BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2022

WER SCHÜTZT DIE 16 MILLIONEN RIESTER-SPARER? WOHNEIGENTUMSRENTE IST WICHTIGER DENN JE

Jörg Münning, Foto: LBS West

Mehr denn je ist unklar, wo die Reise bei der geförderten Altersvorsorge in Deutschland hingeht. Die im Koalitionsvertrag skizzierten Reformüberlegungen lassen letztlich mehr Fragen offen, als sie beantworten. Hinzu kommt die notorisch schlechte Publicity - manch einer würde gar von Diffamierung sprechen - der Riester-Rente. Dass dies ausgerechnet von Politik und Verbraucherschutz, also denjenigen Instanzen, deren ureigenste Aufgabe die Motivation der Bürger zur Selbstvorsorge ist, forciert wird, ist in Augen von Jörg Münning ein völlig falsches Signal. Der Vorstandsvorsitzende der LBS West fordert stattdessen klare Zeichen des Vertrauens sowie endlich den Mut zu den notwendigen Optimierungen. Red.

Menschen zu privater Absicherung motivieren, die finanzielle Vorsorge insbesondere von Familien, Frauen, Mittel- und Geringverdienern stärken - das waren die wesentlichen Ziele, als die Riester-Rente 2002 eingeführt wurde.

Eine beispiellose Erfolgsgeschichte, ...

Rückblickend bleibt nur ein Schluss: Die Riester-Rente ist in allen Punkten ein Erfolg. Mehr als ein Drittel der Erwerbstätigen, also über 16 Millionen Verbraucher, haben sich in Deutschland bisher dafür entschieden, ihre Rente zusätzlich über einen Riester-Vertrag abzusichern. Kein anderes privates Altersvorsorge-System hat mehr Bürger für sich gewinnen können.

Darunter sind deutlich mehr Frauen als Männer. Von den rund 4 Milliarden Euro in Form von Zulagen und Steuerentlastung kommen 1,4 Milliarden Euro als Kinderzulagen Familien zugute. Und vier von fünf Verträgen gehören Personen mit einem Einkommen von unter 50 000 Euro.

Mit weit über 9 Milliarden Euro übersteigen die eigenen Sparleistungen der Bürger die eingesetzten staatlichen Mittel um ein Vielfaches - zwei Drittel zahlen mindestens die in der Regel erforderlichen 4 Prozent des Jahreseinkommens ein, um die vollen Zulagen zu erhalten. Hier wird also im besten Sinne Eigeninitiative gefördert. Soweit die jüngste Bilanz des Bundesfinanzministeriums.

... die seit einigen Jahren stockt

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Erfolgsgeschichte stockt seit einigen Jahren. Der Grund ist die Komplexität des Systems. Sie macht die Abwicklung für die Anbieter teuer und damit einige Produktvarianten für Kunden weniger attraktiv.

Die Probleme sind bekannt, alle Lösungsvorschläge liegen längst auf dem Tisch. Nur schaffen es die Beteiligten nicht, den Knoten durchzuschlagen und die Erleichterungen auf den Weg zu bringen.

Eine unverantwortliche Schädigung des Vertrauens

Stattdessen wurde das Thema so lange politisiert und zerredet, dass Image und Verbrauchervertrauen nachhaltig gelitten haben. Insbesondere aus dem Verbraucherschutz kamen immer wieder undifferenzierte, teilweise bis auf Boulevard-Niveau ständig wiederholte Kritikpunkte an der Zukunftsfähigkeit der Riester-Rente.

Es ist unverantwortlich, das Vertrauen in diese Altersvorsorge permanent zu beschädigen und Bürger und Sparer zu verunsichern. Die Realität ist: Nicht jeder Riester-Sparer wird - rückwirkend betrachtet - mit seinem konkreten Produkt am Ende die bestmögliche Wahl getroffen haben. Aber jeder Einzelne hat trotzdem richtig entschieden. Denn keiner der 16 Millionen Riester-Vorsorger wird am Ende mit weniger Rente dastehen als ohne Riester. Trotz seiner Komplexität und seiner Detailschwächen funktioniert das Modell für die Bürger.

Besonders bitter ist die undifferenzierte Kritik für die Riester-Produktvarianten und-Anbieter, die unverschuldet in den Negativstrudel gezogen werden, obwohl sie zu dieser Kritik keinen Anlass gegeben haben.

Abbildung 1: Wohneigentumsrente - Versorger haben höhere Disziplin als bei anderen Riester-Formen (in Prozent) Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Statista

Wohn-Riester kann sich dem Abwärtssog nicht entziehen

Denn wenn von "vielfach hohen Kosten" oder "vielen ineffizienten Produkten" die Rede ist, sagen die Riester-Kritiker im Umkehrschluss eben auch: es gibt vernünftige Riester-Produkte, allen voran die Wohneigentumsrente ("Wohn-Riester").

Diese wird seit Jahren im besten Falle totgeschwiegen und gerät durch ihre Namensähnlichkeit dennoch in den Abwärtssog. Das ist unfair gegenüber den Anbietern und Produkten und es ist ein Schlag ins Gesicht der Kunden.

Denn das Gegenteil dieser Verunsicherung brauchen junge Familien auf dem Weg in die eigenen vier Wände, wenn die Immobilienpreise davongaloppieren, die Bauzinsen steigen und der geforderte Modernisierungsaufwand zur unüberwindlichen Hürde wird.

Es braucht das Vertrauen, dass ausreichender und vor allem risikoloser Eigenkapitalaufbau möglich ist, dass Riester-Förderung als Tilgungsförderung ein verlässlicher Faktor ist und damit weiterhin Wohneigentum erreichbar bleibt.

Es braucht genau das Versprechen, dass die Wohneigentumsrente ein sicherer Baustein für alle diejenigen bleibt, bei denen eine Immobilie Teil der Altersvorsorgeplanung ist.

Kostenkritik läuft ins Leere

Im Gegensatz zu vielen anderen Riester-Produkten greift bei der Wohneigentumsrente auch die häufig geäußerte Riester-Kostenkritik ins Leere. Während die Verwaltungskosten etwa für Riester-Rentenversicherungen laut Max-Planck- Institut bei bis zu 24 Prozent liegen, orientieren sich die Kosten der Wohneigentumsrente am normalen Bausparvertrag und liegen damit im Promillebereich.

Die Zulagen fließen zunächst in die Eigenkapitalbildung, während der Finanzierung dann direkt in die Tilgung. Eine vierköpfige Familie wird so durch eine hohe fünfstellige Summe entlastet - und wohnt umso schneller mietfrei.

Abbildung 2: Wohneigentümer - großer Vermögensvorsprung für das Alter (in Tausend Euro) Quelle: Statistisches Bundesamt (EVS), Empirica/LBS Research

LBS-Gruppe: über 35 Milliarden Euro Bausparsumme

Weil die Wohneigentumsrente erst 2008 und damit sechs Jahre später in das Riester-System integriert wurde, stellt sie bisher knapp 10 Prozent des Vertragsbestandes, aber fast 19 Prozent der Sparleistungen!

Allein die Wohn-Riester-Verträge der LBS-Gruppe summierten sich 2021 auf eine Bausparsumme von über 35 Milliarden Euro, bespart mit 6,5 Milliarden Euro. Diese Mittel stehen übrigens nicht nur für den Erwerb, sondern auch für den immer wichtigeren barrierearmen Umbau zur Verfügung.

Unverständlicherweise gehört die energetische Modernisierung noch nicht zu den förderfähigen Verwendungszwecken. Aber mit nur wenig politischem Willen und Aufwand wäre auch eine Nutzung zur Senkung des Energieverbrauchs beim Wohnen in den Verwendungskatalog aufnehmbar.

Noch besteht die Chance, die Wohneigentumsrente und ihre Rolle als wichtiger Baustein in der privaten Altersvorsorge und Wohneigentumsbildung neu zu definieren. Neben einem neuen Namen braucht es vor allem den Mut, die bekannten Optimierungsideen endlich umzusetzen:

(1) Verzinsung für die nachgelagerte Besteuerung abschaffen: Die Wohn-Riester-Förderung muss - analog zu klassischen Geld-Riester-Produkten - grundsätzlich erst bei Rentenbeginn versteuert werden. Die Steuerhöhe wird mithilfe eines Wohnförderkontos berechnet, auf dem alle geförderten Beträge grundsätzlich bis zur Rente gesammelt und verzinst werden.

Die 2008 dafür festgelegte Verzinsung von 2 Prozent pro Jahr ist jedoch angesichts der andauernden Nullzinspolitik schon lange nicht mehr marktgerecht und baut insbesondere für junge Familien durch die lange Laufzeit eine unverhältnismäßig hohe Steuerlast auf.

(2) Weniger Bürokratie wagen: Das aktuelle Zulagenverfahren erfordert einen hohen administrativen Aufwand - für Anbieter ebenso wie für staatliche Stellen. Drastische Vereinfachungen erleichtern allen Förderberechtigten den Zugang zur Wohneigentumsrente und erhöhen zusätzlich die Wirkung der eingesetzten Zulagen.

Förderfähigen Höchstbetrag auf 3 200 Euro anheben

(3) Inflation bei Förderhöchstbetrag ausgleichen: Der förderfähige Höchstbetrag liegt seit 2008 unverändert bei 2 100 Euro. Er sollte - unter Berücksichtigung der Entwicklung der Beitragsbemessungsgrenze - auf 3 200 Euro erhöht werden. Dies sorgt für einen angemessenen Inflationsausgleich und erhöht die Motivation zur eigenen Sparleistung der Bürger.

(4) Auch energetische Modernisierungen fördern: Neben der Stärkung der privaten Vorsorge ist die Erreichung der Klimaziele eine weitere zentrale gesellschaftliche Herausforderung. Entscheidender Hebel dafür ist die Senkung des Energieverbrauchs von bestehenden Wohngebäuden. Weil die altersgerechte Sanierung bereits heute mit Riester förderfähig ist, sollte auch die energetische Modernisierung möglich sein.

Öffnung für alle Personengruppen

(5) Kinderzulage auf 300 Euro vereinheitlichen: Die unterschiedliche Förderung von Kindern in Abhängigkeit vom Geburtsjahr ist unnötig und sorgt für mehr Bürokratie. Kinder, die seit dem 1. Januar 2008 geboren wurden, erhalten 300 Euro, früher geborene Kinder bisher nur 185 Euro.

(6) Auch für Selbstständige öffnen: Mit der Öffnung der Riester-Förderung für alle Personengruppen entfällt zudem die aufwendige Differenzierung zwischen unmittelbar und mittelbar Förderberechtigten.

Jörg Münning , Vorstandsvorsitzender , LBS Landesbausparkasse NordWest, Münster und Hannover

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