FRAGWÜRDIGE DOMINANZ

Philipp Hafner, Foto: Verlag Helmut Richardi

"The Governing Council has decided in principle that the Eurosystem will purchase euro-denominated covered bonds issued in the euro area." Kaum zu glauben, aber in wenigen Tagen, am 7. Mai, wird sich dieser von ihrem damaligen Präsidenten Jean-Claude Trichet verkündete Beschuss der EZB bereits zum zwölften Mal jähren. Hätte man Trichet seinerzeit vorhergesagt, dass diese Käufe gedeckter europäischer Bankschuldverschreibungen auch anno 2021 (und voraussichtlich weit darüber hinaus) noch getätigt würden, so hätte er es vermutlich als Hirngespinst abgetan. Schließlich war es vom EZB-Rat als vorübergehende Stützungsmaßnahme zur Stabilisierung eines essenziellen Refinanzierungskanals der hiesigen Bankenlandschaft angedacht gewesen.

Geeignete Momente zum "Einstieg in den Ausstieg" boten sich immer wieder, doch stattdessen geriet der Markt irgendwie immer tiefer in die mächtige Einflusssphäre der EZB. So folgte dem ersten, am 1. Juli 2009 gestarteten "Covered Bond Purchase Programme" (CBPP) im Oktober 2011 CBPP2 und im Oktober 2014 schließlich das bis heute laufende und zugleich mit Abstand umfangreichste CBPP3. Gedeckte Anleihen im Volumen von zirka 290 Milliarden Euro hat die EZB im Rahmen dieser Programme bislang auf ihre Bilanz genommen. Die Covered-Bond-Experten der Bayern-LB schätzen, dass sie bis Ende dieses Jahres über 50 Prozent der CBPP3-fähigen Euro-Benchmark-Papiere halten könnte.

Die Folgen dieser fragwürdigen geldpolitischen Dominanz sind hinlänglich bekannt: Einerseits bleiben dadurch die Refinanzierungskonditionen für Banken günstig, das Außerkraftsetzen der freien Marktkräfte bringt andererseits aber einige sehr unschöne Nebenwirkungen mit sich: Angestammte Investoren werden immer stärker aus dem Segment gedrängt ("Crowding Out"), Sekundärmärkte trocknen zunehmend aus, da die EZB die Papiere bis zur Endfälligkeit in der Bilanz hält, und last, but not least kommt es zu erheblichen Verzerrungen der Spread-Kurven, die die Qualitäts- und Risikounterschiede zwischen den einzelnen Anleihen längst nicht mehr angemessen widerspiegeln.

Diese seit Jahren bestehenden Trends werden nun seit Beginn der Corona-Pandemie nochmals deutlich verstärkt, denn die Europäische Zentralbank versorgt die Geschäftsbanken seitdem mit extrem attraktiven Liquiditätsspritzen ("TLTRO III"), was eine beispiellose Aushöhlung der Angebotsseite zur Folge hat. So erlebte der Euro-Covered-Bond-Primärmarkt 2021 mit lediglich 22 (2020: 46; 2019: 60,5) Milliarden Euro an Benchmark-Emissionen in den ersten drei Monaten - die für gewöhnlich betriebsamsten - einen sehr enttäuschenden Jahresauftakt. Und nichts deutet auf eine Belebung des Marktgeschehens hin. Die jüngste, siebte TLTRO-Tranche im März fand reißenden Absatz (330,5 Milliarden Euro) und die anstehenden Ziehungen 8 (Juni), 9 (September) und 10 (Dezember) werden aller Voraussicht nach erneut für viele Institute ernsthafte Alternativen zum öffentlichen Markt darstellen.

Interessanterweise haben dabei vor allem die Pfandbriefbanken großes Gefallen an den TLTRO-Ziehungen gefunden. Hier liegt der Anteil einbehaltener Emissionen seit Monaten konstant bei gut 50 Prozent. Natürlich kann man das den Instituten nicht zum Vorwurf machen, schließlich wären sie blöd, von diesen traumhaften Konditionen (bis zu minus 100 Basispunkten) nicht intensiv Gebrauch zu machen. Und doch sollte der Bogen am Ende nicht überspannt werden, denn die Auswirkungen sind bereits jetzt durchaus beachtlich. Die Dekabank etwa kommt in einer aktuellen Analyse zu dem Schluss, dass der Free Float, also das den klassischen Investoren zur Verfügung stehende Anlagevolumen, am Pfandbriefmarkt bei gerade einmal noch 20 Prozent liegen dürfte. Das Fazit: "Es existiert kein nennenswerter Sekundärmarkt mehr."

Eine beunruhigende Frage werfen in diesem Zusammenhang auch Antonio Farina und Marta Escutia in ihrem Beitrag auf: Kann eine anhaltende Phase schwacher Emissionsaktivitäten die bevorzugte regulatorische Behandlung von Covered Bonds gefährden, indem ihre systematische Bedeutung verringert wird? Sicher das ist noch ein sehr abstraktes Schreckensszenario, völlig aus der Luft gegriffen ist es mit Blick auf die "Never-Ending-Saga" CBPP3 aber auch nicht. Insofern bleibt mit Blick auf das langfristige Wohl der Assetklasse schon ein Stück weit zu hoffen, dass die EZB ein potenzielles "TLTRO IV" genau auf Risiken und Nebenwirkungen hin überprüft. Und die Institute täten unterdessen gut daran, nicht zu abhängig vom süßen Gift der Zentralbank zu werden und stets im Hinterkopf zu behalten, dass sie eines (fernen) Tages wieder auf die traditionellen Investoren am Kapitalmarkt angewiesen sein werden.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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