BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2022

"WIR WOLLEN UNSERE SIEBEN MILLIONEN KUNDEN FÜR DIE ENERGETISCHE SANIERUNG GEWINNEN"

Reinhard Klein, Foto: Bausparkasse Schwäbisch Hall

Das Ziel ist klar umrissen: 2045, also in knapp einem Vierteljahrhundert, soll der deutsche Gebäudesektor klimaneutral sein. Das sind gerade einmal noch etwas mehr als 8 000 Tage, von denen jeder einzelne natürlich so gut wie möglich genutzt werden muss. Den Bausparkassen kommt in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Rolle zu, bereits seit Jahren werden Bausparmittel zu einem signifikanten Teil für energetische Modernisierungen verwendet. In gewohnt großen Maßstäben denkt dabei auch Marktführer Schwäbisch Hall, wie im folgenden Interview mit deren Vorstandsvorsitzendem Reinhard Klein deutlich wird. Man wolle alle sieben Millionen Kunden für die energetische Sanierung gewinnen. Dafür suche man nach einem Weg, die internen Finanzberater zu Energieberatern weiterzubilden. Stand heute erfülle im Übrigen bereits knapp ein Drittel des Darlehensbestands die aktuellen EU-Vorgaben an klimagerechte Finanzierungen. Red.

Herr Klein, wenn Sie auf das Geschäftsjahr 2021 zurückblicken: Wie zufrieden sind Sie?

Angesichts der herausfordernden Rahmenbedingungen haben wir das Jahr gut hinbekommen. Wir liegen bei einem Jahresergebnis von 130 Millionen Euro, kommend von 81 Millionen Euro. Zu unserem deutlich verbesserten Ergebnis trägt sowohl die Erlös- als auch die Kostenseite bei. Außerdem fielen unsere Aufwendungen zur Risikovorsorge geringer aus als geplant. Aber wir haben nicht nur unser Ergebnis verbessert, sondern auch viele wichtige Meilensteine erreicht, die wir uns für das Jahr vorgenommen haben: Wir sind mit unserem IT-Umbau weiter vorangekommen. Damit schaffen wir die Grundlage für eine weitere Digitalisierung und Automatisierung unserer Angebote und Services.

Parallel bauen wir erfolgreich neue Geschäftsmodelle auf: Unser Vermittlermarktplatz für die genossenschaftlichen Finanzgruppe Baufinex zählt bereits im dritten Geschäftsjahr zu den Top-3-Anbietern im B2B-Plattformmarkt für private Baufinanzierungen. Auch der Ausbau unseres Ökosystems Bauen und Wohnen im Rahmen der strategischen BVR-Initiative ist gut angelaufen: Bereits mehr als 20 genossenschaftliche Banken bieten ihren Kunden die digitalen Serviceangebote unseres Joint-Ventures Impleco an und können damit ihre Kompetenz auch im digitalen Umfeld "rund um die Immobilie" unter Beweis stellen.

Würden Sie sich mit den erreichten 130 Millionen Euro an Vorsteuergewinn auch mittel- bis langfristig wohl fühlen? 2018 waren es ja noch knapp 300 Millionen Euro ...

Entscheidend ist, dass wir mit unserer Strategieagenda in den letzten Jahren den Abwärtstrend beim Ergebnis gestoppt haben und der Trend jetzt wieder in die richtige Richtung geht. Das wollen wir weiter fortsetzen.

Zum Neugeschäft: Wie haben sich die Geschäftsfelder Bausparen und Baufinanzierungen 2021 entwickelt?

In der Baufinanzierung können wir auf unser fünftes Rekordjahr in Folge zurückblicken: 20,2 Milliarden Euro Neugeschäftsvolumen, das ist ein Plus von 5,5 Prozent. Schwäbisch Hall ist 2021 - gemeinsam mit den genossenschaftlichen Banken - stärker gewachsen als der Markt und gehört mit diesem Geschäftsvolumen zu den größten Baufinanzierern in Deutschland. Rund 50 Prozent des Neugeschäfts nehmen wir in die eigenen Bücher, die andere Hälfte geht in die Bücher der genossenschaftlichen Banken. Dieser Erfolg unterstreicht, dass der Ausbau unseres Kerngeschäftsfelds Baufinanzierung wie geplant funktioniert.

Beim Bauspargeschäft haben wir unseren Marktanteil mit 24 Milliarden Euro stabil bei rund 30 Prozent gehalten und bleiben damit mit großem Abstand Marktführer. Beide Geschäftsfelder legen auch im laufenden Quartal zu. Hier profitieren wir sowohl im Bausparen als auch in der Baufinanzierung vom weiter anhaltenden Interesse an den eigenen vier Wänden.

Laut unserem Bausparkassen-Bilanzvergleich ist der Anteil an klassischen Kollektivdarlehen am gesamten Darlehensbestand der BSH zuletzt auf unter fünf Prozent gesunken. Erwarten Sie, dass Bauspardarlehen in den kommenden Jahren wieder an Bedeutung gewinnen?

Klares Ja. Wir gehen davon aus, dass sich viele unserer Kunden jetzt unseren aktuellen Bauspardarlehenszins ab 0,95 Prozent sichern, weil sie erleben, dass die Zinsen auch wieder steigen können. Zudem wird unser aktueller Tarif vermehrt in Sofortfinanzierungen eingebunden.

Dadurch hat sich die durchschnittliche Bausparsumme von rund 50 000 auf mehr als 60 000 Euro erhöht. Der Trend, das Bauspardarlehen wieder in Anspruch zu nehmen, wird sich voraussichtlich genauso positiv entwickeln wie die Tendenz, sich jetzt mit einem Bausparvertrag die Zinsen für die Anschlussfinanzierung in einigen Jahren zu sichern.

Wie viele Sorgen bereiten Ihnen die regulatorischen Entwicklungen, Stichwort "Antizyklischer Kapitalpuffer"? Lassen sich die Effekte für Ihr Haus schon ungefähr beziffern?

Wir haben ein ausreichend hohes Eigenkapitalpolster gebildet und müssen daher nicht ad hoc handeln. Was den Gesamtmarkt angeht, rechnen wir damit, dass durch den Kapitalpuffereffekt im Jahresmittel die Zinsen um bis zu zehn Basispunkte steigen werden und dass Institute, die nicht so eigenkapitalstark sind, vermehrt Immobilienkredite an Dritte vermitteln werden.

Im Bereich (voll-)digitaler Baufinanzierung tut sich derzeit bekanntlich einiges. Europace wirbt zum Beispiel mit der "ersten automatisierten Sofortkreditentscheidung innerhalb weniger Stunden". Wie markt- beziehungsweise massentauglich ist ein solches Konzept in Ihren Augen?

Allein das Echo im Markt und Ihre Frage zeigen, dass das Interesse aller Marktteilnehmer am technischen Durchstich der Kollegen sehr hoch ist. Auch wir verfolgen das Projekt mit Interesse. Eine schnelle Kreditentscheidung wird zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor, weil die Kunden schlichtweg danach verlangen. Wie andere Anbieter arbeiten auch wir daran, perspektivisch die technischen Voraussetzungen für einen weitgehend automatisierten, durchgängigen Kreditentscheidungsprozess zu schaffen.

Nicht weniger spannend sind die Entwicklungen beim Thema Nachhaltigkeit. Der Status quo ist indes ernüchternd: Trotz großer Anstrengungen stagnieren die CO2-Gebäudeemissionen bei rund 120 Millionen Tonnen im Jahr. Wie kann hier die Trendwende gelingen?

Wir haben mal grob nachgerechnet: Bei einem "weiter so" würde bis 2030 eine maximale Reduktion auf 110 Millionen Tonnen CO2 gelingen. Das Reduktionsziel liegt aber bei 67 Millionen Tonnen! Bis 2030 muss also im Schnitt fast jeder zweite Wohneigentümer seine Immobilie CO2-neutral bekommen. Das ist in acht Jahren!

Diese Mammutaufgabe kann man nur in einem gemeinsamen Kraftakt lösen: Dazu muss die Politik die Förderinstrumente zielgerichtet auf die CO2- Reduktion konzentrieren und Planungssicherheit garantieren. Die Immobilienbesitzer müssen sich spätestens jetzt mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen und die anstehenden Aufgaben anpacken, denn allein die aktuell extrem steigenden Energiepreise werden den Sanierungsdruck weiter erhöhen.

Um den immensen Investitionsbedarf von circa 1 Billion Euro und mehr zu schultern, müssen wir Immobilienfinanzierer mit entsprechenden Finanzierungslösungen helfen. Ein wesentlicher Knackpunkt bleibt derzeit aber auch die Knappheit an qualifizierten Handwerkerleistungen. Hier sind kluge Ideen gefragt, um dem Fachkräftemangel zu begegnen - oder noch besser um Sanierungsmaßnahmen deutlich effizienter durchzuführen.

Ist eine Verdoppelung, geschweige denn Verdreifachung der Sanierungsrate angesichts dieses akuten Fachkräftemangels am Bau sowie beängstigenden Preisanstiegen überhaupt realistisch?

Es bleibt zumindest ein immenser Kraftakt. Denn verschärfend wirkt sich in diesem Zusammenhang aus, dass die CO2-Neutralität des Gebäudebestandes ein europäisches Thema ist. Das bedeutet, dass jedes EU-Mitgliedsland seine eigenen Kapazitäten benötigt, um die energetische Sanierung vor Ort zu forcieren. Mit einem massiven Zustrom von Handwerkern aus dem europäischen Ausland ist also nicht zu rechnen.

Nach Berechnungen von Haus und Grund bräuchten wir aber eine Verdopplung der Handwerkerkapazitäten allein für die notwen dige Bestandssanierung. Wir benötigen also dringend eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und neue Konzepte zu seriellem Bauen beziehungsweise serieller energetischer Sanierung, um die Effizienz zu steigern.

Was uns aber darüber hinaus interessieren muss: Mehr als die Hälfte der angehenden Sanierer unter den Immobilienbesitzern haben ihr Vorhaben in den vergangenen Jahren vorzeitig abgebrochen. Die Gründe dafür hat die Kölner Marktforschung Sirius Campus aktuell für uns untersucht. Häufig genannt wurden: zu hohe Kosten, zu geringe Förderangebote, zu komplizierte Antragstellung, zu wenig steuerliche Anreize. Aber auch zu komplexe Technik und zu große Unsicherheiten bei der Umsetzung führen letztlich dazu, dass Immobilienbesitzer ihr geplantes Projekt doch nicht realisiert haben. Hier können wir mit gezielten Informationen und fundierter Energieberatung ansetzen.

Wie viel Potenzial haben Ihrer Beobachtung nach innovative Konzepte wie Energiesprong beziehungsweise serielles Sanieren in Deutschland?

Die serielle Sanierung kann eine Lösung für die Beschleunigung der Sanierungsrate bei akutem Fachkräftemangel sein - insbesondere im Geschosswohnungsbau. Mit hoher Standardisierung am Bau können Kapazitäten effizienter eingesetzt werden - Bundesbauministerin Klara Geywitz hat zurecht Modellprojekte für serielles Bauen angekündigt, um den Bauprozess zu beschleunigen.

Wichtig ist dabei vor allem, dass diese Modelle marktnah sind und schnell umgesetzt werden können. Den Engpass bei den Handwerkskapazitäten werden Sie aber nicht kurzfristig beheben können. Hier müssen entsprechende Ausbildungsinitiativen Entlastung schaffen.

Wie beurteilen Sie die (voraussichtlichen) Pläne der Ampelkoalition zu dem Thema Energiewende im Gebäudesektor?

Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Förderung künftig konsequent an der Reduzierung von Treibhausgasen ausrichtet. Das zentrale Instrument ist der neue, digitalisierte Gebäudeenergieausweis. Damit erhalten wir ein klares Bild über den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß eines Gebäudes.

Ebenso notwendig ist der schnelle Aufbau eines digitalen Gebäudeenergie-Katasters - wenn Sie so wollen eine Art "Transparenzregister", das den CO2-Fußabdruck aller Gebäude beinhaltet. Diese Informationen benötigen letztlich alle Immobilienfinanzierer. Denn schon ab 2024 sollen wir detailliert Auskunft über die Klimatauglichkeit und EU-Taxonomie-Konformität unserer Kreditportfolios geben können.

Unklar ist noch die Umsetzung des Grundsatzes, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden muss. Unserer Meinung nach werden damit de facto Wärmepumpen zum Standard erhoben. Sie sind aber Stand heute nicht in allen Bestandsgebäuden problemlos einsetzbar.

Wir warnen davor, einen falschen Investitionsanreiz für Hybridheizungen zu schaffen, die dann während der Regellaufzeit noch mal durch ein 100-Prozent-regeneratives Modell ausgetauscht werden müssen. Das wäre alles andere als nachhaltig. Hier gibt es also noch inhaltlichen Klärungsbedarf.

Oft angemahnt haben wir in diesem Kontext die Nutzung von individuellen Sanierungsfahrplänen für Immobilienbesitzer. Sie sind der Schlüssel für eine auf den Immobilienbesitzer und seine Möglichkeiten abgestimmte Planung und Schritt-für-Schritt-Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen. Gut, dass dies in den Koalitionsplänen jetzt in der Breite vorgesehen ist.

Welche Rolle spielen bei all dem eigentlich die Vorgaben aus Brüssel, etwa die EU-Taxonomie oder die EU-Gebäuderichtlinie "Energy Performance of Buildings Directive?

Die neue EU-Gebäuderichtlinie soll die EU-Renovierungswelle in konkrete Rechtsvorschriften überführen. Sie deckt sich in vielen Punk ten mit den Plänen der Bundesregierung. Aufgrund der neuen Mindeststandards wird dann die Renovierung der energetisch schlechtesten Gebäude pro Land erstmals zur Pflicht. Das ist grundsätzlich ein richtiger Ansatz.

Wir müssen aber klären, wie wir mit den Wohngebäuden umgehen, deren Sanierung wirtschaftlich keine Option darstellt. Der Eigentümerverband Haus und Grund rechnet hier mit circa drei Millionen Wohngebäuden allein in Deutschland, die im Jahr 2030 nach den aktuellen EU-Plänen nicht mehr marktfähig sein werden, weil sich eine Sanierung wirtschaftlich nicht lohnt.

Im gewerblichen Finanzierungsbereich versucht beispielsweise die Berlin Hyp ihre Kunden mit reduzierten Zinskonditionen von einigen Basispunkten zu Sanierungsmaßnahmen zu incentivieren. Was bieten Sie an Instrumenten?

Wir bieten mit unserer aktuellen Tarifvariante "Fuchs Energie" das erste energetische Bausparprodukt in der Branche: Die Zuteilung des Bauspardarlehens ist bei Sofortaufzahlung schon nach 19 Monaten möglich, die Tilgungsdauer liegt bei unter fünf Jahren, um schnell wieder schuldenfrei zu sein und bei energetischer Modernisierung geben wir einen Zinsvorteil von 0,15 Prozent.

Kunden, die ihre Modernisierung per Kredit finanzieren, können unsere Blankodarlehen nutzen oder erhalten beim Darlehen "Fuchs Konstant Energie" 0,25 Prozent Zinsvorteil.

Außerdem prüfen wir derzeit den nächsten Schritt: Denn wir wollen unsere sieben Millionen Kunden für die energetische Sanierung gewinnen und suchen dafür nach einem Weg, unsere Finanzberater zu Energieberatern weiterzubilden. Einige Schwäbisch-Hall-Kollegen sind heute bereits "zertifizierte Modernisierungsberater".

Wie viel Ihres Kreditneugeschäfts entfällt aktuell auf energetische Sanierungen? Und wie wird sich das perspektivisch entwickeln?

Wir weisen bislang energetische Sanierungen bei den Krediten nicht getrennt aus. Unsere Green Asset Ratio können wir jetzt zum ersten Mal benennen. Sie liegt bei 31,5 Prozent: Ein knappes Drittel unseres Darlehensbestands erfüllt also die aktuellen EU-Vor gaben an klimagerechte Finanzierung.

Und wir wissen auch: Durch Finanzierungen in den Bereichen Modernisierung, Photovoltaik und energieeffizientem Neubau wird der CO2-Ausstoß der finanzierten Immobilien deutlich reduziert.

2021 haben die Schwäbisch-Hall-Kunden durch ihre Finanzierungen in den genannten Bereichen knapp 600 000 Tonnen an CO2-Emissionen eingespart. Das ist eine gute Grundlage, auf der wir aufbauen wollen.

Reinhard Klein , Vorstandsvorsitzender , Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
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