Master gesucht

Horst Bertram

Die neue EU-Kommission hat sich eine umfangreiche Themenliste vorgenommen. Dazu gehört vor allem die Investitionsoffensive für Europa, der sogenannte Juncker-Plan. Aus 21 Milliarden Euro an Garantien und Kapital der EU beziehungsweise der EIB sollen innerhalb von drei Jahren 315 Milliarden an Investitionen angeschoben werden. Was viel zu kurz kommt, ist die Förderung und Weiterentwicklung des europäischen Immobilienmarktes. Der Juncker-Plan spricht viel von der Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Was fehlt, ist die Vernetzung mit den unterschiedlichen Facetten des Immobilienmarktes.

Wichtige Branchenvertreter gehen jetzt gemäßigt auf die Barrikaden und fordern von der Kommission zu Recht Nachbesserungen für den Immobiliensektor in Europa. Sie verweisen auf die enorme Bedeutung des Sektors für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und laden sich selbst zum "High-Level-Dialog" ein. Sie haben wichtige Argumente auf ihrer Seite. Der gewerbliche Immobilienmarkt trug 2013 mit 302 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel zur wirtschaftlichen Leistung bei wie beispielsweise der Automobil- oder Telekommunikationssektor. Den gesamten Wert des Wohnungsmarktes in Europa schätzen die Branchenvertreter auf stattliche 24 000 Milliarden Euro. Investitionen in Wohnungsbau, Infrastruktur und gewerbliche Immobilienprojekte machen zusammen mehr als 1 Milliarde Euro pro Jahr aus. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass in der gesamten Branche rund 1,1 Millionen Unternehmen tätig sind, die 2,6 Millionen Mitarbeiter beschäftigen. Gerade die so wichtigen Zukunftsthemen wie beispielsweise die Infrastrukturfinanzierung und die Reduzierung von Energiekosten im privaten und gewerblichen Segment spielen sich überwiegend im Immobiliensektor ab. Die Fakten sprechen also für sich. Umso mehr erscheint es überraschend, dass das Thema - auch vor dem Hintergrund zahlreicher europäischer Gesetze und Regelungen, die die Branche massiv betreffen - in Brüssel nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dabei könnte man sich doch so herrlich profilieren.

Zu den Themen, die die Branche betreffen, gehören unter anderem Finanzierung, Besteuerung, fairer Wettbewerb, Investitionsprogramme, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Zudem geht es bei den Forderungen der Immobilienbranche auch um einen für die Bürger Europas enorm wichtigen Aspekt, der das politische Handeln maßgeblich zu beeinflussen hat. Der Aspekt lautet ganz einfach, dass "jeder Bürger das Recht auf eine angemessene und bezahlbare Bleibe hat". Gerade vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Preise für Eigentumswohnungen und in Ballungsräumen häufig von der breiten Bevölkerung nicht mehr zu leistenden Mieten sind die Politiker und die gesamte Branche gefordert, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das zum Anstieg der Wohnungspreise und -mieten die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank massiv beigetragen hat, ist hierbei nur ein Randaspekt.

Die Weichen auf dem Wohnungsmarkt kann Brüssel aber nicht alleine stellen. Hier sind vor allem Politiker auf lokaler Ebene gefordert, das nötige Bauland zu vernünftigen Preisen bedürftigen Mietern - wie beispielsweise jungen Familien, einkommensschwachen Bürgern oder Rentnern mit niedriger Altersversorgung - zur Verfügung zu stellen. Beispielhaft ist in Deutschland das "Bündnis für bezahlbares Wohnen". Häufig genug wird Bauland nicht genutzt, weil auf lokaler Ebene Bedenkenträger dominieren und Entscheidungen verhindern. Dazu gehört aber auch, über verstärkte staatliche Fördermaßnahmen zum Erwerb von Wohnungen nachzudenken. Nichts gibt Bürgern eine größere finanzielle Sicherheit im Alter, als in einer abbezahlten und damit im Unterhalt günstigen Wohnung zu leben. Auch die Branche ist gefordert, über neue, günstige und energieeffiziente Möglichkeiten des Bauens nachzudenken.

Europa - und damit auch Deutschland - braucht eine klare Strategie für den so wichtigen Sektor der Immobilienwirtschaft. Die Aufgaben sind so gigantisch, dass es dazu eigentlich eines Masterplanes bedarf. Die Frage ist nur, wer will der Master sein?

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