IMMOBILIEN UND INFLATION

Philipp Hafner, Leitender Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

132 Milliarden Goldmark - das ist selbst in Zeiten, in denen Regierungen und Zentralbanken Corona-Notfallprogramme in Billionenhöhe auflegen, eine stolze Summe. Es handelt sich dabei um die Höhe der Reparationszahlungen, die England und Frankreich im Londoner Protokoll vor ziemlich genau 100 Jahren, am 5. Mai 1921, dem Deutschen Reich als Verlierer des Ersten Weltkriegs auferlegten. Die zu diesem Zeitpunkt bereits grassierende Inflation beschleunigte sich im Anschluss auf ein irrwitziges Tempo und endete schließlich in der Hyperinflation des Jahres 1923. Ein Liter Milch etwa kostete Ende Juni 1923 zunächst 144 Reichsmark, im Dezember dann 320 Milliarden. Erst der anschließende Währungsschnitt setzte dem Spuk ein (vorläufiges) Ende - 1947 erzwang die verdeckte Inflation bekanntlich noch einen zweiten.

Bis heute sind diese Traumata tief ins deutsche Gedächtnis eingebrannt. Die "German Inflation Angst" gilt als legendär und löst gerade im angelsächsischen Raum oft milde Verwunderung aus. So vermutlich auch dieser Tage, denn der deutsche Blätterwald ist voll mit mal mehr, mal weniger eindringlichen Kassandrarufen. Tatsächlich hat die hiesige Inflationsrate im April erstmals seit zwei Jahren wieder die Marke von 2,0 Prozent erreicht. Ursache dafür waren insbesondere die höheren Energiepreise, die Einführung der CO2-Steuer und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer. Und der Druck steigt weiter, vor allem Rohstoffpreise aller Art schießen aufgrund anhaltender Knappheit derzeit förmlich durch die Decke. Wenn dann mit Überwindung der Pan demie auch noch massive Nachholeffekte, etwa im Konsum, einsetzen, könnte da schon bald eine 3 vor dem Komma stehen. Das klingt zwar immer noch vergleichsweise harmlos. Aber der Schein trügt: Bei einer jährlichen Teuerungsrate von 3 Prozent verliert Geld innerhalb von nur 25 Jahren mehr als die Hälfte seines Wertes.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass eine obsolet geglaubte Frage dieser Tage ebenfalls eine Renaissance erlebt: Welche Anlageklassen bieten den besten Inflationsschutz? Die Immobilie wird hier gerne gleich an erster Stelle genannt. Was läge auch näher, schließlich ist sie quasi der in Beton gegossene Inbegriff eines greifbaren Sachwerts, der Investoren doch bestmöglich gegen Inflation feien sollte. Dabei wird insbesondere auf die in vielen Ländern übliche Mietindexierung gerne verwiesen. Allerdings zeigt ein Blick in die empirische Forschung, dass das Ganze durchaus mit Vorsicht zu genießen ist. Der Inflationsschutz von Immobilien ist nämlich keineswegs eindeutig nachweisbar.

Markus Demary und Michael Voigtländer etwa gelangten in einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 zu dem Schluss, dass indirekte Immobilienanlagen (in diesem Fall Immobilienaktien) eine negative Korrelation mit der Inflation aufweisen. Die Renditen von Immobilienaktien sinken also bei zunehmender Geldentwertung. Besser schnitten im Vergleich dazu Direktinvestments aus, wobei auch hier differenziert werden muss: Während Einzelhandelsimmobilien laut Demary/ Voigtländer keinen wirksamen Schutz darstellen (bei den meist umsatzbasierten Mieten gelingt ein Inflationsausgleich nur dann, wenn der Einzelhändler die höheren Preise auf den Kunden umwälzen kann), sei für Büro- und Wohnimmobilien bei steigender Inflation auch von steigenden Renditen auszugehen. Zudem schützten in Deutschland Wohnimmobilien möglicherweise besser als Gewerbeimmobilien vor Inflation, in den USA sei es umgekehrt. Stichwort "umgekehrt": Steffen Sebastian von der Universität Regensburg kam 2012 zu dem Ergebnis, dass indirekte An lagen wie offene Immobilienfonds und REITs eine Absicherung gegen Inflation bieten, Direktanlagen (in diesem Fall: Wohnimmobilien) hin gegen nicht. Auch die Haltedauer scheint eine wichtige Rolle zu spielen. So hat Tim Koniarski im Rahmen seiner Doktorarbeit 2014 aufgezeigt, dass der Inflationsschutz von Immobilien kurzfristig deutlich schlechter greift als langfristig.

Dem ihr vorauseilenden Ruf eines pauschalen Inflationshedge wird die Assetklasse bei genauerem Hinsehen also nicht gerecht. Eine Flucht ins (vermeintliche) Betongold allein aufgrund von Inflationssorgen erscheint somit wenig ratsam. Sicher werden Anleger aber auch abseits davon weiterhin viele gute Kaufargumente für die Immobilie finden. Wirklich eindeutig ist das Urteil im Übrigen nur für die eingangs geschilderten Extremszenarien Hyperinflation beziehungsweise Währungsschnitt: In beiden Fällen standen Immobilieneigentümer am Ende freilich viel besser da als diejenigen mit einem stark entwerteten Geldvermögen. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass sie im Anschluss vom Staat jeweils noch geschröpft wurden: 1924 war es die "Hauszinssteuer" und 1952 das "Lastenausgleichsgesetz", die für eine kräftige Umverteilung sorgten. Auf manche Dinge kann man sich also doch stets verlassen.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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