KEINE PANIK

Philipp Hafner, Redakteur Foto: Verlag Helmut Richardi

Was sich derzeit rund um den Globus abspielt, schien bis vor kurzem höchstens der dystopischen Fantasie eines Science-Fiction-Autors entspringen zu können: Exponentiell steigende Zahlen von Infizierten und Todesopfern, drastisch eingeschränkte Bürgerrechte, ausgestorbene Städte, stillstehende Produktionsanlagen, taumelnde Unternehmen und Kapitalmärkte - es ist nur ein kleiner Auszug dessen, was bislang vom heimtückischen Corona-Virus an Schockwellen in alle Lebensbereiche gesandt wurde. Die nun von Fiskal- und Geldpolitik verabschiedeten, schwindelerregenden Hilfspakete mögen die Not etwas lindern, an einer schweren Rezession werden die meisten Länder - darunter auch Deutschland - mit großer Wahrscheinlichkeit dennoch nicht vorbeikommen.

Angesichts der komplexen Gemengelange erscheint die Frage nach der weiteren Entwicklung auf dem deutschen Markt für selbst genutztes Wohneigentum fast schon wie eine Petitesse. Und doch ist sie bei genauerem Hinsehen natürlich absolut relevant. Zum einen deshalb, weil rund die Hälfte des privaten Vermögens in Deutschland in Immobilien angelegt ist. Und zum anderen, weil die Baufinanzierung mit einem Anteil von über 42 Prozent am Gesamt-Kreditbestand die mit Abstand wichtigste Kreditkategorie hiesiger Banken ist. Infolge des anhaltenden Immobilienbooms haben Letztere ihre Aktivitäten in diesem Geschäftsfeld in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgeweitet. Der Bundesbank-Statistik zufolge stieg der Bestand an Wohnimmobilienfinanzierungen zwischen 2009 und 2019 von rund 1,1 um gut 36 Prozent auf 1,5 Billionen Euro an. Dabei war es bekanntlich die Bundesbank selbst, die in der jüngeren Vergangenheit regelmäßig vor überhöhten Preisniveaus in einer Größenordnung von 15 bis 30 Prozent in einzelnen Regionen Deutschlands warnte. Daraus potenziell hervorgehende Risiken vermag sie ob der mangelhaften Datenlage gleichwohl nicht zu beurteilen.

Einige neue Indizien in diesem Zusammenhang liefert nun eine aktuelle Erhebung des vdp unter seinen Mitgliedsinstituten. Gut ablesen lässt sich hier zunächst die dynamische Preisentwicklung: So lagen die durchschnittlichen Kaufpreise (ohne Erwerbsnebenkosten) im ersten Halbjahr 2019 bei 339 000 Euro - ein Anstieg um knapp 55 Prozent gegenüber 2009. Im selben Zeitraum stieg das verfügbare Monatseinkommen der erfassten Erwerberhaushalte zwar um immerhin ein Fünftel auf 4 300 Euro, damit bleiben sie jedoch deutlich hinter der Immobilienpreisentwicklung zurück. Da sich zugleich die Zinskonditionen seit 2015 nicht mehr wesentlich verbessert haben, konnten diese die kräftigen Preissteigerungen seitdem auch nicht mehr kompensieren. Alles in allem hat sich somit die monatliche Belastung aus den Darlehen im Verhältnis zu den Haushaltsnettoeinkommen (Kreditbelastungsquote) zwischen 2015 und 2019 von 22 auf 26 Prozent erhöht - im langfristigen Vergleich ist dies laut vdp aber immer noch ein moderates Niveau. Unterdessen setzt sich der Trend zu einem höheren Fremdkapitaleinsatz fort: Dieser stieg im Mittel von 75 Prozent im Jahr 2012 auf zuletzt 82 Prozent.

Ein Stück weit beruhigend ist dabei sicher die Tatsache, dass sich weder Kreditbelastungsquote noch Fremdmittelanteil bei Erwerberhaushalten mit niedrigem Einkommen erhöht hat. Der vdp wertet dies als Zeichen dafür, dass bei der Kreditvergabe die Angemessenheit des Darlehens mit Blick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers - im Einklang mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie - sehr genau berücksichtigt wird. Trotz alledem ist natürlich nicht auszuschließen, dass sich die Corona-Krise für manchen Häuslebauer und seine finanzierende Bank als echter Stresstest erweist. Denkt man aber einmal zurück an die Situation vor zwölf Jahren zu Zeiten der Finanzkrise, so gibt es durchaus Anlass zur Hoffnung. Während im Ausland reihenweise die Spekulationsblasen platzten, kam der deutsche Wohnungsmarkt relativ gut durch die Krise, vor allem dank der traditionell langfristigen Festzinsbindungen, denen auf Bankenseite langfristige Refinanzierungsinstrumente wie der Pfandbrief gegenüberstehen.

Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle natürlich auch die Bausparkassen als wichtige Stabilitätsanker in der privaten Baufinanzierung. Genau wie der Pfandbrief bewies deren Kernprodukt - das kollektive Bausparen - damals seine Solidität, indem es als eines von ganz wenigen Finanzprodukten ohne nennenswerten Schaden durch diese turbulenten Zeiten kam. Und wer weiß, vielleicht erlebt dieser inzwischen fast 100 Jahre alte Klassiker infolge der Corona-Krise sogar einen unverhofften Nachfrageschub. Vor zwölf Jahren war dieser Effekt jedenfalls zu beobachten: Dem Bausparen mit seinem vom Kapitalmarkt weitgehend unabhängigen geschlossenen Spar- und Finanzierungskreislauf wurde damals besonderes Vertrauen entgegengebracht. Wie heißt es doch so schön: "In jeder Krise steckt auch eine Chance."

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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