PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

"DER WETTBEWERB IST ENORM UND WIRD VOR ALLEM ÜBER DEN PREIS AUSGETRAGEN"

Eva Grunwald, Foto: Postbank

Rund 30 Prozent der Gesamtkreditvergabe deutscher Banken und Sparkassen entfallen auf Darlehen für Wohnimmobilien. Das Geschäftsfeld bildet somit eine ganz wesentliche Säule für die hiesige Kreditwirtschaft und ist entsprechend umkämpft. Zu den größten Playern zählt dabei die Deutsche Bank, die mit ihren Marken Deutsche Bank und Postbank sowie den zugehörigen Produktmarken BHW und DSL den Baufinanzierungs- und Bausparmarkt intensiv bearbeitet. Im Interview mit I & F diskutiert die für das Segment verantwortliche Eva Grunwald die aktuellen Rahmenbedingungen. Grundsätzlich erachtet sie die Risiken trotz der vielerorts stark gestiegenen Preise als beherrschbar, da sowohl Kunden als auch Institute weiter umsichtig agierten. Red.

Frau Grunwald, die Bundesbank warnt seit geraumer Zeit vor Übertreibungen bei Wohnimmobilienpreisen in Ballungsgebieten. Wie sehen Sie die Entwicklung des Marktes?

Auf den gesamten Markt bezogen dürften sich die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland nur recht wenig von ihrem fundamental gerechtfertigten Wert entfernt haben. Für einzelne Teilmärkte trifft diese Einschätzung allerdings nicht mehr zu. Wohnungen in attraktiven Großstädten sind meiner Meinung nach - gemessen an längerfristigen demografischen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren - um bis zu 20 Prozent überbewertet. Das betrifft natürlich vor allem die sogenannten "Big Seven": Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Düsseldorf, Köln und Stuttgart. Das hohe Käuferinteresse trifft in diesen Städten auf eine angespannte Angebotssituation und verursacht einen Bedarfsüberhang, der zu weiterhin steigenden Preisen führen wird.

Das ist ein Ergebnis des Wohnatlas 2019, einer jährlichen repräsentativen Studie, in dem die Postbank die Entwicklungen der regionalen Immobilienmärkte analysiert. Danach sind aber selbst in den begehrten Großstädten einzelne Stadtteile von den Preissteigerungen stärker betroffen als andere und es gibt immer noch kleinere Städte und Regionen im Umland der Metropolen, in denen auch Normalverdiener und Familien eine eigene Immobilie finanzieren können.

Allgemein lässt sich feststellen, dass die Rahmenbedingungen für einen Immobilienerwerb in den meisten deutschen Regionen durchaus gut sind. Und die Immobilienpreise sind letztlich auch nur ein Faktor bei der Beurteilung des Gesamtmarktes. Wir haben in Deutschland einen intakten Arbeitsmarkt mit geringer Arbeitslosigkeit, daraus resultierende positive Einkommenserwartungen der privaten Haushalte, niedrige Baufinanzierungszinsen, Planungssicherheit durch längere Zinsbindungsfristen, hohe Anforderungen an die Kreditvergabe und eine niedrige Verschuldung privater Haushalte. All das federt die preistreibenden Effekte ab. Von einer generellen Überhitzung oder gar einer Immobilienblase und einer Gefahr für die Finanzstabilität kann deshalb meiner Meinung nach nicht gesprochen werden. Dazu müssten verschiedene weitere Faktoren zusammenkommen. So müssten neben steigenden Preisen auch die Banken ihre Kreditvergabe deutlich ausweiten und gleichzeitig die Vergabestandards für Wohnungskredite senken. Solche Entwicklungen sehe ich in Deutschland aber derzeit nicht.

Darüber hinaus erfüllen die immer längeren Zinsbindungen in der Wohnungsbaufinanzierung die Aufsicht mit Sorge. Bauen sich hier Zinsänderungsrisiken in den Bilanzen der Institute auf?

Natürlich tendieren immer mehr Kunden aufgrund der niedrigen Zinsen zu längeren Zinsbindungen. Lagen die durchschnittlichen Bindungsfristen vor wenigen Jahren noch bei zehn Jahren, werden heute bevorzugt Laufzeiten von 15 Jahren abgeschlossen - Tendenz steigend. Dieser Trend hat sich seit 2015 nochmals verstärkt. Grund sind die steigenden Immobilienpreise, mit denen die Käufer vor allem in Ballungsgebieten konfrontiert sind. Eine Entspannung oder sogar sinkende Immobilienpreise sind kurzfristig nicht zu erwarten.

Längere Bindungsfristen sind aus Kundensicht natürlich sinnvoll, denn sie schaffen Planungssicherheit für einen langen Zeitraum. Wird beispielsweise ein Volltilgerdarlehen mit einer Bindung von 30 Jahren abgeschlossen, hat der Käufer praktisch kein Zinsänderungsrisiko mehr. Wir als Institut sind natürlich dennoch gefordert, mögliche Zinsänderungsrisiken zu managen. Da die Fremdfinanzierungen überwiegend zur Eigennutzung eingesetzt werden, haben sie kaum mittelfristige Effekte aus einer Preiskorrektur. So werden viele Anschlussfinanzierungen bei einem möglichen Zinsanstieg - auch wegen der Tendenz zu höheren vereinbarten Tilgungen - bereits in die Sicherheit "hineingewachsen" sein.

Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist nun seit circa 3,5 Jahren in Kraft. Hat sie zur Sicherheit beigetragen? Und hat sie sich tatsächlich als Bürde im Neugeschäft erwiesen?

Die Entwicklung in der Immobilienfinanzierung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass das Neugeschäft weiter steigt. Hier hat die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie also offenbar zumindest keine nachhaltig negativen Auswirkungen. Aber natürlich ist das eine oder andere Vorhaben unter den neuen Voraussetzungen nicht mehr finanzierbar und bankseitig waren Veränderungen im gesamten Spektrum des Baufinanzierungsgeschäfts nötig. Anpassungen erfolgten bei Produkten, Prozessen, Unterlagen und der Technik.

Insgesamt sind die Anforderungen an die Berater deutlich gewachsen. Das betrifft sowohl den Beratungsprozess selbst - zum Beispiel mehr Unterlagen, mehr Prüfschritte - als auch die Transparenz der Informationen. Aber insgesamt hat die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu einer Standardisierung dessen beigetragen, was gute Vermittler bereits früher berücksichtigt haben: die Lebenssituation ihres Kunden ganzheitlich zu betrachten und so Finanzierungsrisiken zu minimieren.

Apropos Sicherheit: Agieren Sie angesichts des Immobilienbooms derzeit besonders vorsichtig? Werden Mitarbeiter beispielsweise dazu angehalten, mehr Tilgung in die Verträge einzubauen?

Viele Kunden legen auf zwei Faktoren besonderen Wert: Der Kredit soll eine geringe monatliche Rate haben und er soll schnellstmöglich abbezahlt sein, am besten vor Renteneintritt. Dies sind zwei Anforderungen, denen der Niedrigzins in die Hände zu spielen scheint. Zumindest bei der Finanzierung mit einem Annuitätendarlehen ist hier aber Vorsicht geboten: Die jährlich wachsende Zinsersparnis ist - der Niedrigzins lässt grüßen - sehr gering, sodass der Tilgungsanteil nur ganz langsam steigt. Das kann dann dazu führen, dass der Kredit erst nach sehr langer Zeit abgezahlt ist. Deshalb kann es durchaus sinnvoll sein, höhere Tilgungsraten und Sondertilgungsoptionen zu vereinbaren. Das führt zu einer niedrigeren Restschuld und minimiert somit das Risiko eines Zinsanstiegs beim Folgedarlehen.

Folglich beobachten wir auch, dass die vereinbarten Tilgungen steigen. So betrug die durchschnittliche anfängliche Tilgungsrate bei Neugeschäft vor zehn Jahren bei uns im Haus 1,65 Prozent, heute liegt sie bei durchschnittlich 2,76 Prozent. Das niedrige Zinsumfeld bietet für den Kunden oft mehr Spielraum, die Tilgungsbeiträge zu erhöhen. Aber auch hier muss jeweils die individuelle Situation jedes einzelnen Kunden berücksichtigt werden, zu der vor allem auch die Kaufpreise im lokalen Immobilienmarkt gehören. Hier sind wir in der Pflicht. Es ist unsere Aufgabe, die Kreditvergabe verantwortungsvoll zu gestalten und Kunden vor Überschuldung zu schützen. Gute Beratung und wasserdichte Finanzierungskonzepte sind dabei nicht nur für alle Beteiligten sinnvoll, sondern nötig, um das "Projekt Eigenheim" zu einem Erfolg zu machen. Das ist natürlich auch im Sinne der Bank, denn Erträge im Kreditgeschäft mit Privatkunden werden nicht mit riskanten, sondern mit problemlos laufenden Finanzierungen generiert.

Und wo liegen typischerweise Ihre Konditionsausläufe? Bieten die Deutsche Bank und Postbank auch 100-Prozent-Finanzierungen an?

Wir bieten unseren Kunden über beide Marken auch 100-Prozent-Finanzierungen an. Aber Vollfinanzierungen sind nach wie vor nicht die Regel. Die Faustregel, dass man etwa 20 Prozent Eigenkapital mitbringen sollte, gilt nach wie vor. Bei weniger Eigenkapital muss die Bonität stimmen. Die meisten Kunden bewegen sich zwischen 60 und 80 Prozent Beleihungsauslauf. Wenn eine Finanzierung schon zu Beginn "auf Kante genäht" ist, bedeutet das natürlich ein potenziertes Risiko. Bauherren oder Käufer sollten sich nicht überschätzen und mögliche Kostensteigerungen auch stemmen können. Einen - von den Medien teilweise propagierten - Trend zur Vollfinanzierung sehen wir nicht, die Quote bewegt sich bei uns auf gewohnt niedrigem Level.

Als wie intensiv empfinden Sie den derzeitigen Wettbewerb im Finanzierungsmarkt? Und wie positionieren Sie sich dabei?

Der Wettbewerb ist enorm und wird vor allem über den Preis ausgetragen. Nahezu wöchentlich erfolgen Preisanpassungen und wir müssen darauf reagieren. Vergleichsportale schaffen hier eine hohe Transparenz. Unsere Berater treffen oft auf "smarte" Kunden, die sich vorab im Internet informiert haben und genau wissen, was im Markt gerade möglich ist. Aber Menschen haben gerade bei langfristigen Entscheidungen mit großer finanzieller Tragweite, wie dem Abschluss eines Bausparvertrages oder einer Baufinanzierung, nach wie vor das Bedürfnis nach einem ergänzenden persönlichen Gespräch. Postbank-Studien zeigen, dass sich zwar über 80 Prozent der Baufinanzierer online informieren, ihren Vertrag dann aber letztlich im Rahmen eines Beratungsgesprächs unterschreiben.

Denn bei den großen und emotionalen Lebensentscheidungen, wie der Immobilienfinanzierung oder der Modernisierung des Zuhauses, sind im Web recherchierte Zinswerte nicht alles. Die Frage bleibt: Welche Baufinanzierung passt zu meinem Projekt? Welche Förderungen sind möglich und welche sonstigen Kosten müssen berücksichtigt werden? Letztlich ist die Qualität der gesamten Beratung entscheidend. Vom ersten Schritt, online oder offline, bis zum abschließenden persönlichen Kontakt. "Konzept schlägt Kondition" - diese Devise besitzt nach wie vor Gültigkeit. Unsere hohe Markenpräsenz und ein breiter Kundenzugang verschaffen uns die Möglichkeit, mit vielen potenziellen Kunden in Kontakt zu kommen und dann durch eine überzeugende Beratung zu punkten.

Arbeiten Sie im Vertrieb mit freien Finanzvertrieben à la Interhyp?

Ein breiter Kundenzugang ist für uns eine nicht nur wichtige, sondern wesentliche Voraussetzung für weiteres Wachstum. Deshalb setzen wir sowohl auf gebundene Vertriebswege im Konzern als auch auf Plattformen, an die freie Finanzvertriebe angeschlossen sind. Das garantiert uns eine optimale Marktabdeckung.

Ist der Boden bei den Margen erreicht? Und ab wann rechnen Sie mit steigenden Zinsen?

Die Standardrate für Immobilienkredite hat im Juni 2019 ein neues historisches Tief erreicht. Zudem hat Herr Draghi jüngst angekündigt, dass die Zinsen bis mindestens Mitte 2020 auf dem aktuellen niedrigen Niveau bleiben werden. Darum gehe ich davon aus, dass sich die Wettbewerbssituation in naher Zukunft nicht ändern wird. Seitwärtsbewegungen der Konditionen sind natürlich möglich. Aber damit bleiben dann natürlich auch die Margen weiter unter Druck. Wann - und ob überhaupt - es einen Anstieg des Zinsniveaus geben wird, kann zurzeit wohl niemand seriös vorhersagen.

Welche Rolle spielt das Baukindergeld derzeit in den Kundengesprächen?

Selbstverständlich binden wir das Baukindergeld in unsere Kundengespräche ein. Das gehört für uns zu einer kundenorientierten Beratung. Und die neue Förderung kommt gut an, die Nachfrage ist hoch. Gerade im Umland der Metropolen haben viele junge Familien Lust zu bauen oder zu kaufen, wie eine Umfrage unserer Bausparkasse BHW zeigt. Das Baukindergeld ist dabei häufig ein wichtiger emotionaler Faktor für den Erwerb von Wohneigentum und hilft, die Hürde der Finanzierung zu überwinden. Zudem haben Kunden bei uns die Möglichkeit, zusätzlich zum vertraglich vereinbarten Sondertilgungsrecht das Baukindergeld kostenfrei als Sondertilgung zu leisten. Am Beispiel des BHW können wir sehen, dass hier das Baukindergeld bei rund 40 Prozent unserer Finanzierungen mit beantragt wurde.

Wie sieht der typische Baufinanzierungskunde in Ihrem Hause aus? (Alter, durchschnittliche Finanzierungssumme et cetera)

Unsere Kunden kommen aus allen Altersgruppen und Einkommensschichten. Heute drängen die 30- bis 40-Jährigen verstärkt auf den Baufinanzierungsmarkt. Diese Kunden finanzieren oft Einfamilienhäuser und bewohnen sie auch selbst. Die Darlehenssummen variieren je nach Bundesland und Standort der Immobilie ganz erheblich. Die durchschnittliche Darlehenshöhe hat sich aber generell in den letzten Jahren erhöht.

Ein weiterer Trend, den wir sehen: Die Baufinanzierungskunden werden jünger und diese jungen Bauherren wählen dann oft auch niedrigere Tilgungsleistungen. Aber insgesamt ist die Palette an "Kunden-Typen" zu breit ge fächert, um "den" typischen Baufinanzierungskunden zu identifizieren.

Mit unseren Marken Deutsche Bank und Postbank und den zugehörigen Produktmarken BHW und DSL decken wir deshalb ganz bewusst unterschiedliche Mikrosegmente im Finanzierungsmarkt ab. Eine BHW-Finanzierung wird häufiger für kleinteiligeres Geschäft wie zum Beispiel eine Modernisierung genutzt. Das schlägt sich in geringeren Durchschnittsvolumina nieder. Demgegenüber werden DSL-Finanzierungen primär für den Kauf und Neubau oder eine Umfinanzierung genutzt. In der Marke Deutsche Bank finden sich zusätzlich zu den Eigenheimfinanzierungen für Privatkunden auch viele Selbstständige, Freiberufler und Kapitalanleger, die ihre Baufinanzierung über uns abwickeln. Die durchschnittliche Finanzierungssumme variiert je nach Verwendung und Kundengruppe. So haben wir die große Chance, ein breites Kundensegment abzudecken.

Rechnen Sie damit, dass das positive Umfeld für Baufinanzierungen in den nächsten Jahren erhalten bleibt? Und in welchem Umfang können davon Deutsche Bank und Postbank profitieren?

Die Baufinanzierung zählt zu unseren traditionellen Stärken. Das unterscheidet uns vom Wettbewerb und stellt einen großen Vorteil in einem insgesamt hart umkämpften Markt dar. Die Zahlen der Vorjahre zeigen immer wieder, dass unser Baufinanzierungsgeschäft am operativen Erfolg einen großen Anteil hat. Im Rahmen des Konzerns können wir unseren Kunden auch Finanzierungsbausteine wie Vor- und Zwischenfinanzierungen, Annuitätendarlehen und Wohn-Riester-Verträge zur Verfügung stellen. Wir haben dieses Angebot konsequent weiterentwickelt und das ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass wir weiter wachsen.

Konkret konnten wir unser Neugeschäft gegenüber dem Vorjahreszeitraum für beide Marken um rund vier Prozent ausbauen. Neben neuen Kreditzusagen gab es auch viele Prolongationen und Umschuldungen. Grund sind natürlich die immer noch niedrigen Bauzinsen, der steigende Bedarf an Wohnraum und auch zunehmend Investitionen in energetische Sanierung.

Besonders erfreulich ist dabei aber, dass dieses Wachstum nicht zu geringeren Erträgen führt. Ganz im Gegenteil: Trotz des anhaltenden Konditionsdrucks durch den Wettbewerb zeigen beide für uns wichtigen Parameter, Neugeschäft und Neugeschäftsmarge, eine positive Entwicklung.

ZUR PERSON EVA GRUNWALD Leiterin Immobiliengeschäft, DB Privat- und Firmenkundenbank AG mit den Marken Deutsche Bank und Postbank, Bonn/Frankfurt am Main
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