INTERNATIONALES IMMOBILIENGESCHÄFT

"SEIT LEHMAN BROTHERS 2008 DURCHLEBEN DIE USA EINEN STRUKTURWANDEL HIN ZU MEHR MIETWOHNUNGEN"

Nicholas Brinckmann, Foto: HANSAINVEST

Ausgerechnet die USA, das Mutterland des Kapitalismus, in dem das persönliche Eigentum einen extrem hohen Stellenwert besitzt, scheint sich zunehmend in eine Mieternation zu verwandeln. So hat sich die Eigentumsquote von knapp 70 Prozent im Jahr 2004 auf zuletzt immerhin gut 65 Prozent verringert. Was die Ursachen für diesen Trend sind und welche Opportunitäten daraus für institutionelle Investoren erwachsen, diskutiert Hansainvest-Geschäftsführer Nicholas Brinckmann im Redaktionsgespräch. Sein Unternehmen ist seit vielen Jahren im Land der unbegrenzten Möglichkeiten aktiv und hat sich für das laufende Jahr durchaus ehrgeizige Ziele gesetzt: Ein dreistelliger Millionenbetrag soll in weitere Akquisitionen in den USA investiert werden. Red.

Herr Brinckmann, wie kommt Hansainvest Real Assets bislang durch die Corona-Krise?

Unser Portfolio besteht hauptsächlich aus nachhaltig attraktiven Core-Immobilien in den Nutzungsarten Büro, Logistik und Wohnen. Dadurch sind wir breit und zukunftsstark aufgestellt.

Zusätzlich fokussieren wir uns nicht nur auf den deutschen Markt, sondern auch auf die USA und Japan. Diese Diversifizierung unseres Portfolios bietet uns jederzeit Stabilität, was sich gerade in den vergangenen zwölf Monaten noch einmal bewiesen hat.

2020 war wieder einmal ein starkes Wachstumsjahr für Sie. Wie kommen Sie diesbezüglich im laufenden Jahr voran?

Wir kaufen weiter an, werben verstärkt Kapital ein und setzen unseren Wachstumskurs konsequent fort. Dabei spüren aber auch wir natürlich die Auswirkungen der Reisebeschränkungen. Es ist extrem schwierig im Ausland anzukaufen, wenn eine Einreise nicht gestattet ist. Dabei hilft jedoch unser tiefes Netzwerk lokaler Partner, etwa in den USA.

Grundsätzlich gehen wir bei unserer Portfoliostrategie den Weg weiter, den wir bereits vor einigen Jahren eingeschlagen haben: Unser Fokus liegt verstärkt auf Logistik und Wohnen. In diesen Bereichen wollen wir deutlich zulegen und planen in diesem Jahr genauso viel zu investieren wie im Jahr 2020. Gerne mit mehr Drittinvestoren an unserer Seite.

Wie sehen Sie die aktuelle Finanzierungssituation, gerade auch bei Projektentwicklungen, Forward Fundings et cetera?

Wir betätigen uns gern und in großem Umfang im Bereich Projektentwicklung und Forward Fundings, etwa am Rande der Münchner Altstadt oder in der Hamburger City Nord vor unserer eigenen Haustür. Dabei sind wir von den veränderten Finanzierungsbedingungen kaum betroffen, denn unsere institutionellen Fondsprodukte sind mit maximal 50 Prozent sehr konservativ gehebelt und wir können auf einen langen und starken Track Record verweisen. Bankfinanzierungen zu sichern ist für uns weiterhin gut möglich. Das ist sicherlich eine komfortable Situation, die mit lokalen Projektentwicklern nicht eins zu eins vergleichbar ist.

Kommen wir zu Ihrem Engagement am US-Immobilienmarkt: Was macht den Markt gerade zum jetzigen Zeitpunkt attraktiv?

Der Immobilienmarkt in den USA ist per se immer einen näheren Blick wert. Er ist der weltweit größte und liquideste Markt und zudem sehr transparent. Damit bieten sich enorme Diversifizierungspotenziale. Durch die neue Regierung und deren Konjunkturprogramme ist das Investitionsklima natürlich nicht schlechter geworden.

Davon unabhängig sind die zu erwirtschaftenden Renditen vergleichsweise hoch und die wirtschaftlichen Fundamentaldaten günstig.

Wie genau gehen Sie bei Ihren US-Investments vor, sprich welche Investoren stehen im Hintergrund und wie strukturieren Sie das Ganze? Wie viel wollen Sie hier zukünftig investieren?

Wir investieren direkt über einen unserer offenen Spezial-AIF mit Kapital unserer Konzernmutter sowie verstärkt weiteren institutionellen Drittinvestoren vor allem aus der deutschen Versicherungsbranche. Wir wollen im laufenden Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag in weitere Akquisitionen investieren.

Wie funktioniert das Sourcing der Objekte? Arbeiten Sie mit Partnern (vor Ort) beziehungsweise sind Sie selbst lokal vertreten?

Wir verfügen aufgrund unseres langen Engagements am US-Markt über ein starkes Netzwerk an lokalen Partnern. Unter anderem gibt es ein Joint Venture mit dem US-Wohnspezialisten Bell Partners, der uns einen verlässlichen Marktzugang on- wie off-market bietet. Dabei agiert Bell Partners als Co-Investor, was für die vertrauensvolle Zusammenarbeit spricht.

Gerade in Zeiten von Reisebeschränkungen ist ein erfahrener lokaler Partner meist unentbehrlich, zumal wenn der deutsche Investor - anders als wir - keine Mitarbeiter mit US-Pass beschäftigt.

Die USA gelten als klassische Wohneigentumsnation. Welche Potenziale birgt das Miet- beziehungsweise Multifamily-Segment, auf das Sie sich fokussieren?

Seit Lehman Brothers 2008 durchleben die USA einen Strukturwandel weg von der historisch extrem hohen Wohneigentumsquote hin zu mehr Mietwohnungen. Das hat wirtschaftliche, aber auch kulturelle Gründe. Jüngere Generationen reisen deutlich mehr und müssen auch beruflich mobiler sein und binden sich weniger oft durch den Eigenheimkauf an einen Standort. Zudem ist die Bedeutung von Leisure und Convenience deutlich gestiegen, während gleichzeitig die Ausgaben für Hypotheken sinken.

Aus dieser Entwicklung ergeben sich Investitionspotenziale im Multifamily-Segment, da Investoren hier langfristig von der wachsenden Nachfrage und Mietsteigerungen profitieren können. Das Segment wird sogar doppelt gestützt: vom anhaltenden Bevölkerungswachstum - die USA sind binnen der vergangenen zehn Jahre um mehr als 20 Millionen Menschen angewachsen - und der sinkenden Eigentumsquote. Dabei kommt es aber natürlich dennoch auf die richtige Lage an. Besonders der Bestand in den boomenden Speckgürteln ist von Interesse für uns.

Wie ordnet sich das Mietrecht im Vergleich zu Deutschland ein? Ist es (deutlich) liberaler?

Das Mietrecht ist in den USA in der Tat deutlich liberaler. Ein Selbstläufer ist die Vermietung damit aber keineswegs. Mieterinnen und Mieter sind sehr anspruchsvoll und die Anzahl der Wettbewerber auf Vermieterseite hoch. Zudem ist der Mietmarkt sehr transparent und Umzüge dadurch bei schlechtem Management nicht selten. Es bedarf daher eines professionellen und aktiven Mieter- und Objektmanagements durch Experten vor Ort.

Hat sich der Multifamily-Sektor auch in den zurückliegenden Pandemiemonaten als robust erwiesen?

Der Multifamily-Sektor war vor allem in den Speckgürteln sehr robust. Während die Wohnungsnachfrage in Innenstädten gelitten haben mag, spricht unsere Collection Rate von 95 Prozent eine deutliche Sprache. Multifamily-Investoren sind in den USA in der Breite sicherlich ordentlich bis gut durch die Krise gekommen.

Hat Sie der US-Gewerbeimmobilienmarkt hingegen nicht gereizt?

Wir verfügen aus früheren Jahren über große Erfahrung am US-Gewerbeimmobilienmarkt. In der heutigen Marktsituation ist Wohnen als Investment unserer Ansicht nach aber deutlich attraktiver, zumal wir unsere Wohnimmobilienquote global ausbauen wollen.

Bei Core-Ankäufen im Gewerbemarkt benötigt es zudem enorme Mindestvolumina - bei Wohnen lässt sich eine attraktive Diversifizierung bereits mit kleiner bis mittleren Volumina abbilden.

Wie bewerten Sie dessen Entwicklung grundsätzlich? Erwarten Sie einen Boom infolge der massiven Fiskalpakete der neuen Biden-Regierung?

Die Fundamentaldaten der USA hinsichtlich Demografie und Beschäftigungsentwicklung sind gut und langfristige Infrastrukturinvestments stützen die positive Perspektive eindeutig zusätzlich. Durch die zu erwartenden Impulse für den Arbeitsmarkt und die Lohnentwicklung dürfte auch das Multifamily-Segment nachhaltig profitieren.

Wie beurteilen Sie in diesem Kontext die Rolle der Federal Reserve (Fed): Könnten die steigenden Inflationssorgen schon bald eine geldpolitische Kehrtwende einleiten und damit auch den US-Immobilienmarkt belasten?

Die Anleiherenditen sind in der Tat spürbar angezogen. Die Fed sieht aber noch keine nachhaltigen Inflationstendenzen - eine Einschätzung, der wir uns grundsätzlich anschließen. Wahrscheinlich ist mittelfristig mit einem moderaten Zinswachstum zu rechnen.

Wichtiger als diese eine Kennziffer ist aber die allgemeine Liquiditätssituation über alle Assetklassen hinweg. Vor diesem Hintergrund sehen wir keine negativen Implikationen für die Immobilienpreise.

Geografisch stand der Großraum Washington D.C. für Sie bei Ankäufen zuletzt im Fokus. Ist das eine bewusste Entscheidung oder sind andere Regionen bereits zu stark abgegrast?

Der Raum D.C. ist generell attraktiv, besonders der suburbane Speckgürtel, der von gut ausgebildeten und verdienenden Fachkräften etwa der Medizintechniksparte geprägt ist.

Grundsätzlich fokussieren wir uns bewusst auf Wachstumsregionen mit zukunftsstarken Wirtschaftsstrukturen. Das sind zum Beispiel Austin, Dallas, Seattle oder Boston.

Welche Renditen streben Sie im Rahmen Ihrer US-Investments in etwa an?

Wir gehen derzeit von Renditen zwischen 4 und 5 Prozent aus.

Hedgen Sie dabei eigentlich auch potenzielle Wechselkursrisiken?

Potenzielle Wechselkursrisiken hedgen wir je nach Wunsch des Anlegers.

ZUR PERSON NICHOLAS BRINCKMANN Sprecher der Geschäftsführung, HANSAINVEST Real Assets GmbH, Hamburg
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