DAS ASS IM ÄRMEL

Philipp Hafner, Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

Sonnig, warm und extrem zu trocken - Meteorologen blicken derzeit wieder einmal mit Sorge auf die Wetterlage in Deutschland. Seit Mitte März hat es kaum mehr geregnet, nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes fielen zwischen 14. März und 18. April verbreitet weniger als zehn statt der üblichen 50 Liter pro Quadratmeter Niederschlag. Das weckt unmittelbar Erinnerungen an den Frühling der Jahre 2018 und 2019 - was folgte, waren jeweils ausgeprägte Dürresommer.

Auf den ersten Blick scheint auch den Pfandbriefmarkt dieser Tage eine ziemliche Durststrecke heimzusuchen: Nach einem lebhaften Jahresauftakt lag zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe der vorerst letzte öffentliche Benchmark-Auftritt eines deutschen Emittenten schon fast drei Monate zurück. Konkret war es die Commerzbank, die am 3. März einen zehnjährigen Hypothekenpfandbrief im Volumen von 1,25 Milliarden Euro begab. Doch vor voreiligen Schlüssen sei gewarnt, denn von einer Emissionspause kann bei genauerem Hinsehen keine Rede sein, im Gegenteil: Nach Angaben der Nord-LB basierend auf den Transparenzmeldungen der vdp-Mitgliedsinstitute ist das Gesamtvolumen ausstehender Pfandbriefe im ersten Quartal 2020 ungewöhnlich stark um 17,7 Milliarden Euro gestiegen. Neben den Hypothekenpfandbriefen (plus 12,4 Milliarden Euro) konnte dabei erstmals seit geraumer Zeit sogar wieder ein Wachstum bei den öffentlichen Pfandbriefen (plus 5,3 Milliarden Euro) registriert werden.

Das vermeintliche Paradoxon ist schnell aufgelöst: Infolge der Corona-Pandemie hat sich der Fokus der Emittenten in den vergangenen Wochen lediglich von öffentlichen Platzierungen auf einbehaltene ("Own Use") Anleihen verschoben. So haben die Covered-Bond-Analysten der Commerzbank von Anfang Februar bis Mitte Mai rund 27 Milliarden Euro an Pfandbriefemissionen von mindestens 100 Millionen Euro erfasst, die nicht als Benchmark- oder Sub-Benchmark öffentlich syndiziert wurden. Diese einbehaltenen Papiere dienen dann wiederum als Sicherheitenstellung bei der EZB, um Zugang zu den jüngst noch einmal verbesserten TLTRO-III-Konditionen zu erhalten. Um eine Idee von der Attraktivität dieser Tender zu bekommen, genügt ein Blick auf die Modalitäten des anstehenden Juni-TLTRO: Hier können teilnehmende Banken mit einem Zins von minus einem Prozent rechnen. Über eine Billion Euro an Ziehungen erwarten Zinsstrategen alleine für diese Tranche. Und wer könnte es den Emittenten verdenken? Diese Konditionen sind am Markt derzeit einfach nicht zu schlagen.

Insofern fungiert der Pfandbrief vorübergehend eher als "Mittel zum Zweck", wie vdp-Präsident Louis Hagen im Interview trefflich anmerkt. Mit Sicherheit wird er aber schon bald wieder auf traditionelle Art und Weise glänzen. Dass der öffentliche Markt grundsätzlich voll funktions- und aufnahmefähig ist, gerade auch mit Blick auf die strategisch wichtige langfristige Refinanzierung - über die EZB-Tender kann wohlgemerkt nur der Bereich bis zu drei Jahren abgedeckt werden -, haben die wenigen Covered-Bond-Emissionen aus Frankreich, Kanada und Österreich in den vergangenen Wochen eindeutig bewiesen.

Dies ist ein beruhigender, gleichwohl längst nicht selbstverständlicher Befund, denn klar ist auch: Grosso modo wird sich die Mobilisierung privaten Kapitals via Bankanleihen in der Post-Corona-Zeit deutlich schwieriger und teurer gestalten. Dem Bankensektor stehen merklich steigende Kreditausfälle und damit einhergehend erhebliche Eigenkapitalbelastungen bevor. Investoren werden da selektiver denn je vorgehen und möglichst großen Schutz vor Ausfallrisiken suchen. Dass die Spreadausweitungen am Sekundärmarkt bei unbesicherten Bankanleihen zuletzt deutlich höher ausfielen als bei gedeckten, gibt bereits einen Vorgeschmack darauf. Wohl dem, der da den Pfandbrief als Ass im Ärmel hat!

Und auch von einer höheren, gesellschaftlichen Warte aus betrachtet, können der Pfandbrief und seine Emittenten bei der Bewältigung dieser monumentalen Krise helfen, davon zeugen viele Beiträge in dieser Ausgabe von "Immobilien & Finanzierung". Sei es im Rahmen kommunaler Nothilfe oder einer nachhaltigeren Gebäudelandschaft - mit dem Pfandbrief als krisenerprobtem Scharnier zwischen Realwirtschaft und Kapitalmarkt lassen sich diese und viele weitere anstehenden Herausforderungen meistern.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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