DAS IMMOBILIEN-NATURGESETZ UND DIE NEUE NORMALITÄT

Philipp Hafner, Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

"Corona-Stresstest bestanden." So überschreibt die DZ Bank ihre jüngste Analyse zum deutschen Immobilienmarkt nach rund vier Monaten Pandemie. Tatsächlich geben die im Juli vorgelegten Halbjahreszahlen der großen Maklerhäuser auf den ersten Blick keinen Anlass für Sorgenfalten, denn insbesondere am Investmentmarkt scheint alles immer noch seinen gewohnten Gang zu nehmen: So flossen nach Angaben von BNP Paribas Real Estate in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres 29,4 Milliarden Euro in deutsche Gewerbeimmobilien - ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Rechnet man noch die Investitionen in Wohnimmobilien (ab 30 Einheiten) hinzu, die sich auf knapp 12,7 Milliarden Euro (plus 80 Prozent) belaufen, ergibt sich ein stattlicher Gesamtumsatz von gut 42 Milliarden Euro.

Grundsätzlich gilt es, die Zahlen aber mit Vorsicht zu interpretieren, denn der Immobilien-Investmentmarkt lebt traditionell von langen Vorlaufzeiten. Ein nicht zu unterschätzender Anteil der hier berücksichtigten Deals, vor allem im bärenstarken ersten Quartal, hatte sich also bereits in Prä-Corona-Zeiten angebahnt. Betrachtet man hingegen das zweite Quartal isoliert, so stehen lediglich 10,8 Milliarden Euro beziehungsweise ein dickes Minus von 19 Prozent zum Vorjahr zu Buche. Deutlich zum Ausdruck kommen hier zum einen die Unsicherheiten über die weitere Entwicklung einzelner Immobiliensegmente (insbesondere Einzelhandel, Gastronomie und Hotel), zum anderen die widrigen Umstände während des Lockdowns, etwa kaum durchführbare Besichtigungen und erschwerte Finanzierungsbedingungen.

Alles in allem bleibt aber eindeutig festzuhalten, dass von einem mitunter prophezeiten Stillstand am Investmentmarkt nicht die Rede sein kann. Institutionelle Investoren kehren der Immobilie als Assetklasse also keinesfalls den Rücken - besonders dann nicht, wenn sie im "sicheren Hafen" Deutschland liegt. Dahingestellt sei in diesem Zusammenhang die Frage, wie viele davon wirkliche Überzeugungstäter sind und wer lediglich ob der infolge einer immer expansiveren Geldpolitik nochmals verschärften "Kapitalanlageverzweiflung" handelt. Denn letztlich muss jedem Anleger klar sein: Auch und gerade bei Immobilien wird man sich ab sofort wieder deutlich mehr anstrengen müssen, um Erfolge zu erzielen. Auf Immobilien-Asset-Manager wartet unterm Strich "mehr Aufwand bei weniger Ertrag" - so bringt es Martin Eberhardt in seinem Beitrag (siehe Seite hier) trefflich auf den Punkt.

Einen ersten Vorgeschmack darauf gibt der jüngste Einbruch am Bürovermietungsmarkt. Laut JLL wurden im ersten Halbjahr 2020 nur noch rund 1,28 Millionen Quadratmeter Bürofläche in den Top-7 umgesetzt. Das entspricht einem Rückgang zum Vorjahresvolumen um fast 36 Prozent. Natürlich spielen auch hier die beispiellosen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus im zweiten Quartal eine nicht zu unterschätzende Rolle - gewisse Nachholeffekte werden sicher zu beobachten sein. Aber man braucht doch eine gehörige Portion Optimismus, um diesbezüglich an eine substanzielle Erholung im weiteren Jahresverlauf glauben zu können. Denn anstatt Expansionen voranzutreiben, regiert in vielen Unternehmen derzeit eher der Rotstift. Euler Hermes erwartet spätestens ab dem Herbst dieses Jahres eine weltweite Pleitewelle gigantischen Ausmaßes, wobei Deutschland mit einem bis 2021 prognostizierten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um zwölf Prozent auf etwa 21 000 Fälle sogar noch vergleichsweise "glimpflich" davonkommen könnte.

Nichtsdestoweniger droht somit auch hierzulande erstmals seit vielen Jahren wieder steigender Leerstand auf den gewerblichen Immobilienmärkten. Damit einhergehen wird eine spürbare Verschiebung der Machtverhältnisse: weg vom Vermieter, hin zum Mieter. Dafür sprechen bereits erste Berichte über eine steigende Anzahl von Nutzern, die via Incentives niedrigere Mieten durchzusetzen vermögen. Und am Ende dieser Wirkungskette müsste es dann schließlich auch zu fallenden Kaufpreisen kommen. Doch in Zeiten von Nullbeziehungsweise Negativzinsen gepaart mit geldpolitischer Überflutung der Rentenmärkte ist dies keineswegs gesichert: Die ohnehin bereits mächtige "Wall of Money", die nach Anlagemöglichkeiten in Immobilien sucht, könnte sogar noch größer werden, frohlocken erste Immobilienexperten und das vermutlich nicht zu Unrecht. Zugleich würde sich dadurch aber die Entkoppelung von Investment- und Vermietungsmarkt - wohlgemerkt schon seit zirka fünf Jahren ein heiß diskutiertes Risiko - nochmals verschärfen.

Das vermeintliche "Immobilien-Naturgesetz", wonach der Nutzer den Ausschlag über Erfolg oder Misserfolg eines Immobilieninvestments gibt, scheint damit zunehmend außer Kraft gesetzt zu werden. Diese per se ungesunde Entwicklung mag letztlich Teil der "neuen Normalität" im Kontext dauerhaft niedriger Zinsen sein, wirklich gut schlafen lässt es sich damit aber irgendwie trotzdem nicht - vor allem dann, wenn Immobilien im Vertrauen auf ihren Nimbus als "Betongold" ins Portfolio genommen werden.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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