 Quadratmeter MFG neu und trotzdem ist die Leerstandsquote weiter gesunken. Nachhaltige, neue Gebäude entstehen vielerorts und die Potenziale sind angesichts der zunehmenden Zahl der Bürobeschäftigten in Zukunft sehr groß.

Spannend in unserer Region ist die Dynamik, mit der neue Lagen entwickelt werden. Der Phoenixsee in Dortmund ist mittlerweile republikweit bekannt, aber es entstehen gerade viele großflächige neue Lagen am Wasser: vom Digitalquartier im Dortmunder Hafen über Freiheit Emscher mit 1 700 Hektar Entwicklungsfläche in Essen und Bottrop bis hin zu 6-Seen-Wedau in Duisburg. Das sind alles Projekte, die eindrucksvoll unterstreichen, wie groß die Potenziale zur attraktiven, nachhaltigen Stadtentwicklung im Ruhrgebiet sind.

"Die Anforderungen an Investoren haben sich geändert"

Ines Aufrecht Leiterin Wirtschaftsförderung, Stadt Stuttgart

Mit welchen Erwartungen und Zielen fahren Sie zur diesjährigen MIPIM?

Stuttgart zählt europaweit zu den erfolgreichsten Immobilien- und Wirtschaftsstandorten. Die Nachfrage nach Wohnraum und Büroflächen steigt kontinuierlich. In Stuttgart werden viele tolle Projekte entwickelt. Insbesondere auch im Hinblick auf die IBA, die in Stuttgart stattfinden wird, sind unsere Standpartner wie auch wir als Stadt stark an einer Vernetzung der Immobilienbranche interessiert. Die MIPIM als größte internationale Immobilienmesse ist daher ein wichtiger alljährlicher Treffpunkt für alle Akteure aus der Branche.

Auch für die Landeshauptstadt heißt es, Flagge zu zeigen und gemäß unserem Standmotto "dynamisch, innovativ, nachhaltig" zu agieren. Neben intensiven Gesprächen mit Experten aus dem Immobilienbereich ist es auch Aufgabe der städtischen Vertreter, sich über neue Entwicklungen beispielsweise auf dem Gebiet des CO2-reduzierten Bauens, innovativer Energiekonzepte oder der nachhaltigen Mobilität zu informieren. Wir tauschen uns mit den Repräsentanten anderer Städte Erfahrungen aus und entwickeln im Dialog mit international tätigen Architekten Input und Visionen für die städtebauliche Zukunft Stuttgarts.

Die MIPIM steht heuer ganz im Zeichen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Was sind in diesem Zusammenhang die aktuell größten Herausforderungen für Ihre Stadt beziehungsweise die (Metropol-)Region?

Wie in allen anderen großen Städten und Regionen weltweit stehen auch in Stuttgart neben dem Schaffen von bezahlbarem Wohnraum insbesondere diese Themen auf der Agenda: nachhaltige Mobilität, Digitalisierung der Verwaltung sowie der Breitbandausbau, Weiterentwicklung der Infrastruktur und sozialer Zusammenhalt. Wichtige Investitionen tätigen wir in Klima und Bildung, soziale Infrastruktur, Mobilität, Städtebau und Kultur. Wie ernst Stuttgart diese Aufgaben nimmt, zeigt der soeben beschlossene Doppelhaushalt 2020/2021.

Wie sieht eine auch für Investoren attraktive Stadtentwicklung aus?

Eine für alle - Investoren, User sowie Bürger und Touristen - attraktive Stadtentwicklung muss den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Unternehmen Rechnung tragen. Das heißt, sie muss identitätserhaltend beziehungsweise identitätsstiftend sein. Das Gesicht der Städte und ihrer Stadtquartiere darf nicht beliebig und austauschbar sein. Die Städte und die Stadtteile müssen sich zu modernen "Kiezen" entwickeln unter Berücksichtigung der Anforderungen an neue Mobilitäts- und Energiekonzepte sowie der Förderung von sozialem Miteinander. Die Gesellschaft erwartet unterschiedlichste Nutzungen in ihrem "Kiez": Wohnraum, Büros, Hotels und Einzelhandelsflächen - wobei bei Letzteren besonders individuelle Konzepte und kleine Fachgeschäfte ein einzigartiges Flair vermitteln - Kindergärten und Pflegeheime, Fitnesseinrichtungen, Kultur, Bildungseinrichtungen, E-Ladestationen für Autos und Elektroroller, gute Anbindungen an den ÖPNV, Gastronomie, medizinische Versorgung sowie Naherholungsgrün in unmittelbarer Nähe.

Die Anforderungen an Investoren haben sich geändert. Traditionell denken Investoren in Assetklassen. Eine Stadt ist aber mehr als Investment und Rentabilität. Die Bedürfnisse einer modernen Stadtgesellschaft sind hinsichtlich ihres Lebens- und Arbeitsumfeldes so vielschichtig wie noch nie. Diesen Wünschen und Erwartungen gilt es vonseiten der Investoren Rechnung zu tragen. Zugleich müssen Investoren auf die Verlässlichkeit von Verwaltungsentscheidungen und -bescheiden sowie deren überschaubaren Zeitaufwand bauen können.

Dies ist eine Herausforderung an die Gesellschaft und die Aufgabe der jeweiligen Stadtverwaltung. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen, das für eine erfolgreiche, zukunftsorientierte Entwicklung unserer Städte unabdingbar ist und das Gelingen einer gemeinsamen, nachhaltigen Zukunft garantiert.

"Wir müssen die Balance zwischen Verdichtung und Freiraum bewahren"

Uwe Albrecht Bürgermeister und Beigeordneter für Wirtschaft, Arbeit und Digitales, Stadt Leipzig

Mit welchen Erwartungen und Zielen fahren Sie zur diesjährigen MIPIM?

Leipzig ist Deutschlands am schnellsten wachsende Großstadt. Unser Wachstumspotenzial bis 2035 liegt bei 16 Prozent. Das birgt große Chancen ebenso wie komplexe Herausforderungen. Wir wollen uns hier mit anderen Kollegen aus anderen Städten austauschen und über unseren eigenen Tellerrand hinausschauen. Des Weiteren updaten wir uns über die neuen Märkte, Technologien und Stadtentwicklungen weltweit. Zusätzlich möchten wir zielorientierte Gespräche mit potenziellen Investoren führen und diese von unserem integrierten Stadtentwicklungskonzept überzeugen.

Die MIPIM steht in diesem Jahr ganz im Zeichen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Was sind in diesem Zusammenhang die aktuell größten Herausforderungen für Ihre Stadt beziehungsweise (Metropol-)Region?

Das diesjährige Motto der MIPIM ist "The future is human" - der Mensch ist zentraler Bestandteil der nachhaltigen Stadtentwicklung. Bei einer dynamisch wachsenden Stadt wie Leipzig liegt die größte Herausforderung darin, die vielseitigen, scheinbar widersprüchlichen Interessen und Entwicklungen im Blick zu behalten und abzuwägen. Wir müssen die Balance zwischen Verdichtung und Freiraum bewahren. Dazu gehört es auch Wohnen sicher und bezahlbar zu gestalten, zukunftsorientierte Kitas und Schulen zu bauen und den Zugang zu quartiersnahen Kultur- und Sportangeboten zu ermöglichen. Dies alles ist ohne eine florierende, innovative Wirtschaft, welche dennoch die Umweltqualität erhalten muss, nicht möglich.

Bei der Überwindung dieser Herausforderungen setzen wir auf den Dialog. Unser integriertes Stadtentwicklungskonzept, dass wir im mehrstufigen Dialog zwischen der Stadt, Kommunalpolitik und den Bürgern entworfen und präzisiert haben, zeugt genau davon. Und so gestalten wir die Stadtentwicklung menschlich. Mit der Stärkung unserer Internationalität möchten wir weiter wettbewerbsfähig sein. Wir sichern Leipzigs Lebensqualität und schaffen soziale Stabilität.

Wie sieht eine auch für Investoren attraktive Stadtentwicklung aus?

Für die Handlungsfähigkeit einer wachsenden Kommune ist die Verfügbarkeit von Flächen und Infrastrukturen eine zentrale Voraussetzung. Gerade bei dem erwarteten Wachstum ist es wichtig, bereits heute geeignete Entwicklungsflächen zu sichern, um auch übermorgen noch handlungsfähig zu sein. Unser Ziel ist, durch strategische Flächenvorsorge und eine aktive Liegenschaftspolitik zukünftige Entwicklungsoptionen zu sichern.

Darum ist Leipzig auch attraktiv für Investoren: Von 2015 bis 2018 betrug der Umsatz im Immobilienbereich 2,8 Milliarden Euro pro Jahr. Die Region Leipzig verfügt über ein großes Angebot an bebaubaren Flächen. Investoren treffen in Leipzig auf eine unternehmensfreundliche Verwaltung. Die Ansiedlungen von strategisch hochwertiger Industrie und Bundesbehörden schafft hochqualifizierte Arbeitsplätze und trägt zur nachhaltigen Stadtentwicklung bei. Die Nachfrage an Gewerbe flächen ist dadurch hoch. Der Wohnungsleerstand liegt aktuell bei unter drei Prozent.

"Wir müssen offen für neue Konzepte sein"

Dr. Stefan Franzke Geschäftsführer, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH, Berlin

Mit welchen Erwartungen und Zielen fahren Sie zur diesjährigen MIPIM?

Die MIPIM ist die wichtigste Immobilienmesse in Europa. Hier versammeln sich die einflussreichsten Akteure aus allen Bereichen der internationalen Immobilienbranche und besprechen die maßgeblichen, aktuellen Themen. In diesem Jahr freuen wir uns besonders, dass am Berlin-Stand innovative Projektentwicklungen für die Gestaltung des Berlins der Zukunft einem breiten Publikum vorgestellt werden. Berlin ist für viele Menschen ein überaus attraktiver Ort. Auch der internationale Charakter der Hauptstadt zieht Menschen von nah und fern an die Spree.

Gleichzeitig bietet die Hauptstadtregion mit Land und Leuten in Brandenburg und Berlin aber auch hervorragende Aussichten für die Wirtschaft - tolle Beispiele hierfür sind Siemensstadt 2.0 und Teslas Standortentscheidung für Grünheide bei Berlin. Trotz aller Eigenschaften, die Berlin bereits jetzt zu einem besonderen Zukunftsort machen, können wir uns jedoch immer noch verbessern und dazu lernen. Hierfür ist es nötig, dass wir uns auch mit anderen Regionen und Städten austauschen und mögliche, neue Konzepte auf ihre Übertragbarkeit hin eruieren. Kurzum: Wir freuen uns auf fruchtbare Gespräche, neue Geschäftskontakte und einen intensiven Austausch.

Die MIPIM steht in diesem Jahr ganz im Zeichen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Was sind in diesem Zusammenhang die aktuell größten Herausforderungen für Ihre Stadt beziehungsweise (Metropol-)Region?

Wir müssen offen für neue Konzepte sein, um in der wachsenden Stadt eine nachhaltige Stadtentwicklung zu gewährleisten. Hierfür bedarf es eines konstruktiven Austauschs zwischen Wissenschaft, Bürgern, Organisationen, Verwaltungen und Politik mit dem Ziel, Berlin für die Zukunft gut aufzustellen. Die Urban Tech Republic, ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien, die auf dem Areal des Flughafen Tegel entstehen wird, ist ein Paradebeispiel.

Unsere Städte sollen in Zukunft Orte sein, an denen es sich zugleich gut leben und arbeiten lässt. Dies setzt eine hervorragende Infrastruktur und neue Mobilitätskonzepte voraus, zum Beispiel durch einen öffentlichen Personennahverkehr, der von überall gut erreichbar ist. Deshalb müssen wir das Angebot der Nachfrage anpassen. Die Wechselbereitschaft ist relativ hoch, sobald sich eine interessante Alternative bietet.

Wie sieht eine auch für Investoren attraktive Stadtentwicklung aus?

Diese Frage können Investoren am besten beantworten. Genau aus diesem Grund bieten wir Zeit und Raum, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen - auf der MIPIM selbst, aber auch davor und danach, Tag für Tag mit einem motivierten und fachkundigen Team bei Berlin Partner. Während der Messe wird es im Rahmen von Podiumsdiskussionen auch die Möglichkeit für Investoren geben, ihre Projekte vorzustellen.

Zum Thema Siemensstadt 2.0 beispielsweise werde ich mich am Mittwoch am Berlin Stand mit Vertretern von Siemens, dem Architekturbüro Ortner & Ortner Baukunst und Herrn Kühne von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen austauschen. Weitere interessante Podiumsgespräche werden auch zur Nachnutzung des Flughafens Tegel, zu einem neuen Hochhausleitbild für Berlin oder zur Entwicklung zukunftsfähiger Stadtquartiere stattfinden. Diese Veranstaltungen versprechen einen informativen Einblick in die Visionen der Investoren zu geben und zum weiteren Austausch anzuregen.

"Es ist viel mehr möglich, als die Politik manchmal denkt"

Prof. Jürgen Bruns-Berentelg Vorsitzender der Geschäftsführung, HafenCity Hamburg GmbH, Hamburg

Mit welchen Erwartungen und Zielen fahren Sie zur diesjährigen MIPIM?

Für die Hafencity Hamburg GmbH ist die MIPIM als bedeutendste internationale Gewerbeimmobilienmesse regelmäßig ein ganz wichtiger Branchentreff. Wir nutzen unsere Rolle als Hauptaussteller des Gemeinschaftstands der Freien und Hansestadt Hamburg daher nicht nur um über Projektfortschritte und verfügbare Grundstücke zu informieren, sondern weisen gezielt auf die Zukunftsaufgaben von Stadtentwicklung generell sowie speziell auf Hamburgs Zukunftsprojekte hin.

Mit Hafencity, Billebogen, Grasbrook und Science City verantwortet die Hafencity Hamburg mittlerweile die Entwicklung und Koordination vier großer und heterogener Stadträume, die die gesamte Bandbreite einer komplexen, hoch ambitionierten und kooperativen Stadtentwicklung repräsentieren. Die drei Stadtentwicklungsgebiete an Elbe und Bille allein bilden einen über 300 Hektar großen "Transformationsraum" mit Wohnungen für zirka 23 000 Menschen und mit rund 71 000 Arbeitsplätzen, eine Entwicklungschance mit mindestens europaweit einmaligem Charakter. Zugleich öffnen sich mit dem Stadtentwicklungsvorhaben Science City Hamburg-Bahrenfeld weitere Zukunftsperspektiven Hamburgs als Stadt des Wissens und der Wissenschaften.

Die MIPIM steht heuer ganz im Zeichen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Was sind in diesem Zusammenhang die aktuell größten Herausforderungen für Ihre Stadt beziehungsweise (Metropol-)Region?

Es geht beim Stadtneubau insgesamt um Zukunftsansprüche, für deren Lösung Städte eine besondere Verantwortung tragen, zum Beispiel wie zentrale Flächen in der Stadt möglichst ressourceneffizient entwickelt, wie eine klimaneutrale Energieversorgung und eine autoarme und CO2-arme Mobilität realisiert, ressourcenschonend gebaut und wie die Idee einer sozial gerechten Stadt umgesetzt wird. Die Hafencity ist mit den Strategien und Lösungen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt wurden, somit eine Art "Sprungbrett" für große Innovationsthemen, die in den neuen Zukunftsorten Hamburgs weitergedacht und entwickelt werden.

Urbanität, soziale Gerechtigkeit, das Schaffen von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und die Integration von Digitalisierung sind somit derzeit die zentralen (Nachhaltigkeits-)Themen der Weiterentwicklung von Stadt. Diese Perspektive reicht aber nicht aus. Das wirkliche Zukunftsthema ist ein anderes: Wie betreiben wir Stadtentwicklung im Rahmen planetarischer Grenzen? Wie erzeugen wir Biodiversität? Wie erzeugen wir CO2-neutrale neue Stadtteile, die aus energienegativen Gebäuden mit weniger Materialverbrauch und hohem Recyclinganteil bestehen? Bauen und Mobilität in Städten generieren mehr als die Hälfte des CO2-Ausstoßes in westlichen Ländern. Damit sind sie verantwortlich, den zentralen Beitrag zur Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft zu leisten. Hamburg wie auch viele andere Städte haben das Problem, dass der zügige Umbau bestehender Quartiere die Nachhaltigkeitsziele des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 nicht ausreichend leisten kann. Umso mehr müssen neu gebaute Stadtteile noch höhere Standards setzen, um die Chance für einen Ausgleich zu schaffen.

Wie sieht eine auch für Investoren attraktive Stadtentwicklung aus?

Hier sind selbstverständlich neue Pioniere als Innovatoren gefragt, so wie heute schon in der östlichen Hafencity, wo sich das Quartier derzeit zu einem "Zukunftslabor" für Gebäude mit außergewöhnlich hohen Nachhaltigkeitsstandards entwickelt. Das aktuelle Projekt der Landmarken AG ist dafür ein besonders ambitioniertes Beispiel. Das Gebäude mit überwiegender Wohnnutzung wird nach dem Prinzip der "zirkulären Ökonomie" erstellt, das heißt ein Großteil der Baumaterialien ist rückbau- und wieder verwertbar.

Darüber hinaus sind die Dächer und Fassaden in mindestens gleichem Umfang wie die bebaute Grundstücksfläche als grüne, biodiverse Flächen ausgestaltet. Dazu kommen weitere aktuelle Projekte mit ambitionierten Nachhaltigkeitsstandards, darunter das Hightech-Smart-Building Edge Hafencity, das den Fokus auf eine hohe Digitalisierungsinfrastruktur gelegt hat sowie das Solargebäude der Enerparc AG. Derartige Quartiere ziehen viele Menschen an, denn sie sind hochattraktiv als Lebens- und Arbeitsort und bieten neue Lebens- und Nachhaltigkeitsoptionen. Gleichzeitig können Unternehmen Gebäude bauen und Flächen nutzen, um Innovationen schneller und besser für sich zu beherrschen. Die Politik kann sehen, dass viel mehr möglich ist, als sie manchmal denkt. Das alles sind Chancen für Entwickler, Bauherren und Investoren, die bereit sind, sich auf die Herausforderung Stadtentwicklung als Zukunftsaufgabe einzulassen.

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X