WO SOLL DAS NUR ENDEN?

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Historisches Jahr", "Aufbruch in neue Sphären", "Fulminantes Feuerwerk an Abschlüssen" - die Immobilienanalysten geizten bei der Rückschau auf das deutsche Immobilien-Investmentjahr 2019 wahrlich nicht mit Superlativen. Und warum sollten sie auch, schließlich wurden zum Ausklang der Zehnerjahre, die man in der Retrospektive wohl mit Fug und Recht als "Dekade der Immobilie" titulieren wird, tatsächlich noch einmal neue Maßstäbe gesetzt: So flossen 2019 nach Angaben von BNP Paribas Real Estate allein in Gewerbeimmobilien bundesweit gut 73,4 Milliarden Euro - satte 19 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2018. Damit löst Deutschland zugleich erstmals Großbritannien als größten gewerblichen Immobilien-Investmentmarkt in Europa ab, weltweit steht nur noch die USA - allerdings mit großem Abstand - vor der Bundesrepublik.

Und ein Abebben der Geldflut in deutsches Betongold ist weiter nicht in Sicht, ganz im Gegenteil: Die zu Jahresbeginn veröffentlichten Umfragen und Statistiken bescheinigen dem hiesigen Immobilien-Investmentmarkt unverändert glänzende Perspektiven. So wurde Deutschland in der "Global Investment Intentions Survey 2020" der drei Fondsverbände Inrev (Europa), Anrev (Asien) und Prea (USA) von den 140 befragten, global aufgestellten Investoren und Fondsmanagern zum beliebtesten europäischen Zielland 2020 (Zustimmungsquote: 67 Prozent) für Investments via Immobilienfonds auserkoren. Dass eben diese Fonds sich vor Liquidität kaum noch retten können, hat derweil Prequin ermittelt: Mit 151 Milliarden US-Dollar haben Immobilienfonds weltweit im vergangenen Jahr so viel frisches Eigenkapital wie nie zuvor eingesammelt. Zugleich summierten sich die noch nicht investierten, aber bereits zugesagten Fondsmittel ("Dry Powder") per Ende 2019 auf gigantische 319 Milliarden US-Dollar - ein klares Indiz für den immer akuteren Produktmangel. Eine weitere schwindelerregende Zahl, die es sich zu vergegenwärtigen lohnt: 800 Milliarden Euro. So viel Kapital wird nach Schätzung von JLL in den kommenden fünf Jahren allein durch auslaufende deutsche Staatsanleihen (mit Renditen von etwa drei Prozent) freigesetzt und will selbstverständlich wieder halbwegs rentierlich angelegt werden.

Da Bunds hierfür bekanntlich nicht mehr infrage kommen, werden die Bieterschlachten um Immobilien tendenziell weiter an Intensität gewinnen. Schon heute übersteigen laut JLL die bei Bieterverfahren verbindlich abgegebenen Angebote den Wert der zum Verkauf stehenden Objekte regelmäßig um das Zehnfache. Gerade konservative Investoren sind bei Direktinvestments also auf eine starke Frustrationstoleranz angewiesen, da sie hier wohl immer öfter in die Röhre schauen dürften. Oder sie fassen sich stattdessen ein Herz und nehmen verstärkt alternative Formen der Immobilienanlage ins Visier, um so vielleicht doch noch ein auskömmliches Stück vom begehrten Immobilienkuchen abzubekommen.

In diesem Zusammenhang spricht einiges für börsengelistete Vehikel, also Immobilienaktien oder REITs, die als Hybride ein Exposure am Immobilienmarkt mit täglicher Fungibilität verbinden. Dass diese Investmentvariante aufgrund ihrer zweifellos höheren Volatilität bei vielen deutschen Profianlegern nach wie vor kategorisch ausscheidet, war mit Blick auf die jüngere Vergangenheit eine verpasste Chance. Nicht zuletzt mit den Anteilsscheinen deutscher Immobilien-AGs ließ sich nämlich ordentlich Geld verdienen: So schlägt im Fünfjahresvergleich der von Ellwanger & Geiger konzipierte Deutsche Immobilienindex (Dimax) mit einem Plus von rund 96 Prozent den Dax (plus 33 Prozent) um Längen, ganz zu schweigen von den staatlichen Dividendenzahlungen. Indes verrät ein Blick auf die Aktionärsstruktur der deutschen Immobilien-AGs, dass von dieser positiven Entwicklung bislang zumeist vor allem ausländische Großinvestoren profitierten.

Und auch wenn die Kurse - insbesondere bei den Wohnimmobilien-AGs, die zudem unter den politischen Experimenten im Mietrecht leiden - inzwischen recht weit gelaufen sind, so bieten sich doch nach wie vor günstige Einstiegsmöglichkeiten, günstiger jedenfalls als am Direktmarkt. Laut dem aktuellen "Stimmungsindikator Immobilienaktien" von Kirchhoff Consult besteht vor allem bei Gewerbeimmobilienaktien aufgrund hoher Abschläge zum Net Asset Value (NAV) von durchschnittlich rund 20 Prozent durchaus noch Anlass für Kursfantasien. Im Zwölfmonatsszenario rechnen 63 Prozent der befragten Analysten mit steigenden Kursen der Gewerbeimmobilien-Aktien von 5 bis 15 Prozent, ein Viertel erwartet sogar eine noch stärkere Entwicklung. Gute Vorzeichen also, um den Dax ein weiteres Mal hinter sich zu lassen.

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