Bausparen kann sogar Nullzins

Klaus-Friedrich Otto

Fast einhundert Jahre ist das Bausparen in Deutschland bald alt. Das haben nicht eben viele "Finanzprodukte" geschafft. Aber die Grundidee ist eben so wunderschön einfach, dass sie sich immer wieder in höchst wechselhafte Umstände ein- und anpassen lässt: Aus angesammelten Sparanlagen lassen sich maßvoll Baukredite geben, deren Annuitäten wiederum ins Sparvermögen finden. Wie ewig gelobt und beschrieben ist Bausparen somit (fast) ein geschlossenes System, das die Welt drumherum (fast) nie zu stören vermag. So hat das deutsche Bausparen Kriege überlebt und Inflationen überstanden, hat die Explosion der banküblichen Baukredite in nachbarschaftlicher Gelassenheit ertragen und sich oft genug mit denselben verbunden, hat die Risiken der Verbraucherverschuldung bewältigt und ist dabei, die übertriebene Zuneigung von Freundsparern (oder Darlehensverzichtern) zu kühlen.

Und weil jeder Gesetzgeber in Deutschland das Bausparen lieb haben muss, bringt jedes neue Bauspargesetz neue Freiheiten für neue Systemabläufe. Kurzum: Bausparen ist hundertmal in hundert Jahren so oft totgesagt worden, dass an die hunderteinste Fortsetzung oder sogar Wiederauferstehung unbedingt geglaubt werden muss. Wozu es eigentlich noch gut sein soll, wenn private Immobilienfinanzierung derzeit nahezu und allgemein dem frühmittelalterlichen Zinsverbot folgt und bereits Nullkomma-Zinsen das Sonderangebot gegenüber Strafzinsen sind, mag wieder einmal erklären, wer sich nur rational mühen möchte. Aber das Bausparneugeschäft ist eben mitnichten tot, solange die "Sicherheit des Systems" den Zivilisationsmenschen in übler Zeit doch irgendwie beruhigt.

Wenn Primärbanken, also vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken, in diesen Wochen ihre Bilanzen besprechen und über die "Noch-Erträge" 2015 berichten, klingt für die Zukunft der Bank in der Nullzins-Welt der unbelehrbaren Europäischen Zentralbank erhebliche und berechtigte Skepsis heraus. Das ist bei den Bausparkassen gewiss nicht anders, weil auch sie entscheidend von der Differenz zwischen Soll und Haben leben müssen. Da überrascht im Folgenden diese BHW-Aussage schon: "Das Neugeschäft macht auch betriebswirtschaftlich Freude." Man habe nämlich, so steht in der Erklärung geschrieben, frühzeitig Kosten gesenkt und Produkte angepasst, im Vertrieb die Digitalisierung verstärkt und im Übrigen die Skaleneffekte beim Verkauf über große Partner (im BHW-Fall die Postbank) genutzt. Falls das so stimmt, wäre das Geschäftsmodell Bausparkasse zwar mitnichten zinsunabhängig. Aber die Sache mit der notwendigen Zinsspanne des Betriebs lässt sich nun doch etwas anders definieren als bisher gemeint.

Wie alle Kreditinstitute sehen auch die Bausparkassen die unentwegte Fortschreibung der Regulierung kritisch. Und genau dieses müssen sie auch in besonderer Weise. Denn, so stellt Jörg Münning von der LBS West fest, es beißt sich das im Bauspargesetz aufgeschriebene Spezialbankprinzip mit den "Bemühungen der Bankenaufsicht, die Regulierungsprozesse weitgehend zu vereinheitlichen". Zwei Beispiele machen das für Münning besonders deutlich. Zum einen sei bei ihnen die Erfüllung der Leverage Ratio eben nicht wie bei Banken durch Verminderung von risikobehafteten Wertpapieren in der Bilanz möglich, sondern langfristig nur durch "Verzicht auf Neugeschäft". Zum anderen berücksichtigten die aktuellen Verfahren zur Messung des Zinsänderungsrisikos die Spezialitäten eines kollektiven Systems unzureichend. Intensive Diskussion mit einer (wohlmeinenden) Aufsicht sei also angeregt. Freilich: Nicht eben glücklich kann die Spezialbankfreunde stimmen, was aus dem klassischen deutschen Hypothekengesetz geworden ist. Aus Angst vor schrumpfenden Geschäftsmöglichkeiten erfuhr dieses bekanntlich eine derartige "Liberalisierung", das aus dem Institutsgesetz ein Produktgesetz wurde, dass den HBG-Banken ihre Spezialität nahm. Wie viele Erweiterungen verträgt das Bauspargesetz noch, ohne ein ähnliches Schicksal zu erleiden?

Nicht die beste Presse erfährt die Bausparwirtschaft allemal, wenn sie Sparverträge aus Hochzinsjahren kündigt, weil diese offensichtlich keine Hausfinanzierung mehr zum Ziel haben. Die Bausparkassen werden mit allem, was mögliche Verbraucherinteressen berührt, betont vorsichtig-vornehm umzugehen wissen. Denn das Bausparen ist kein marktgängiges Produkt, das ohne politisches Wohlwollen, sprich ohne staatliche Förderung auskommt. Andreas J. Zehnder, der als oberster Verbandsvorstand wie kein anderer weiß, was allein Wohnungsbauprämie und Wohn-Riester bringen, kämpft gerade um so etwas Nützliches wie die Sonder-Afa für Häuslebauer. Da muss Bausparen wie schon immer einen untadeligen Nutzen für (fast) jedermann darstellen.

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