GEFÜHLSSACHE

Philipp Otto, Chefredakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

Immer Anfang Oktober ist es soweit: Dann versammeln sich tausende von Immobilieninteressierten in München zur Expo Real, Deutschlands größter Immobilienmesse, um sich auszutauschen, Trends zu ergründen und vor allem um Geschäft zu machen. Auch 2019 wird die Stimmung in München wieder ausgelassen und gut sein. So viel kann man ohne allzu große prophetische Gaben schon vor Beginn der Messe sagen. Denn der Branche geht es (immer noch) gut. Das belegen auch einschlägig bekannte Umfragen: Während sich das Immobilienklima laut Deutsche-Hypo-Index im Laufe dieses Jahres bislang stetig verschlechtert hat, verzeichnete die Monatsumfrage unter Immobilienexperten im September wieder einen leichten Anstieg. Dieser ist vor allem auf das Investmentklima zurückzuführen, das von den Befragten als spürbar besser als im Vormonat eingeschätzt wurde. Und laut der halbjährlichen Befragung der Union Investment Real Estate gehen 77 Prozent der Befragten davon aus, dass das Immobilien-Investitionsklima in den kommenden zwölf Monaten mindestens auf diesem Niveau bleibt oder sich sogar noch weiter verbessert.

Täuscht also der Eindruck, die deutschen Politiker schaffen hierzulande ein investitionsfeindliches Klima? Irren die Auguren, die eine Verunsicherung der Investoren ob Deckeln, Verboten und Enteignungsphantasien vorhersagen?

Förderlich ist all das sicherlich nicht. Entscheidender Faktor bleibt aber wohl - und das noch eine ganze Weile - die Europäische Zentralbank, die den Zyklus mit ihrer expansiven Geldpolitik immer weiter am Laufen hält, fernab real- und betriebswirtschaftlicher Fakten. Es ist schlicht zu viel Geld im Markt, das nach Anlage schreit. Die Nachfrage in den gesuchten Regionen nach qualitativ hochwertigen Mietflächen beziehungsweise Investmentopportunitäten ist nach wie vor ungebrochen hoch und nach wie vor deckt das Angebot diese nicht ab. Entsprechend ist weder von einem gravierenden Einbruch bei den Preisen noch bei den Mieten auszugehen.

Und doch wird sich die übertriebene, deutsche Klientelpolitik irgendwann rächen. "There is no free lunch", heißt es im Englischen. Das gilt auch für die politisch motivierten Eingriffe in den Immobilienmarkt. Wer investiert schon gerne unter Unsicherheit und mit der Gefahr rückwirkender gesetzlicher Änderungen? Beispiel 1, Berlin: Mietendeckel von acht Euro. Klingt gut. Aber was ist mit all den privaten Eigentümern, die eine Wohnung als Kapitalanlage gekauft und bei der Finanzierung mit zehn Euro kalkuliert haben? Beispiel 2, wieder Berlin: Was ist mit dem Gesetzesvorschlag, demzufolge Mieter die Miete vom Amt zwangsläufig herabsetzen lassen zu können, wenn diese 30 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens übersteigt? Beispiel 3: Was ist mit Erleichterungen zum Eigentumserwerb von Familien - damit ist nicht das Baukindergeld gemeint - bei denen auf eine Bedarfsprüfung verzichtet wird, und Zuschüsse lediglich an den Faktor ein oder zwei Kinder gekoppelt sind - egal ob arm oder reich?

Geschädigter all dieser "Wohltaten" ist meist der private Eigentümer. Denn von rund 40 Millionen Wohneinheiten in Deutschland befinden sich etwa 32 Millionen in Privatbesitz, nur 8 Millionen in der Hand der vielbeschworenen gierigen "Konzerne", zu denen in dieser Statistik auch Kommunen als Bestandshalter zählen. Gut 17 Millionen Wohneinheiten werden von den Bürgerinnen und Bürgern selbst bewohnt, die restlichen knapp 15 Millionen werden von diesen vermietet. Und auch hinter den "Konzernen" steht in der Regel eine große Zahl von Privatanlegern, die deren Aktien gekauft haben, auf Wertsteigerungen und Ausschüttungen hoffen. Jeder Eingriff wie Verbote und Enteignungen trifft also auch hier wieder den gewöhnlichen Michel und nur zum kleinen Teil die reiche Elite. Leider sagt das kein Politiker. Wer will da in Zukunft noch Immobilien kaufen und vermieten?

Um weiteren gesellschaftspolitischen Spannungen durch mangelnden Wohnraum, zu hohe Preise und Mieten und die Zerstörung von Kiezen durch Nachverdichtung wirksam vorzubeugen, wäre eine direkte Förderung der tatsächlich Bedürftigen anhand stringenter, zutreffender und nachhaltiger Kriterien vermutlich deutlich zielführender. Auch eine nicht nur auf kurzfristigen Wahlerfolg sondern auf nachhaltig lebenswerte Städte ausgerichtete Stadtplanungspolitik mit verbesserter Verkehrsinfrastruktur und attraktiven Wohnangeboten auch im Umland wäre nützlich. Und auch Politiker, die endlich einmal aussprechen, was eigentlich jeder weiß, wären wünschenswert: Wer sich eine passende Wohnung in den Innenstadtlagen der Metropolen nicht leisten kann, muss sich eine kleinere suchen oder längere Wege in Kauf nehmen.

Aber all das ist dank der EZB noch Zukunftsmusik. Die Party läuft und läuft und läuft. Welche Schlüsse Finanzierer und Investoren aus all dem ziehen ist und bleibt ... Gefühlssache. Und dafür ist ein Zusammenkommen wie auf der Expo Real extrem wichtig.

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