KONZEPT LOS!

Philipp Hafner, Leitender Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

"Die Gelder fließen nicht ab, die Zugangshürden sind viel zu hoch, zu kompliziert und zu zeitaufwendig. Bei der Überbrückungshilfe III muss zwingend nachgearbeitet werden. Wir werden sonst eine unglaubliche Pleitewelle erleben und Leerstände bekommen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können." Mit diesem eindringlichen Hilferuf wandte sich Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), am 13. Januar an die Mitglieder des Bauausschusses im Bundestag. Es ist ein Appell, für den man zweifellos viel Verständnis und Sympathien übrig hat, insbesondere nachdem die Bundesregierung zu Beginn des zweiten Lockdowns doch vollmundig schnelle und unbürokratische Hilfen für Umsatzausfälle zugesagt hatte. Tatsächlich ist davon bislang aber nur ein Bruchteil der vorgesehenen Gelder im Handel angekommen.

Auf der anderen Seite muss die Regierung bei den Corona-Hilfen natürlich äußerst sorgfältig vorgehen. Das gilt auch und gerade für den stationären Einzelhandel, denn viele seiner Vertreter sind infolge tiefer struktureller Probleme bereits angeschlagen in die Corona-Krise gegangen - trotz einer zuvor extrem langen Phase der Hochkonjunktur in Deutschland. Und so kann es auch nicht verwundern, dass seit Ausbruch der Pandemie schon einige traditionsreiche deutsche Modeketten den Gang in die Insolvenz antreten mussten: Appelrath Cüpper, Galeria Karstadt Kaufhof, Hallhuber oder zuletzt Adler - es ist nur ein kleiner Auszug einer langen Liste, die in den kommenden Monaten noch weiter wachsen wird. Es wäre schlichtweg fahrlässig, solchen Unternehmen, die ohne staatliche Hilfe nicht in einer Post-Corona-Welt überlebensfähig sind, Steuergeld nachzuwerfen.

Insofern tut die Politik also gut daran, an dieser Stelle eine möglichst differenzierte Prüfung vorzunehmen. Und im Anschluss daran wird man sich wohl oder übel einer ziemlich unbequemen Frage stellen müssen: Was kann dem drohenden Ausbluten hiesiger Innenstädte und Ortskerne entgegengesetzt werden? Viel ist in diesem Zusammenhang derzeit bekanntlich von Mischkonzepten - neudeutsch: "Mixed Use" - die Rede. Zurecht, denn die Innenstädte wurden nun einfach zu lange und zu stark vom Einzelhandel dominiert. Diese monofunktionale Überfrachtung mit immer denselben Großfilialisten sorgte in vielen Fällen für sehr eintönige und austauschbare Stadtbilder, die schon lange vor Corona nach tiefgreifenden Veränderungen schrien.

Gleichwohl gilt es festzuhalten: So charmant die Vorstellung von "alles unter einem Dach" ist - ein Allheilmittel sind solche Mischnutzungen letztlich nur in der Theorie. In der Praxis stoßen Planer und Projektentwickler bei der Schaffung der dafür notwendigen baulichen Veränderungen nämlich regelmäßig auf erhebliche Hürden. Bestes Beispiel dafür sind die prominent im Herzen vieler deutscher Innenstädte vertretenen Waren- und Kaufhäuser: Diese kriselnden Konsumtempel wurden seinerzeit oft maßgeschneidert ausschließlich für die Nutzung als Warenhaus erbaut. Eine Umwidmung in ein Mixed-Use-Gebäude ist deshalb technisch anspruchsvoll, kostspielig und den Erfolg kann letztlich niemand garantieren. Entsprechend reserviert sind gerade private Eigentümer, für die ein nicht zu unterschätzender Aspekt hinzukommt: Im Einzelhandel sind bei allen Problemen noch immer die höchsten Mieten zu erzielen. Ein Wechsel zu anderen Nutzungsfunktionen ist somit üblicherweise mit Mindereinnahmen verbunden.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte beispielsweise eine aktivere Rolle der Kommunen sein. Der Deutsche Städtetag hat diesbezüglich vor Kurzem kommunale Bodenfonds und erweiterte Vorkaufsrechte ins Spiel gebracht. Zwei Instrumente also, mithilfe derer die Städte in die Lage versetzt werden sollen, leichter Einzelhandelsimmobilien in zentralen Innenstadtlagen erwerben zu können. Der offensichtliche Haken an dieser Idee sind freilich die spätestens seit Corona allerorts fehlenden finanziellen Spielräume dafür. Weitaus praktikabler und letztlich auch vernünftiger wäre es im Vergleich dazu, wenn man die Anreize für private Investitionen erhöht, etwa indem Erleichterungen baurechtlicher Vorschriften im Sinne einer Wiederbelebung der Innenstädte in Angriff genommen würden. Die RICS urteilte dazu unlängst wenig schmeichelhaft: "Die derzeitigen Baugebietsvorgaben der Baunutzungsverordnung halten den urbanen Megatrends nicht stand. Sie sind zu starr und unflexibel, um den notwendigen Strukturwandel aktiv gestalten zu können. Die Umwandlung von gewerblich genutztem Raum in Wohnraum sowie soziale Nutzungsformen und eine stärkere funktionale Mischung muss planerisch und städtebaulich erleichtert werden."

Und was zunächst nach einer Aufgabe für die ferne Zukunft klingt, ließe sich bei genauerer Betrachtung - zumindest in Teilen - unmittelbar anpacken: Das derzeit noch laufende Gesetzgebungsverfahren zum Baulandmobilisierungsgesetz könnte für Erleichterungen genutzt werden. Ob dieses seit Monaten für massive Kontroversen sorgende Werk (Stichwort "Umwandlungsverbot") noch ein halbwegs versöhnliches Ende findet? Träumen sei erlaubt.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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