EINE (WEITERE) IMMOBILIEN-DEKADE

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Goldene Zwanziger", "Wilde Sechziger" - in der Retrospektive werden Dekaden bekanntlich gerne mit solch griffigen Titulierungen versehen. Wofür die kürzlich zu Ende gegangenen Zehnerjahre des 21. Jahrhunderts im kollektiven Gedächtnis haften bleiben werden, ist indes noch nebulös. Klimakrise, Eurokrise, Trump, Fake News, Greta, Flüchtlinge, Populismus und, und, und - die Auswahl ist groß und dabei selten positiv konnotiert. Doch zumindest mit Blick auf die Immobilie als institutionelle Assetklasse lässt sich bereits ein eindeutiges und zugleich höchst erfreuliches Fazit ziehen. Diesbezüglich werden die 2010er Jahre nämlich als ein glorreiches Jahrzehnt eingehen, in der sich die Immobilie fest in den Portfolios der Investoren etabliert hat. So allokiert der durchschnittliche deutsche institutionelle Investor laut einer aktuellen BAI-Umfrage mittlerweile stolze 10,5 Prozent des von ihm verwalteten Vermögens in Immobilien, Tendenz weiter steigend.

Die offenen Immobilien-Spezialfonds (beziehungsweise "Spezial-AIF") gehören zweifellos zu den Hauptdarstellern dieser Erfolgsstory. Gemäß Bundesbank-Statistik hat sich ihr Vermögen zwischen 2010 und 2020 von 30 auf 134 Milliarden Euro mehr als vervierfacht, der Anteil am gesamten Spezialfondsmarkt konnte dadurch laut Kommalpha von 4 auf 7 Prozent ausgebaut werden. Wenn man bedenkt, dass sich Immobilien, anders als Wertpapiere, (noch) nicht beliebig vervielfältigen lassen, ist diese Entwicklung sicher mehr als eine Randnotiz. Reihum wird das Vehikel heute für seine verlässlichen Strukturen geschätzt, die für ein hohes Maß an Sicherheit sorgen, ohne Investoren dabei in ihrer Flexibilität zu beschneiden. Ein Umstand, der so zunächst nicht absehbar war. Wie schrieb Til Entzian dazu 2014 so schön in seinem Marktüberblick für diese Zeitschrift: "Vor zehn Jahren musste man das offene Immobilien-Spezialfondsvolumen in Vergleichscharts noch zehnfach vergrößern, um es neben dem offenen Publikumsfondsvolumen überhaupt sichtbar machen zu können." Diese Zeiten sind freilich längst vorbei und bereits Ende 2017 übertrumpften die institutionellen Vehikel zum ersten Mal die offenen Immobilien-Publikumsfonds, obwohl diese bekanntlich ebenfalls ordentlich prosperierten.

Der Branche geht es soweit also hervorragend. Gleichwohl wäre es natürlich ein Fehler anzunehmen, die erfolgreiche Vergangenheit ließe sich ohne Weiteres fortschreiben. Denn die Herausforderungen sind durchaus anspruchsvoll. Zuallererst ist da der nicht geringer werdende Anlagedruck zu nennen. So stoßen die weiterhin sehr hohen Nettomittelzuflüsse auf eine trotz - oder gerade wegen - Corona extreme Knappheit an geeigneten Immobilieninvestments. Pandemiebedingt heißbegehrte Nutzungsarten wie Logistik oder Rechenzentren sind und bleiben nun einmal Nischen, die nicht ansatzweise das Transaktionsvolumen altgedienter Assetklassen wie Büro und Einzelhandel werden absorbieren können.

Keine Entspannung ist auch beim Thema Regulatorik in Sicht. Seit Jahren nehmen die von Immobilienfonds einzuhaltenden Vorschriften zu, die im März 2021 in Kraft getretene EU-Offenlegungsverordnung setzt dem Ganzen aber definitiv die Krone auf. Die Fondsmanager wurden hier quasi ins kalte Wasser geworfen und in den kommen Jahren werden diesbezüglich immer weitere Regeln folgen - ein Stresstest, nicht zuletzt für die vermutlich nicht überall effizienten und zeitgemäßen IT-Strukturen. Diejenigen Manager, die bereits ihre ersten Fonds gemäß Artikel 8 ("Light Green") klassifizieren haben lassen, berichten jedenfalls von monatelangem, papierintensivem Aufwand. Neben den teils schwammigen Formulierungen des Gesetzgebers erweist sich dabei einmal mehr der chronische Datenmangel rund um die Immobilie als besonders hinderlich. Trotz einer Vielzahl mittlerweile am Markt verfügbarer digitaler Tools ist die Ermittlung der energetischen Performance eines Gebäudes noch immer längst keine Selbstverständlichkeit. Angesichts der enormen Dynamik, mit denen institutionelle Investoren ihre Portfolios derzeit auf Nachhaltigkeit trimmen, könnten vernachlässigte Immobilien da schneller als allen lieb ist durchs Raster fallen.

Die unzähligen Technologien noch besser in das tägliche Immobiliengeschäft zu integrieren, wird somit also immer wichtiger. Dass der Markt für Immobilien-Spezialfonds dem für Wertpapierspezialfonds grundsätzlich um einige Jahre hinterherhinkt, hat sicher seine Gründe: Während der Aktienhandel längst in Echtzeit möglich ist, schreibt das Gesetz bei der Übertragung von Immobilieneigentum nun einmal umfangreiche physische Vorgänge vor. Allerdings wird die Digitalisierung früher oder später wohl auch vor diesen Strukturen nicht Halt machen. So wird derzeit beispielsweise intensiv mit dem Einsatz der Blockchain im Rahmen von Immobilieninvestments experimentiert. Insbesondere der Tokenisierung wird perspektivisch großes Potenzial zugeschrieben, wovon nicht zuletzt die Handelbarkeit der Assetklasse profitieren würde (siehe dazu auch Beitrag Wibbeke in diesem Heft). Die Neuvermessung der institutionellen Portfolios wird also sicherlich weitergehen - mit der Immobilie in einer ziemlich aussichtsreichen Position.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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