Brüssel macht Druck

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Groß war die Euphorie, als auf dem Pariser Klimagipfel im November 2015 etwas gelang, das viele kaum für möglich gehalten hatten: Die Staaten der Welt einigten sich darauf, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Bilder einer vor Glück weinenden Barbara Hendricks veranschaulichten die Erleichterung. Deutschland gehörte zu den ersten Unterzeichnern und machte sich anschließend an die Ausarbeitung des im November 2016 verabschiedeten Klimaschutzplans 2050. Knapp ein Jahr später könnten Frau Hendricks wieder die Tränen in den Augen stehen, diesmal allerdings aus ganz anderen Gründen. Nicht nur, dass der Ausstieg der USA ein tiefes Loch reißt, auch die eigens gesteckten Ziele drohen verpasst zu werden. Beispielhaft lässt sich dies an der Transformation des hiesigen Gebäudesektors erkennen. Eine aktuelle Studie der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz, der Deutschen Energie-Agentur und weiterer Branchenverbände zeigt, dass bei einer Fortschreibung der heutigen Entwicklung Deutschland sein Ziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 klar verfehlen würde. Hier käme man bis 2050 nur auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 67 Prozent im Vergleich zu 1990. Anlass zur Sorge gibt dabei die weiterhin schwach ausgeprägte Dynamik auf dem deutschen Sanierungsmarkt: Die Sanierungsrate lag 2016 bei gerade einmal einem Prozent. Es bedarf also neuer Impulse.

Auch auf europäischer Ebene weiß man inzwischen, dass sich der Wunsch nach einem grüneren Europa nicht von selbst erfüllt. Die Klima- und Energiepolitik der EU sieht bis 2030 unter anderem die Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sowie die Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 27 Prozent vor. Dabei misst die EU-Kommission dem Immobilienbestand ebenfalls große Bedeutung bei. Zu Recht, denn die Gebäude innerhalb der EU sind - ähnlich wie in Deutschland - für 40 Prozent des gesamten europäischen Energieverbrauchs und 36 Prozent des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Alleine der Wohnimmobilienbereich verheißt enormes Einsparpotenzial durch energetische Renovierungsmaßnahmen: Von den knapp 250 Millionen Wohnstätten in der EU wurden 90 Prozent vor dem Jahr 2001 gebaut. Die EU-Kommission unterstützt deshalb die "Energy Mortgage Federation" (europäischer Hypothekenverband, EMF) bei ihrem Vorhaben, die Energieeffizienz wohnwirtschaftlich genutzter Gebäude im Rahmen der "Energy Efficiency Mortgage Initiative" voranzutreiben.

Die Anfang des Jahres ins Leben gerufene Initiative erhält in einem ersten wichtigen Schritt die finanziellen Mittel zur Etablierung eines europaweiten Datenportals, das einerseits Transparenz, Definitionen und Standardisierung in dem wachsenden Segment ökologischer Immobilienfinanzierungen ermöglicht und andererseits den Nachweis einer Korrelation zwischen energieeffizienten Gebäudefinanzierungen und geringeren Kreditrisiken für Banken erbringen soll. Laut EMF kommt den europäischen Kreditinstituten in diesem Zusammenhang nämlich eine Schlüsselrolle zu: Indem sie europäische Bürger mittels zinsgünstiger Darlehen bei der energetischen Sanierung ihrer Eigenheime unterstützen, könnten sie eine Art "positiven Kreislauf" in Gang setzen, von dem letztlich auch der hoffnungsvolle grüne Covered-Bond-Markt profitieren soll. Die erste Pilotphase des Projekts wird im März 2018 beginnen, auch unter Beteiligung deutscher Kreditinstitute. Im Idealfall könnte bereits 2020 ein marktfähiges Konzept vorliegen.

Die EMF-Initiative ist begrüßenswert und weist in die richtige Richtung. Doch zumindest mit Blick auf Deutschland stellt sich die Frage, ob diese Maßnahmen tatsächlich den erhofften Schub bringen können. Die Ursachen für die ausgeprägte Sanierungsmüdigkeit hiesiger Wohneigentümer liegen schließlich tiefer. Stetig verschärfte, ordnungspolitische Anforderungen haben in der jüngeren Vergangenheit die bereits hohen Kosten weiter steigen lassen. Hier droht das Gebot der Wirtschaftlichkeit verloren zu gehen. Auch regulatorische Eingriffe in den Mietpreismechanismus oder die Einführung komplizierter Umlageverfahren auf die Mieter haben die Unsicherheit hinsichtlich der Sinnhaftigkeit grüner Investitionen erhöht. Die neue Jamaika-Koalition muss hier schleunigst die Weichen stellen, um die zweifellos vorhandenen Einsparpotenziale zu mobilisieren. An Vorschlägen (und finanziellem Spielraum) mangelt es nicht: Etwa den einer technologieoffenen Förderung, die durch steuerliche Anreize ergänzt wird. Unterbleiben diese Maßnahmen, so droht das Dilemma, immer mehr in immer kürzerer Zeit erreichen zu müssen.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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